Die Quote der überschuldeten Menschen im Kreis Euskirchen ist gesunken. Rat finden Betroffene bei der Caritas.
FinanzenFast jeder Zwölfte im Kreis Euskirchen ist überschuldet
Auf den ersten Blick sieht das doch gar nicht so schlecht aus: Die Quote der Erwachsenen im Kreis Euskirchen, die überschuldet sind, ist 2024 von 8,87 auf 8,42 Prozent gesunken. Doch dann kommt der zweite Blick. Und der offenbart, dass im Kreis immer noch fast jeder 12. Erwachsene derart in den Miesen steht, dass er oder sie die Zahlungsverpflichtungen in absehbarer Zeit nicht begleichen kann und zur Deckung seines Lebensunterhaltes weder Vermögen noch Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Das geht aus dem Schuldneratlas 2024 der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervor. Es gibt noch weitere Gründe, die trotz des leichten Rückgangs wenig Anlass zur Freude geben: Der Kreis liegt über dem Bundesschnitt, der von 8,15 Prozent auf 8,09 Prozent ebenfalls leicht gesunken ist.
Viele ziehen wegen der günstigeren Mieten aufs Land
Und unter den 400 Kreisen befindet er sich auf Platz 267 – also im unteren Drittel. Den Grund dafür kennt Norbert Telöken, Schuldnerberater im Caritas-Haus in Schleiden, nur zu gut. „Ich habe hier relativ viele Zugezogene“, berichtet er aus seinen Beratungen. Menschen also, die oftmals die hohen Mieten und steigenden Lebenshaltungskosten in den Großstädten nicht mehr zahlen können und dann auf dem Land ihr Glück versuchen.
Das deckt sich mit einer Antwort, die der Schleidener Beigeordnete Marcel Wolter im Gespräch mit dieser Zeitung kürzlich auf die Frage gab, warum die verfügbaren Einkommen der Menschen in seinem Beritt statistisch kreisweit relativ gering sind. Im Schleidener Tal lebten vergleichsweise viele Menschen, die alleinerziehend sind und/oder Bürgergeld beziehen.
Schuldnerberater haben 348 Menschen geholfen
„Das liegt wiederum daran, dass im Schleidener Tal der Wohnraum im Vergleich etwa zu Kall, Zülpich, Mechernich, Weilerswist oder Euskirchen wesentlich günstiger ist“, so Wolter. Mit Schleiden und Gemünd verfüge die Kommune zudem über zwei Zentralorte, während die umliegenden Kommunen jeweils nur einen hätten. In diesen Zentren sei der Anteil an Bürgern, die auf Sozialleistungen angewiesen seien, besonders hoch.
Das liege neben den vergleichsweise geringen Mieten auch an einem dort vergleichsweise gut funktionierenden Öffentlichen Personennahverkehr, was für Menschen, die sich kein Auto leisten können, ein bedeutender Standortvorteil sei. Im Jahr 2023 haben die Schuldnerberater der Caritas in der Region Eifel 348 Menschen geholfen. 2024, so Telöken, dürften es ähnlich viele gewesen sein.
An den Ursachen, die Menschen in die Überschuldung führen, habe sich in den vergangenen Jahren wenig geändert, stellen die Berater des Caritasverbandes für die Region Eifel fest. Mona Pontzen vom Caritas-Zentrum Kall erklärt: „In der Regel handelt es sich nach wie vor um Schulden in Zusammenhang mit Immobilien, Autofinanzierungen, Dispokrediten, Schulden durch Versandhaus oder Online-Käufe oder auch Rundfunkbeiträge.“
Ihre Kollegin Andrea Zens aus dem Caritas-Zentrum Mechernich macht ähnliche Erfahrungen bei ihrer Tätigkeit: „Das sind in erster Linie Verlust des Arbeitsplatzes, Trennung, Scheidung oder Alleinerziehung, aber ebenso Krankheit, Behinderung nach Unfall sowie Unerfahrenheit im Umgang mit Geld.“
Ohne Begleitung kommt man kaum aus dem Teufelskreis
Hinzugekommen seien in den letzten Jahren Probleme von Menschen im dauerhaften Niedriglohn-Sektor, in sogenannten „prekären Beschäftigungsverhältnissen“, oder sogenannte ergänzende Bürgergeldempfänger. „Das Gehalt fällt hier so gering aus, dass ergänzende Leistungen des Jobcenters zur Deckung des Existenzminimums in Anspruch genommen werden müssen. Dies gilt vor allem häufig für Familien“, machen die Eifeler Caritas-Helfer in einer Mitteilung deutlich.
Wer in eine Überschuldung geraten sei, sehe sich häufig in einem aussichtslosen Teufelskreis, der ohne Begleitung nicht durchbrochen werden könne. „Der Druck kann so hoch werden, dass Betroffene ernsthaft daran erkranken“, so die Berater. Darum macht Telöken den Betroffenen Mut, sich helfen zu lassen.
Privatinsolvenz kann eine Lösung sein
Die Wartezeiten bei der Schuldnerberatung seien überschaubar: „Wer sich heute bei uns meldet, bekommt in der nächsten Woche einen Termin“, sagt der Berater: „Wenn kurz vor Weihnachten jemand kommt, der sagt, dass ihm der Strom abgeklemmt wird, kann ich doch nicht sagen: ,Kommen Sie im Januar wieder!'“
Durch das 1999 eingeführte Verbraucherinsolvenzverfahren gebe es Möglichkeiten, Schulden zu regulieren und sich von Restschulden zu befreien. „Viele haben seither dadurch die Chance auf einen Neustart erhalten. Was möglich ist und wie die ersten Schritte verlaufen, erarbeiten die Fachkräfte in kostenlosen Beratungsgesprächen“, heißt es in der Mitteilung der Caritas.
Was häufig den Weg zur Schuldnerberatungsstelle erschwere, sei die eigene Scham: „Natürlich fällt es niemandem leicht, seine finanziellen Verhältnisse offen auf den Tisch zu legen. Das wird auch oft als eigenes Versagen erlebt“, sagt Norbert Telöken: „Das ist auch der Grund dafür, dass viele Klienten sehr spät in unsere Sprechstunde kommen – teilweise nach mehr als zehnjähriger Verschuldungszeit.“
Zeit, in der sich die Schulden nur noch mehr angehäuft hätten. Das lasse sich durch die möglichst frühzeitige Kontaktaufnahme mit den Beratungsstellen vermeiden. Ziel der Beratung sei nicht nur die Regulierung der Schulden, langfristig sollten Ratsuchende zu einem angemessenen Umgang mit Geld befähigt werden, um einer Neuverschuldung entgegenzuwirken.
Der Kreis Euskirchen liegt im Mittelfeld
In der Region reiht sich der Kreis Euskirchen mit der Quote von 8,42 Prozent an überschuldeten Erwachsenen und dem bundesweiten Platz 267 in der Mitte ein. Besser stehen da laut dem Schuldneratlas der Creditreform der Rheinisch-Bergische Kreis auf Platz 121 mit 6,49 (Vorjahr: 6,84) Prozent, der Rhein-Sieg-Kreis (Platz 146/aktuell 6,89/Vorjahr: 6,84) und der Oberbergische Kreis (222/7,68/7,92).
Hinter dem Kreis Euskirchen liegen die Städteregion Aachen (287/ 8,72/9,23), der Rhein-Erft-Kreis (303/ 8,92/9,07), der Kreis Heinsberg (315/ 9,21/949) und der Kreis Düren (318/ 9,29/9,79) . In Nordrhein-Westfalen liegt die Quote bei 9,58 Prozent (Vorjahr 9,72) und damit höher als im Kreis Euskirchen. Die Quote des Bundes mit 8,09 liegt jedoch unterhalb der des Kreises Euskirchen.