Hunderte Rettungskräfte aus dem Kreis Euskirchen werden bei der Euro in Alarmbereitschaft sein. Im Kreishaus gibt es für sie Public-Viewing.
EM in KölnKatastrophenschutz im Kreis Euskirchen bereitet sich auf mögliche Einsätze vor
Während Julian Nagelsmann und die deutsche Nationalmannschaft in die heiße Phase der Vorbereitung für die Fußball-Europameisterschaft einsteigen, ist der Katastrophenschutz im Kreis Euskirchen schon bereit. „Wir können jederzeit loslegen“, sagt Kreisbrandmeister Peter Jonas im Gespräch mit dieser Zeitung.
Der Katastrophenschutz des Kreises ist in vier Landeskonzepte eingebunden, die während der EM-Spiele in Köln aus der Region heraus besetzt werden. Zudem müssen die hiesigen Feuerwehren und der Rettungsdienst in einem Notfall am 17. Juni und 1. Juli nach Düsseldorf ausrücken – tritt ein solcher nicht ein, bleibt es bei einer „Sitzbereitschaft“ im Kreishaus mit Fußballvergnügen am Fernseher.
Euro 2024: Feuerwehr und Rettungsdienst aus dem Kreis Euskirchen im Einsatz
Die vier Landeskonzepte für überörtliche Hilfen gliedern sich laut Jonas wie folgt: Behandlungsplatz-Bereitschaft, Patiententransportzug und zwei Dekontaminierungskonzepte – für kontaminierte Einsatzkräfte sowie für kontaminierte Besucher der Europameisterschaft oder der Stadt Köln. Der Fokus der Konzepte liege auf der Domstadt, so der Kreisbrandmeister: „Allerdings nicht nur auf dem Stadion, sondern auf dem gesamten Stadtgebiet.“
Und während die deutsche Nationalmannschaft ihre letzten Testspiele vor dem vielleicht nächsten Sommermärchen noch vor sich hat, ist der Katastrophenschutz des Kreises bereits einen Schritt weiter. Vor eineinhalb Monaten probten mehr als 100 Einsatzkräfte hinter dem Euskirchener Bahnhof den Ernstfall – ein Testspiel für den Katastrophenschutz mit einem unbekannten Gegner sozusagen. Eine Dekontaminierung mit einem unbekannten Stoff steht nämlich nicht so häufig auf dem Feuerwehreinsatzplan wie ein Brandgeschehen oder eine technische Rettung.
ABC-Verband: Ernstfall bei der Europameisterschaft am Euskirchener Bahnhof geprobt
Der komplette ABC-Verband des Kreises war in die Katastrophenschutzübung involviert, da Mitte April für Mitte Juni das entsprechende Landeskonzept erprobt wurden. Zu dem gehören auch zehn Ehrenamtler des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) vom Ortsverein Kall, an den auch die Ortsvereine Dahlem und Hellenthal angebunden sind.
„Die Konzepte in NRW sind häufig auf Berufsfeuerwehren ausgelegt, bei denen die Feuerwehrleute auch eine rettungsdienstliche Qualifikation haben“, erklärt Lars Klein, Kreisbereitschaftsleiter beim DRK: „Das ist in einem Kreis, der durch Freiwillige Feuerwehren geprägt ist, nicht so verbreitet. Deshalb sind wir für den Umgang mit verletzten Patienten mit im Boot.“
Neben den DRK-Helfern gehören Feuerwehrleute aus Schleiden, Mechernich, Zülpich, Dahlem, Nettersheim sowie Bad Münstereifel und Euskirchen zum ABC-Verband, der bei Bedarf eine sogenannte Dekontaminierungsstraße aufbaut. Im Ernstfall können 50 Menschen pro Stunde durch diese geschleust und dekontaminiert werden. Etwa 45 Minuten dauert der Aufbau.
Es gibt aber auch eine „Notfalldekontamination“. „Im absoluten Ernstfall wird derjenige eben mit Wasser aus dem Strahlrohr abgespritzt, um den Stoff von der Haut zu bekommen“, erklärt der Kreisbrandmeister, der mit dem Ablauf der Übung sehr zufrieden ist. „Von solchen Übungen können wir nur profitieren“, sagt Jonas: „Wir feilen immer wieder an den Abläufen und sorgen dafür, dass die Schnittstellen funktionieren. Letztlich müssen im Ernstfall alle Komponenten reibungslos ineinandergreifen.“
Nach der Katastrophenschutzübung wurde nachgebessert
Nach der Übung am Bahnhof wurde nachgebessert. So sei aufgefallen, dass im sogenannten Weiß-Bereich, also dort, wo die Patienten nicht mehr kontaminiert sind, die Rettungskräfte im Schutzanzug arbeiteten. „Das müssen sie grundsätzlich nicht. Und wir können Ressourcen sparen, wenn die Einsatzkräfte dort keine Schutzanzüge tragen. Wenn sie sich darin aber sicherer fühlen, können sie das natürlich tun“, sagt der Kreisbrandmeister.
In den Einsatz gehen die Rettungskräfte während der Fußball-EM grundsätzlich von der Kreisverwaltung aus – aber dennoch gibt es Unterschiede. Jonas zufolge hat das Land für die überörtlichen Hilfskonzepte ein Drei-Schalen-Prinzip konzipiert.
Ist der Katastrophenschutz des Kreises für den Sofortzugriff eingeplant, befindet er sich in der sogenannten Schale 1. „Dann sind wir in einem Bereitstellungsraum in Frechen“, erklärt Jonas. Dabei handele es sich um ein Gut, das schon während des Weltjugendtags 2005 für solche Zwecke diente.
Der Zeitfaktor ist in der Vorbereitung entscheidend
Einsatzkräfte, die sich in der Schale 2 befinden, müssen Jonas zufolge spätestens nach 75 Minuten mit allen Einheiten im Stadtgebiet Köln sein. „Das Landeskonzept Behandlungsplatz ist aber ein Großverband. Da sind viele Feuerwehren integriert und Rettungskräfte involviert. Das braucht Zeit, bis die alle am Kreishaus sind. Da sind wir noch nicht in Köln“, so Jonas: „Wir brauchen locker 45 Minuten, um den Verband zusammen- und aufzustellen. Weil wir eine große Vorlaufzeit haben, haben wir uns dazu entschlossen, einen Bereitstellungsraum am Kreishaus einzurichten.“
An Spieltagen, an denen sich die Einsatzkräfte in der Schale 2, also am Kreishaus, bereithalten sollen, werden der Sitzungssaal und das Foyer zur Public-Viewing-Arena. „Wir werden natürlich Fußball gucken. Wir werden aber auch eine kleine Fortbildung anbieten“, kündigt der Kreisbrandmeister an.
Dort werden, wenn ein EM-Spiel in Köln angesetzt ist, die Kräfte im Vorfeld gesammelt. Folgt dann der Marschbefehl, kann es sofort losgehen, da die „Sammelzeit“ entfällt. „So schaffen wir es problemlos innerhalb von 75 Minuten nach Köln“, sagt der Kreisbrandmeister.
In der Schale 3 gelte der Zeitfaktor vier Stunden bis zu den Stadtgebieten Köln oder Düsseldorf. Das heißt, dass wir an diesen Tagen ganz normal alarmiert werden“, so Jonas. Für die Schale 3 müssen sich die Einsatzkräfte am 17. Juni und 1. Juli bereithalten. „Die weltpolitische Gesamtlage darf man bei allen Überlegungen nicht aus dem Blick verlieren. Ich kann schon verstehen, dass man versucht, für ein Höchstmaß an Sicherheit zu sorgen“, sagt Jonas.
120 Einsatzkräfte im Kreishaus in Euskirchen in Sitzbereitschaft
In Bereitschaft sind die Katastrophenschutzeinheiten im Kreis Euskirchen an den Spieltagen schon viele Stunden vor dem Anpfiff. „Drei Stunden vor Spielbeginn müssen wir bereit sein. Und bis mindestens zwei Stunden nach Spielende“, erklärt Jonas.
Am Mittwoch, 19. Juni, werden etwa 120 Einsatzkräfte die Spiele Deutschland gegen Ungarn und Schottland gegen die Schweiz im Euskirchener Kreishaus verfolgen – an diesem Tag stellt der Kreis das Landeskonzept „Behandlungsplatz 50“. Bei diesem Konzept müssen mindestens 50 Patienten in einer Stunde behandelt werden können. In der Theorie allein 40 Schwerverletzte. Mit an Bord ist dann auch wieder das DRK. „Wir stellen allein etwa 80 Einsatzkräfte“, berichtet Lars Klein.
Schadenereignis im Kreis Euskirchen hat immer Vorrang
Doch es muss nicht unbedingt ein Schadenereignis eintreten, das auf dem Reißbrett in der Theorie durchexerziert ist. „Es kann ja sein, dass die Regelrettung vor Probleme gestellt ist, weil beispielsweise sehr viele Menschen in der Stadt sind. Dann würden wir über die Patiententransportzüge Rettungsmittel zur Verfügung stellen“, so Jonas: „Alles kann nicht vorgeplant werden, wenn viele Menschen an einem Ort zusammenkommen, womöglich an einem sehr heißen Tag, an dem auch noch Fangruppen aufeinandertreffen.“
Deshalb könne es sein, so Jonas, dass Konzepte an die Situation angepasst werden – beispielsweise, weil zu wenige Rettungswagen vor Ort seien. Dann könne man die Patiententransportzüge im Stadtgebiet Köln nutzen und in den Regelrettungsdienst der Stadt Köln einbinden.
Doch die Sicherheit während der Europameisterschaft in Köln gehe nicht über die Sicherheit im Kreis Euskirchen, stellt der Kreisbrandmeister im Gespräch mit dieser Zeitung klar: „Wir werden auch hier gebraucht.“ Ein Schadenereignis im Kreis Euskirchen habe immer Vorrang.
Und bei allen Konzepten, bei allen Planungen dürfe man nicht vernachlässigen, „dass die Situation in den Krankenhäusern und auch beim Rettungsdienst schon eine bessere war.“ In der Gesamtbetrachtung sei man gut beraten, diese Dinge zu planen. Daher habe man mit den Planungen schon vor einem Jahr begonnen – auch mit der „Sitzbereitschaft am Kreishaus“.
Insgesamt ist der Kreis laut Jonas in zehn Konzepte eingebunden. Am 15., 22. und 25. Juni sind es sogar jeweils zwei Konzepte, die vorgehalten werden müssen. „Unsere Einsatzkräfte haben Lust auf die Europameisterschaft – es ist nämlich etwas Besonderes für uns“, so Jonas.
Auch die Kreispolizei ist eingebunden
Nach Angaben von Polizeisprecher Franz Küpper ist auch die Euskirchener Polizei in die Euro 2024 involviert. „Wir sind intensiv damit beschäftigt. Beispielsweise aktuell mit der Erarbeitung von Einsatzkonzepten für das Turnier“, so Küpper. Für bestimmte und spezialisierte Kolleginnen und Kollegen bestehe während des gesamten Turniers Urlaubs- und Dienstfrei-Sperre, berichtet der Pressesprecher auf Anfrage dieser Zeitung.
Das für Euskirchen zuständige Polizeipräsidium Köln, Spielortbehörde, stehe mit den Kollegen in der Kreisstadt regelmäßig im Austausch. Es habe und werde „bei Bedarf Einsatzkräfte, der Lage angepasst, anfordern“, so Küpper: „Aus einsatztaktischen Gründen machen wir hierzu im Einzelnen keine weiteren Angaben.“ In der Kreispolizeibehörde gebe es „eine Art Planungsstab, der sich mit der Koordinierung von Kräfteanforderungen, -entsendungen und gegebenenfalls Veranstaltungen zur EM im Kreis Euskirchen schwerpunktmäßig beschäftigt.“