Die Vorfreude bei den Fans von Bayer Leverkusen auf die erste deutsche Meisterschaft ist groß, aber auch das Wort Vizekusen darf nicht fehlen.
Kreis EuskirchenDas Trauma Unterhaching wirkt bei Fans von Bayer Leverkusen nach
Einen Sieg braucht Bayer Leverkusen noch, um den ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte zu feiern. Einen Sieg aus sechs Spielen. Für eine Mannschaft, die in der Bundesliga in der laufenden Saison noch kein Spiel verloren hat, ein durchaus realistisches Vorhaben.
Dennoch ist mindestens ein Leverkusen-Fan noch kontrolliert euphorisch. „Alle Endspiele, die ich bisher im Stadion gesehen habe, haben sie verloren“, sagt Johannes Winckler. Darunter waren die DFB-Pokal-Endspiele gegen Schalke (2002, 2:4) und gegen Werder Bremen (2009, 0:1).
Die Karte vom Unterhaching-Spiel wurde nicht zerrissen
Kein Endspiel im klassischen Sinn, aber eins, das im Allgemeinen gerne so bezeichnet wird: das Bundesliga-Spiel am letzten Spieltag der Saison 1999/2000. Die Partie in Unterhaching verlor Bayer damals mit 0:2. Live im Stadion: Johannes Winckler. „Seitdem haben wir schon ein Trauma“, sagt der Euskirchener Rechtsanwalt. Die Karte hat Winckler noch. „Ich wollte sie eigentlich mal zerreißen. Mittlerweile bin ich froh, dass ich es nicht getan habe. Das ist ja schon ein Stück Erinnerung“, so Winckler.
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Am Sonntag soll ein weiteres Stück Erinnerung hinzukommen. Eins, das sich besser anfühlt als eine leicht verblichene Eintrittskarte, an der ein Rest Trauma haftet. Mit einem Sieg gegen Werder Bremen wäre Leverkusen Deutscher Meister – vielleicht aber schon vorher.
Nämlich dann, wenn am Samstag ausgerechnet der 1. FC Köln gegen Bayern München gewinnt und Eintracht Frankfurt beim VfB Stuttgart. Winckler wird am Sonntag im Stadion sein. Seit 1996 hat er eine Jahreskarte. „Mit der Meisterschaft ginge ein großer Traum in Erfüllung“, sagt Winckler, der auch bei dieser Formulierung defensiv formuliert.
Einige Spiele von Bayer Leverkusen blieben Winckler in Erinnerung
Was Winckler auf die Palme bringt? Wenn jemand Bayer Leverkusen als Retortenverein bezeichnet. „Bayer ist 1979 in die Bundesliga aufgestiegen“, erklärt Winckler. Er mag den Verein, vor allem wegen seiner Arbeitermentalität. Und das schon seit vielen Jahren. Die Spiele des Euskircheners Walter Posner, der insgesamt 274 Partien für die Werkself absolvierte, verfolgte Winckler damals vor allem in der Sportschau. Vom Bayer-Sympathisanten zum echten Fan sei er in der Saison 1988 geworden, als Bayer den Uefa-Cup gewonnen habe.
Was folgte, waren Momente, die haften geblieben sind. „Das erste Spiel von Rudi Völler im Bayer-Dress oder der Beinahe-Abstieg, der durch das 2:1 gegen Kaiserslautern verhindert wurde“, erinnert sich Winckler, der damals Mitglied im Fanclub „TITAnen“ war. Eine Hommage an den Brasilianer Tita, der eine Saison für die Werkself spielte. Und weil Winckler dann doch ein wenig optimistisch ist, hat er auch schon eine Karte fürs DFB-Pokalfinale gegen Kaiserslautern. Mit dem Vizekusen soll es nämlich vorbei sein.
Der Marmagener Andreas Winkler ist seit seiner Kindheit Fan der Werkself. „Mein Vater hat mich zum ersten Fußballtraining mit einem Bayern-München-Trikot losgeschickt. Ich habe dem aber widerstanden. Das ist als Kind ja auch schon mal eine Leistung“, sagt Winkler augenzwinkernd.
Während des Studiums hatte der Marmagener dann eine Dauerkarte, besuchte die Spiele regelmäßig mit seinem Kumpel Dominik Aigner. „Ich habe Phasen miterlebt, bei denen es nicht so gut lief. Und ich habe mich auch gefragt, ob wir es jemals schaffen, den letzten Schritt zu gehen“, sagt das Mitglied der Sportfreunde 69.
Anders als sein Beinahe-Namensvetter ist Winkler deutlich optimistischer. „Ich gehe davon aus, dass wir Meister werden, und auch auf den Pokalsieg haben wir gute Chancen“, sagt der 30-Jährige, der in dieser Saison unter anderem auswärts das Spiel in Leipzig im Stadion verfolgt hat: „Die Mannschaft und die Saison haben dieses Jahr unheimlich viel Spaß gemacht, und das Team hat es fußballerisch auch einfach verdient.“
Dominik Schöpfer hat als Fan von Bayer schon etwa 500 Spiele gesehen. Hängen geblieben sind Spiele wie das 1:0 im Wembley-Stadion gegen Tottenham Hotspur oder auch Duelle mit Lissabon oder Madrid. Oder auch in Weißrussland gegen Bate Baryssau.
Mit dem Wochenendticket heimlich nach Wolfsburg zum Auswärtsspiel
Auch an sein erstes Auswärtsspiel beim VfL Wolfsburg erinnert sich der Torhüter der Sportfreunde D-H-O gerne. „Mein Kumpel Jan-Niklas Runkel und ich haben uns bei unseren Eltern gegenseitig ein Alibi verschafft. Dann sind wir mit dem Wochenendticket nach Wolfsburg“, erzählt Schöpfer. Um 7 Uhr ging es los. Um 7 Uhr am nächsten Tag waren „Ruja“ und Schöpfer wieder zu Hause. Gerade noch rechtzeitig, bevor die Eltern aus dem Urlaub kamen.
Er habe viele tolle Spieler kommen und gehen sehen. Habe viele „geile Spiele“ gesehen, aber eben nie, wie ein Titel geholt wurde. „Der Verein hat mir so viele tolle Erinnerungen beschert“, sagt der Lommersumer. Und diese Saison? „Ich glaube, viele Leverkusener haben noch gar nicht realisiert, was da passiert“, sagt er: „Egal, wie das Trauma war. Ich bin mir sicher, dass wir die entscheidenden Punkten schon am Sonntag holen.“
Er will am Sonntag frühzeitig nach Leverkusen fahren und alles aufsaugen, was der Tag so bringt. „Das wird nie wiederkommen. Das erlebst du nur einmal“, sagt Schöpfer: „Wir haben in den vergangenen Jahren auf Fan-Ebene viel mitgestaltet, und jetzt passiert das, wofür du es getan hast.“ Natürlich werde er nach Berlin zum DFB-Pokal-Finale fahren. Und auch das Triple ist für Bayer ja noch drin. Und sollte die Mannschaft von Trainer Xabi Alonso tatsächlich das Finale der Europa-League in Glasgow erreichen – Schöpfer will dabei sein.
Bayer-Leverkusen-Profis aus dem Stadtgebiet Euskirchen
Der Stotzheimer Dieter Regh und der Euskirchener Walter Posner spielten als Profis für Bayer Leverkusen. Regh spielte im Amateurteam von Bayer Leverkusen, als er am 30. Spieltag der Saison 1987/88 zu seinem Profidebüt in der Bundesliga kam. Gegen Uerdingen spielte er bei der 1:4-Niederlage sein einziges Spiel für die Profis. Posner kam auf 274 Partien für Bayer und stieg 1979 mit dem Verein auf.