Nach einem Unfall müssen die Einsatzkräfte im Kreis Euskirchen in Sekunden erkennen, welchen Antrieb ein Auto hat und welche Gefahren drohen.
Wichtige RettungskarteWarum Elektroautos beim Unfall für die Feuerwehr komplizierter sind

Einen Nagel in den Akku gehämmert: Die nach kurzer Zeit qualmende Powerbank kann in einer Metallbox untergebracht werden, wo sie keinen Schaden mehr anrichtet.
Copyright: Stephan Everling
Wer die Wahl hat, hat die Qual, sagte ein Sprichwort. Das gilt sicherlich auch für Autokäufer. Soll es ein Diesel, ein Elektrofahrzeug oder ein Hybrid sein? Oder wäre es besser, mit Gas oder gar Wasserstoff unterwegs zu sein?
Doch noch komplexer als bei der Kaufentscheidung für ein Fahrzeug ist die Vielfalt der von Autobauern verwendeten Antriebe für die Feuerwehr im Einsatzfall. Wenn sie am Unfallort eintrifft und es möglicherweise um jede Sekunde geht, steht sie vor der Frage, was für ein Fahrzeug dort vor ihr liegt. Denn davon hängt ganz entscheidend ab, wie sie vorgehen muss.
Feuerwehrleute im Kreis Euskirchen über den Stand der Technik informiert
Mit einer Schulung, die der Kreisfeuerwehrverband durchführte, wurden in Mechernich Feuerwehrleute aus allen elf Kommunen und dem Kreis Düren sowie fünf THW-Mitglieder über den Stand der Technik informiert. Rund 110 Teilnehmer hatte das Seminar, das theoretische Kenntnisse, aber auch praktische Vorgehensweisen vermittelte. Durchgeführt wurde es vom Fachbereich Weiterbildung des Kreisfeuerwehrverbands, der mehrfach im Jahr derartige Fortbildungen anbietet.
Vertreter von Volvo-Renault, des BMW-Autohauses Horn, der Stadtverkehr Euskirchen GmbH und der Firma S-Gard standen mit ihrem Fachwissen Rede und Antwort.

Wo sitzt der Knopf zum Abschalten? Das ist bei den Elektrofahrzeugen die zentrale Frage für die Rettungskräfte.
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
Nichts für dicke Handschuhe: der zentrale Stecker im Motorraum.
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
Eine Mini-Sprengladung trennt im BMW beim Aufprall die Batterie vom Strom.
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Jede Menge Anschauungsmaterial hatten die Organisatoren des Seminars aufgefahren, um in Theorie und Praxis vorzuführen, wie sich die Einsatztaktik verändern muss, um mit all den alternativen Antriebstechnologien umgehen zu können, die die Ingenieurskunst mittlerweile auf die Straßen gebracht hat. Da stand ein mit Gas betriebener Bus genauso auf dem Platz vor dem Mechernicher Gymnasium am Turmhof wie ein elektrisch betriebener. Aber auch andere Elektrofahrzeuge waren am Start: Einen reinen Elektro-Lkw konnten die Teilnehmer ebenso unter die Lupe nehmen wie einen E-Pkw und ein Hybrid-Fahrzeug.
Auf den ersten Blick sahen all diese Fahrzeuge ähnlich aus, doch die Unterschiede in der Technik sind groß. Erste Hinweise auf die Antriebsart können ein verschlossener Kühlergrill, ein fehlender Auspuff oder ein Kennzeichen mit einem „E“ geben.
Jeder Autofahrer sollte eine Rettungskarte in seinem Wagen haben
„E-Fahrzeuge sind komplizierter als Verbrenner“, sagte Alexander Rheindorf. Wenn Handbremse und Schlüssel gezogen seien, könne sich ein Diesel- oder Benzinfahrzeug in der Regel nicht mehr bewegen. Anders beim E-Auto, bei dem zum Beispiel die Gefahr bestehe, dass eine unachtsame Berührung – zum Beispiel der automatischen Fahrersitzeinstellung – Nachteile für den verletzten Fahrer verursachen kann. Genauso kann ein Tippen auf das Gaspedal ein Elektroauto, das noch Strom hat, ins Rollen bringen. „Wenn auf dem Display ,ready' steht, kann es sich bewegen“, so Rheindorf. Doch was ist, wenn das Display nicht einsehbar oder nicht mehr funktionsfähig ist?
Für jedes Fahrzeug gebe es Rettungskarten, erläuterte er. Die seien extrem wichtig, weil auf ihnen unter anderem auch verzeichnet sei, wie das Fahrzeug stromlos geschaltet werden könne. Die könnten zum Beispiel hinter der Sonnenblende deponiert werden, wie es etwa das Autohaus Horn bei seinen Fahrzeugen macht.
Die Zentralstecker sind selten an der gleichen Stelle
„Das machen wir schon seit vielen Jahren so“, sagte Dirk Horn, Geschäftsführer der Firma. Er hatte gleich zwei E-Autos als Anschauungsmaterial zur Verfügung gestellt und war mit seinem Serviceleiter Oliver Offermann gekommen, um die Besonderheiten der Fahrzeuge zu erläutern. „Wir sind immer bereit, die Feuerwehren zu unterstützen“, betonte Horn. „Schließlich sind wir ja auch froh, wenn uns im Fall eines Unfalles geholfen wird“, ergänzte Offermann.
Mittlerweile gebe es dabei Unterstützung über die Rettungsleitstelle, die das „Crash Recovery System“ (CRS) benutze, erklärte Kreisbrandmeister Peter Jonas. Über das Kennzeichen könne dabei nicht nur festgestellt werden, um was für ein Fahrzeug es sich handelt, sondern auch digital die richtige Rettungskarte herausgesucht werden. Denn jeder Hersteller hat seine eigenen Ideen, wo etwa der Zentralstecker untergebracht werden kann.
Die Batterien können nach einer Kollision anfangen zu brennen
Bei BMW gebe es zudem noch spezielle Sicherheitseinrichtungen, erläuterte Horn: „An der Batterie ist eine kleine Sprengladung, die bei einem Aufprall ähnlich wie ein Airbag den Stromanschluss kappt“, sagte er. Die Anforderungen an die Einsatzkräfte seien in den vergangenen Jahren durch den Wandel in der Fahrzeugtechnik immer weiter gestiegen, betonte Jonas. „Vor zehn Jahren gab es vielleicht in jeder Kommune eine Wärmebildkamera“, sagte er. Mittlerweile gehöre die bei immer mehr Fahrzeugen zur Ausstattung und sei schon fast Standard.
Ein weiteres Problem stellen die Batterien der Fahrzeuge dar. Denn in diesen könne im Fall einer Kollision eine chemische Reaktion in Gang gesetzt werden, die schnell zu einem Brand führe, erläuterte Rheindorf. Dann sei es möglich, unter Atemschutz mit Wasser zu löschen. „Was für uns etwa neu war, ist die Erkenntnis, dass eine volle Batterie dann besser ist als eine, die nur halb geladen ist“, berichtete er. Das sei alles Neuland, dem sich die Feuerwehr bei der Ausbildung und in Einsätzen stellen müsse.
Wie so eine Reaktion im richtigen Leben aussieht, demonstrierte ein Mitarbeiter der Firma S-Gard sehr anschaulich, indem er einen Nagel in eine vollgeladene Powerbank schlug. Das qualmende und brennende Teil wurde dann von einem Feuerwehrmann in eine Stahlkiste gelegt, wo es keinen Schaden mehr anrichten konnte.