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MitfahrbänkeDieses Leader-Projekt ist im Kreis Euskirchen nicht zum Erfolg geworden

Lesezeit 6 Minuten
Die Mitfahrerbank am Alten Römerweg in Gemünd.

Die Mitfahrbank am Fuß des Salzbergs in Gemünd ist umgesetzt worden, weil sie vorher nicht in den Verkehrsfluss passte.

Nach fünf Jahren: Ein 60.000 Euro teures Leader-Projekt wird von der Bevölkerung im Kreis Euskirchen kaum genutzt.

Bei der einen hängt das Schild, auf dem steht, wohin es gehen soll, auf halb Acht. Die andere ist von der einen Seite schwer zu erkennen, weil ein großer Strauch davorsteht. Vor der nächsten wuchert das Unkraut. Mitfahrbänke sind keine Erfolgsgeschichte – das dürfte nach fünf Jahren klar sein. Ganz abschreiben darf man das Projekt aber auch nicht, wie Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings sagt: „Wir haben drei, vier Bänke im Stadtgebiet, die sehr gut angenommen werden.“

In Bronsfeld stehe eine solche Bank. Dass die Sitzgelegenheit dort gut angenommen werde und viel mehr als ein Platz ist, um sich auszuruhen, habe aber eine Art Vorgeschichte. „Schon früher setzten sich Menschen, die mitgenommen werden wollten, auf die Bank. Das ist im Dorf praktisch gewachsen. Nun hat die Bank halt eben eine andere Farbe“, erklärt Schleidens Verwaltungschef: „Die Bronsfelder, die sich dort hinsetzen, wissen einfach, dass der Nachbar sie mitnimmt, wenn er Platz im Auto hat.“

An vielen anderen Stellen sei die Bank aufgrund ihrer blauen Farbe zwar ein optischer Blickfang, aber mehr auch nicht. Gut funktioniere das Prinzip an den meisten Stellen nicht, so Pfennings: „Grundsätzlich ist das eine gute Idee. Aber eine, die damals auf dem Papier besser geklungen hat, als sie in der realen Welt ist.“ Das Leader-Projekt „Mitfahrbank“ sei eines der ersten gewesen, das er als neuer Verwaltungschef „geerbt“ habe, erinnert sich Pfennings.

Gesamtkosten: 60.000 Euro, davon 40.000 Euro von der EU

Die Kosten für das Gesamtprojekt inklusive Internetseite, Erklärvideo und Werbung beliefen sich auf 60.000 Euro, davon wurden 40.000 Euro über die Europäische Union gefördert. Die Standorte in Bad Münstereifel und Schleiden wurden von den Kommunen benannt. Dies geschah in den meisten Fällen unter Beteiligung der Bevölkerung, um den Bedarf abzustimmen.

Die Mitfahrbank in Kalkar sieht aus, als würde sie nicht häufig genutzt.

Die Mitfahrbank in Kalkar hat schon bessere Zeiten gesehen. Das liegt auch daran, dass der Ort mittlerweile gut an den ÖPNV angebunden ist.

Auch in der Gemeinde Dahlem waren die blauen Bänke mit den Erklärtafel und „Richtungsschildern“ geplant, aufgestellt wurden sie allerdings nicht – bisher zumindest. „Die Mitwirkung bei den Mitfahrbänken, geplant war die Verbindung Dahlem – Schmidtheim, wurde zunächst durch größere Baumaßnahmen in den Orten, dann durch Corona ausgebremst“, erklärt Dahlems Bürgermeister Jan Lembach. Und dann sei auch noch die Flut gekommen. „Seit dem Hochwasser haben wir leider keinen Bahnverkehr, aber einen relativ guten Schienenersatzverkehr zwischen Dahlem und Schmidtheim“, so Lembach. Der mache die Mitfahrbänke derzeit obsolet.

Auch der Taxibus „Mike“ macht den Mitfahrerbänken Konkurrenz

Der Bürgermeister hat aber noch einen weiteren Konkurrenten für das Leader-Projekt ausgemacht: den Taxibus, der nun unter dem Namen Mike firmiert. „Seit 2022 haben wir rund 60 virtuelle Haltestellen für Mike, bei dem ich im wahrsten Sinne des Wortes an jeder Laterne einsteigen kann. Das Angebot wird auch sehr gut in Anspruch genommen und ist deutlich komfortabler und verlässlicher als eine Mitfahrerbank“, so Lembach: „Wir werden die Erfahrungen beim Naturpark Nordeifel abfragen und einfließen lassen und die Initiative auch zwischen Schmidtheim und Dahlem aufleben lassen.“

Die Menschen haben ganz verwundert geguckt und gefragt, wie ich auf die Idee komme, sie mitnehmen zu wollen.
Ingo Pfennings, Bürgermeister von Schleiden, über seine Erfahrungen mit den Mitfahrerbänken

Zurück nach Schleiden: Dort hat Bürgermeister Pfennings schon seine ganz persönlichen Erfahrungen mit Mitfahrbänken gemacht. „Als das Projekt noch nicht so bekannt war, habe ich immer mal wieder angehalten, wenn jemand auf einer Mitfahrbank saß“, berichtet Pfennings: „Die Menschen haben ganz verwundert geguckt und gefragt, wie er auf die Idee komme, sie mitnehmen zu wollen. Das waren Touristen, die sich auf der Bank ausgeruht haben, aber eben nicht mitgenommen werden wollten.“ Das habe aber mittlerweile nachgelassen. Diejenigen, die jetzt da sitzen, tun dies ganz bewusst und möchten auch mitgenommen werden.

In Schleiden stehe, so Pfennings, nicht mehr jede Bank dort, wo sie ursprünglich aufgestellt worden sei. Und das habe nichts mit der Flut im Juli 2021 zu tun. Man habe schlichtweg nachgesteuert und auf Anregungen aus der Bevölkerung reagiert. Ein Beispiel dafür sei der Standort in Gemünd am Marienplatz. Dort habe es auch das Richtungsschild Salzberg gegeben. Das war laut Pfennings aber einfach die falsche Richtung: „Die Bank stand zwar zentral, aber für den Verkehrsfluss vollkommen unlogisch.“

In Bad Münstereifel werden die Mitfahrerbänke kaum genutzt

Also habe man die Bank am Marienplatz abgebaut und ein paar Meter weiter wieder aufgestellt. Seitdem werde sie häufiger genutzt, so Pfennings. Unterm Strich bleibe das Projekt aber wohl eher in den Kinderschuhen stecken, weil der Individualverkehr in der Eifel einfach zu stark sei. „Viele Familien haben sogar zwei Autos“, so Pfennings. Da müsse sich niemand auf eine Bank setzen.

Auch in und rund um Bad Münstereifel gibt es Mitfahrbänke. Aber auch dort werden sie wohl eher selten frequentiert. „Der subjektive Eindruck aus Beobachtungen verschiedener Personen ist, dass das Angebot wenig genutzt wird“, heißt es aus der Verwaltung. Auch das Mitfahrtenbuch, bei dem auf der Website der Leader-Region Fahrtgesuche eingetragen werden können, scheine „nicht sehr bekannt zu sein“.

Innerhalb von Ortsgemeinschaften werden der Verwaltung zufolge solche Mitnahmen oft auch über private Messenger-Gruppen organisiert. Und auch der ÖPNV scheint in Bad Münstereifel Einfluss auf die Mitfahrgelegenheit zu haben. „Seitdem Kalkar jede Stunde mit dem Bus angefahren wird, ist die Bank praktisch sinnfrei“, sagt eine Kalkarerin.


Euskirchen: Keine Bank für Billig

Vor einigen Jahren war eine Mitfahrbank auch in Billig ein Thema. Mittlerweile hat die Dorfgemeinschaft davon aber wieder Abstand genommen. Dafür gibt es laut Marco Rizzo, dem Vorsitzenden der Dorfgemeinschaft, mehrere Gründe.

Zum einen sei der Ort durch den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sehr gut an Euskirchen und die umliegenden Orte angeschlossen. Teilweise halte der Stadtbus im Halb-Stunden-Takt in Billig, so Rizzo. Zudem sei es für die Dorfbewohner mit dem ÖPNV durch die neuen, barrierefreien Haltestellen – egal, ob für Senioren mit Rollator oder Mütter mit Kinderwagen – einfacher, in den Bus zu steigen, als umständlich den Rollator ins Auto zu laden, die möglichen Einkäufe zu verstauen und dann mitgenommen zu werden.


Freundschaftsbank

Neben der Mitfahrbank könnte es im Kreis Euskirchen auch bald Freundschaftsbänke geben. Zumindest findet Nicolas Gath, Regionalmanager der Leader-Region Eifel, die Idee der Freundschaftsbänke sympathisch. Sogenannte Freundschaftsbänke gibt es derzeit vor allem auf Schulhöfen von Grundschulen.

Die Bänke sind oft liebevoll gestaltet und werden von Kindern angesteuert, die in der Pause vielleicht mal keinen Spielpartner haben, weil die beste Freundin krank ist. Kinder, die wiederum Lust auf Spielen haben, können sich auf die Bank setzen und schauen, was passiert. Im Idealfall sei das auch eine Idee für die ältere Generation, so Gath: „Um den Nachbarn vielleicht etwas besser kennenzulernen.“


An diesen Orten im Kreis Euskirchen und in Heimbach gibt es Mitfahrbänke

Im Kreis Euskirchen gibt es eigentlich drei Kommunen, in denen Mitfahrbänke stehen: Schleiden, Bad Münstereifel und Dahlem. In Dahlem fehlen sie aber aktuell aus unterschiedlichen Gründen, daher sind die potenziellen Standorte nachfolgend nicht aufgeführt.

Schleiden

  1. Berescheid, Kapelle
  2. Broich, Abzweigung Wintzener Straße
  3. Bronsfeld, Straße Bronsfeld, Abzweigung Auf Knopspesch
  4. Dreiborn, Kirchstraße, Nähe Bushaltestelle
  5. Ettelscheid, Dorfgemeinschaftshaus
  6. Gemünd, Ausfahrt Marienplatz
  7. Gemünd, Nähe Autohaus Kühn
  8. Harperscheid, Dorfplatz
  9. Herhahn, Weinhardstraße Parkplatz
  10. Kerperscheid, Nähe Bushaltestelle
  11. Morsbach, Spielplatz
  12. Gemünd-Salzberg, Am Lieberg, Abzweigung Auf'm Dörnchen
  13. Scheuren, Nähe Bushaltestelle
  14. Schleiden, Blankenheimer Straße, Nähe Bushaltestelle
  15. Schleiden, Monschauer Straße am Kreisverkehr
  16. Schleiden, Reidtmeisterstraße, Abzweigung Parkplatz
  17. Schleiden, Arenbergstraße, Abzweigung Schießberg
  18. Schöneseiffen, Höfener Straße, Abzweigung Zum Knopp
  19. Winten, Spielplatz
  20. Wolfgarten, Kermeterstraße, Nähe Bushaltestelle

Bad Münstereifel

  1. Kalkar, Cicerostraße
  2. Nöthen, Friedhofszufahrt
  3. Innenstadt, Trierer Straße (Anfang Fußgängerzone)
  4. Rodert, Effelsberger Weg
  5. Witscheiderhof, Wilhelmstraße (vor Haus Nr. 4)
  6. Schönau, Dorfplatz
  7. Mahlberg, Michelsbergstraße/ Kreuzstraße
  8. Esch, Eschenstraße
  9. Mutscheid, Arandstraße/Parkplatz
  10. Rupperath, Feuerwehr/Ehrenmal
  11. Lethert, Letherter Landstraße, 1. Einfahrt der L 234
  12. Wald, Antoniusstraße/Zum Schützenplatz

Heimbach

Auch in Heimbach sind im Rahmen des Leader-Projekts an folgenden Standorten Mitfahrbänke aufgestellt worden:

  1. Hasenfeld, Bushaltestelle „Kapelle“
  2. Hasenfeld, Bushaltestelle „Hasenfeld Post“
  3. Heimbach, Bushaltestelle „Hasenfelder Straße“
  4. Heimbach, Altes Rathaus
  5. Heimbach, Vogtplatz
  6. Heimbach, Hotel Klostermühle
  7. Vlatten, Auf dem Hostert 7
  8. Hergarten, Kermeterstraße 55
  9. Düttling, Düttlinger Straße 4-8
  10. Mariawald, Nähe Bushaltestelle