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Nach der FlutBürokratie-Monster sorgt beim Wiederaufbau im Kreis Euskirchen für Ärger

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann steht vor dem Sötenicher Bürgerhaus, das die Flut zerstört hat.

Das Bürgerhaus in Sötenich wurde durch die Flut zerstört. Seit mehr als einem Jahr versuchen Gemeinde und Verein, den Wiederaufbau zu organisieren. Doch die Hürden der Bürokratie seien hoch, so die Verantwortlichen.

Per Sofortmaßnahme konnte nach der Flut im Kreis Euskirchen schnell gehandelt werden. Doch nun sorgt die Bürokratie wieder für Ärger.

Wer Sacha Reichelt fragt, warum in den Tagen und Wochen nach der Flut neben den privaten Hilfen auch das öffentliche Handeln so schnell ging, erhält eine verblüffende Antwort: die Bürokratie. „Die Bürokratie“, löst Euskirchens Bürgermeister die Verwirrung auf, „sieht ja auch vor, dass es Ausnahmen von der Bürokratie geben kann.“ Dann sind Sofortmaßnahmen gefragt.

Planungen, Genehmigungsverfahren, Ausschreibungen, Vergaben und die Furcht vor blauen Briefen des Landesrechnungshofs treten in den Hintergrund. So war es im Juli 2021.

Bürgermeister sehen keine Erleichterung

Und danach? Als Trinkwasserversorgung und Kommunikation wieder einigermaßen hergestellt, die Trümmer, die Ortszufahrten versperrten, beseitigt und Abfallberge abtransportiert waren, bevor Ratten sie entdeckten, verwandelte sich die Bürokratie-Fee rasch wieder ins alte Bürokratie-Monster. „Das ging schnell, binnen Wochen“, erinnert sich Reichelt. Er, seine Kolleginnen und Kollegen sind längst wieder aller Illusionen beraubt, dass sich etwas verbessern könnte. „Irgendeine Erleichterung, weil es sich um eine Wiederaufbaumaßnahme nach der Flut handelt, können wir jedenfalls nicht feststellen“, stellt der Kaller Bürgermeister Hermann-Josef Esser fest. Es laufe „sehr, sehr zäh“.

Esser hat Manfred Poth als Wiederaufbaukoordinator für Kall gewonnen. Als früherer Allgemeiner Vertreter des Landrats kennt er den Dschungel der Bürokratie. Erfahrungen, die er nun wieder braucht. Allein ein Wiederaufbauplänchen für das Bürgerhaus in Sötenich beschäftige sein Team und die ehrenamtlich tätigen Vereinsverantwortlichen inzwischen mehr als ein Jahr, erzählt Poth.

Veybach-Umlegung in Euskirchen dauerte 30 Jahre

Da will man gar nicht so genau wissen, was erst bei Großprojekten so los ist. Doch es lohnt ein Blick nach Euskirchen, wo vom ersten Gedanken an eine Umlegung des Veybachs in Wißkirchen und Euenheim rund 30 Jahre ins Land gezogen sind, bis die Bagger anrollten. Die reine Baudauer von eineinhalb Jahre war dann quasi ein Wimpernschlag.

Es kann einem angst und bange werden. Zwar sind Großvorhaben immer eine Wundertüte. Doch während viele sich die serienmäßig verschobenen Eröffnungstermine des Hauptstadt-Flughafens als Fundgrube für Satiriker schönmalen konnten, weil der Flugverkehr in Tegel ja weiterging, hört beim Hochwasserschutz der Spaß auf. Hier geht es um Haus und Hof und im Zweifel um Leben und Tod.

Mechernicher waren 2016 und 2021 von Fluten betroffen

„Wer 2016 betroffen war und 2021 dann erneut, hat Angst, wenn die Maßnahmen fünf oder sechs Jahre dauern“, zeigt Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick Verständnis für das Unverständnis der Bürgerinnen und Bürger, die binnen fünf Jahren zwei Fluten erleben mussten. Und so verbringen die Rathausspitzen viel Zeit damit, Menschen, die sich nicht beruflich mit Vergaberichtlinien und Ähnlichem beschäftigen, zu erklären, warum alles so lange dauert – und können es im Grunde selbst nicht ganz nachvollziehen. „Wir sind da wieder in die alten Geschichten zurückgefallen“, sagt Schick und fordert „mehr Drive“.

Auf den hofft auch Reichelt, nachdem er kürzlich die Bilder von der Eröffnung des Flüssiggasterminals in Wilhelmshaven gesehen hat und Bundeskanzler Olaf Scholz die vergleichsweise rasend schnelle Verwirklichung auf das „neue Deutschland-Tempo“ zurückführte. „Ich hoffe, dass das auch schnell auf Ortsebene ankommt“, sagt Reichelt. Ansonsten verlören die Menschen das Vertrauen in den Staat. Er denkt dabei auch an die Beschäftigten in den Rathäusern, „die sich mit teils frustrierenden Verfahren, die scheinbar nie zum Ende kommen, herumschlagen müssen“.

Manfred Poth: „Es ist im Einzelfall eine Sisyphusarbeit“

In Kall loben Esser und Poth, dass ihr Wiederaufbauplan rasch genehmigt wurde. Doch als alter Fahrensmann weiß Poth auch, dass die eigentliche Arbeit erst danach beginnt: „Es wird akribisch geprüft: Ist es förderfähig? Oder ist es nicht förderfähig?“ Dass die Richtlinien neben dem Wiederaufbau auch den neuen Stand der Technik, was etwa Energetik angeht, berücksichtigten, sei richtig. Doch darüber, was „Stand der Technik“ ist, lässt sich trefflich streiten. „Das führt bei Ersatzneubauten zu Problemen, die dann akribisch im Detail gegenüber der Bezirksregierung aufgearbeitet werden müssen“, sagt Poth.

Die Bad Münstereifeler Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian nennt das Paradebeispiel dieser Diskussion: Darf ein Aschenplatz durch einen teureren Kunstrasenplatz ersetzt werden? Inzwischen steht fest: Die Differenz müssen die Kommunen zahlen. Doch fast alles muss geplant, genehmigt, ausgeschrieben und vergeben werden. „Es ist im Einzelfall eine Sisyphusarbeit“, so Poth. Sogar Planungen müssten ausgeschrieben werden. Nur gut, dass Ausschreibungen noch nicht ausgeschrieben werden müssen.


Die Serie: 2022 stand der Wiederaufbau nach der Flut im Fokus. Alle wissen: Es ist noch ein langer Weg. Wie läuft es bei öffentlichen Gebäuden, Straßen und Wegen? Wo hapert's? Was läuft gut? Und was ärgert die Spitzen in den Rathäusern besonders? Wir blicken in den Folgen in die Kommunen und greifen Themen auf, die alle Städte und Gemeinden betreffen.