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Auch DRK kennt ProblemeKita-Personalmangel bringt Eltern in Euskirchen in Bredouille

Lesezeit 9 Minuten
Ein Mädchen sitzt an der Garderobe einer Kindergartengruppe.

Blick ins Leere: Immer wieder fehlt in Kitas im Kreis Euskirchen das Fachpersonal. Für Eltern, Kinder und Erzieherinnen bedeutet das Stress.

Weil Erzieherinnen fehlen, müssen Kita-Gruppen geschlossen werden – Kurzfristigkeit ist eine Herausforderung für viele Eltern.

„Bis 13 Uhr müssen zehn Schäfchen abgeholt werden.“ – Was auf den ersten Blick süß klingt, ist für die betroffenen Eltern purer Stress. Der Grund: Die Schäfchen sind Kindergartenkinder. Sie besuchen die Schäfchen-Gruppe in der Kita „KiKu Lämmerland“ in Kuchenheim. Und der Träger hat personelle Probleme.

Die sind nach Angaben einiger betroffener Eltern so groß, dass seit September 2023 gefühlt einmal pro Woche eine Gruppe komplett schließen muss oder nur eine Notbetreuung möglich ist. „Viele Eltern sind mit den Nerven und Kraftreserven am Ende. Sie können einfach nicht mehr, weil keine Verlässlichkeit gegeben ist, weil sie immer wieder improvisieren müssen. Das lässt sich auf Dauer mit einem Beruf nicht vereinbaren“, sagt Michael Gissinger. Auch er ist mit seiner Frau von den spontanen Schließungen betroffen.

Eltern müssen bei Kita-Schließungen privat Lösungen finden

Weil die Kita den Eltern aber keine Wahl lässt, müssen die sich selbst helfen. „Es kommt nicht selten vor, dass acht Kinder privat von ein, zwei Müttern betreut werden“, erklärt Gissinger, der sich vor einem halben Jahr mit einem Startup selbstständig gemacht hat.

Die Kita sei personell gut besetzt, sagt Stefanie Sorge, Leiterin der Kiku-Unternehmenskommunikation auf Anfrage. Lediglich eine Fachkraftstelle mit 30 Stunden sei seit Januar unbesetzt. „Leider haben wir aktuell einen hohen Krankenstand in der Einrichtung“, so Sorge. Wie sie berichtet, „musste unsererseits an sechs Tagen je eine Gruppe und an einem Tag zwei Gruppen aufgrund von Personalausfällen geschlossen werden.“ Aufgrund der krankheitsbedingt dünnen Personaldecke gab es Sorge zufolge zusätzlich an 13 Tagen einen Appell, auf eine Betreuung möglichst zu verzichten.

Kiku-Kitas sollen drei Springerkräfte bekommen

Doch sie gibt Hoffnung auf Besserung. Laut Sorge starten Anfang Juli zwei Kita-übergreifende Springerkräfte für Kiku-Kitas in der Region, und ab September soll noch eine weitere hinzukommen.

Aktuell hilft das den Eltern der Schäfchengruppe aber nicht. „Die Schließungen der Gruppen sind nur schwer zu kompensieren – auch finanziell“, sagt eine Mutter, die nicht namentlich genannt werden möchte: „Mein Mann und ich müssen dann einen enormen Aufwand betreiben, um das Kind innerhalb kürzester Zeit von Zuhause aus zu betreuen. Wir müssen Urlaubstage nehmen, was aber auch zu Unmut auf der Dienststelle führt.“

Das sind Nöte, die Stefanie Sorge nachvollziehen kann. „Wir wissen um die Probleme“, sagt die Unternehmenssprecherin. Seit Corona seien die Krankenstände in den Kitas massiv gestiegen. „Da wir zeitgleich einen Fachkraftmangel haben, wäre es schön, wenn Fachkraftstunden auch über Azubis erbracht werden könnten, so dass man perspektivisch auch dem Fachkräfteproblem entgegenwirkt“, so Sorge.

Aus meiner Sicht wird es sich sehr einfach gemacht, da es ja immer irgendwie funktioniert auf Schultern der Eltern und Kinder.
Ein Vater von einem Kindergartenkind aus Kuchenheim

Kurzfristig hilft das den Eltern aber wohl nicht. Die sind nämlich nicht sauer, sondern enttäuscht. „Ich denke, es liegt viel an der Einstellung der Mitarbeiter und des Trägers. Aus meiner Sicht wird es sich sehr einfach gemacht, da es ja immer irgendwie funktioniert auf Schultern der Eltern und Kinder“, sagt ein weiterer Vater der „Schäfchen-Gruppe“.

Personelle Engpässe, verkürzte Betreuungszeiten – Probleme, die nicht nur kleinere Träger wie „Kiku“ haben. Auch das Deutsche Rote Kreuz als größter Kita-Träger im Kreis oder die Katholische Kirche in Euskirchen (sieben Einrichtungen) schlagen Alarm. In der Kita „St. Martin“ in Euskirchen kann aufgrund der angespannten Personalsituation kein Frühdienst mehr angeboten werden. Komme es zu weiteren Personalausfällen, müsse mit weiteren Einschränkungen gerechnet werden, heißt es in einem Elternbrief.

Betreuungsschlüssel, Bürokratie und Personalmangel erschweren Arbeit

„Was öfter Probleme bereitet, ist die Anzahl der Langzeiterkrankten“, erklärt Jürgen Mausolf, Verwaltungsleiter in der Pastoralen Einheit Euskirchen. Gruppen seien bisher noch nicht geschlossen worden. Sie mussten laut Mausolf aber temporär für ein, zwei Tage zusammengelegt werden.

Der Betreuungsschlüssel müsse sich ändern, sagt Mausolf. „Die Anforderungen sind gestiegen, Dokumentationen ohne Ende“, berichtet der Verwaltungsleiter: „Ein großes Hindernis sind die ganzen Inklusionskinder, die viel Zeit binden. Die speziellen Einrichtungen dafür hat man abgeschafft und das auf die Fläche abgewälzt. Wir bekommen aber kein Personal dafür, um die Betreuung sicherzustellen.“

Zudem seien heutzutage nicht nur die Kinder schwieriger, sondern auch die Eltern. „Mittlerweile schulen wir jede Erzieherin mit dem Thema schwierige Gesprächsführung“, berichtet der Verwaltungsleiter. Zudem müsse die Bezahlung angepasst werden.

Im Kreis Euskirchen gibt es keinen Notstand bei Kita-Betreuung

Insgesamt rund 8250 Kinder im U3-und im Ü3-Bereich werden laut Kreisverwaltung ab Sommer in den 163 Kindertagesstätten und 89 Tagespflegestätten im Kreis betreut. 2175 von ihnen sind dann neu dabei. Nach Angaben von Martina Hilger-Mommer, Teamleiterin für Frühe Hilfen, Kindertagesbetreuung, Jugendarbeit, Schulsozialarbeit und Prävention beim Kreis Euskirchen, ist die Personalsituation an den Kitas im Kreis Euskirchen – insgesamt gesehen – im grünen Bereich.

„Das heißt natürlich nicht, dass es punktuell mal zu Engpässen und damit zu Notbetreuungen kommt – zum Beispiel in der Grippesaison, wenn krankheitsbedingt kurzfristig Personal ausfällt. Vor allem kleinere Träger haben dann mitunter Schwierigkeiten, den Normalbetrieb aufrechtzuhalten. Aber generell und kreisweit betrachtet haben wir sicherlich keinen Notstand“, sagt Hilger-Mommer.

Ausbildungsoffensive gegen den Personalmangel wird gefordert

Die „Elterninitiative“ um Babsi und Jürgen Großer betreibt in Zülpich zwei Kitas. „Seit dem vergangenen Sommer erhalte ich immer mal wieder Anrufe von Eltern, die zu uns wechseln möchten, da ihre derzeitige Kita sehr oft in der Notbetreuung steckt“, berichtet Babsi Großer.

Obwohl die Familienbande nach ihren Angaben „personell recht gut ausgestattet“ sei, habe man in den vergangenen sechs Monaten „insgesamt sieben Gruppen für mindestens zwei Tage in die Notbetreuung schicken müssen“.

Auch die Großers machen sich seit vielen Jahren darüber Gedanken, wie die personelle Situation an den Kitas besser werden könnte. „Das wichtigste wäre eine Ausbildungsoffensive. Im Moment haben wir das große Problem, dass die PIA-Ausbildung für Kinderpfleger und Kinderpflegerinnen zwar von Fachschulen angeboten wird, diese für die Träger aber sehr schwierig in der Umsetzung ist“, so Großer: „Die Kosten für die Auszubildenden werden vom Land nicht refinanziert und auch ihre Arbeitsstunden sind nicht ansetzbar. Die Träger müssen also viel Geld und viel Zeit investieren – beides ist nicht vorhanden.“

Mehr Gehalt löst auch nicht alle Probleme

Auch die Reduzierung der Gruppenstärke sei ein Muss. „Und die Leitungen müssen bei der Büroarbeit entlastet werden“, sagt die Expertin. Ihr Mann Jürgen fügt hinzu: . „Solidarisches Klatschen hilft ein bisschen, aber 20 Prozent mehr Gehalt hilft ein bisschen mehr.“

Trotzdem: Geld allein löse nicht alle Probleme, sagt eine Mutter, die zudem in einer Kita in der Eifel arbeitet: „Natürlich sind 20 Prozent mehr Geld nett, aber wenn ich zu kaputt bin, um mich darüber zu freuen, und mich meine eigenen Kinder nur noch nerven, weil mein Arbeitsalltag so stressig war, dann bringt mir das nichts.“

Aus ihrer Erfahrung heraus müssten die Gruppen kleiner werden. Und es müsste mehr dafür getan werden, dass Eltern ihre Kinder nicht mit einem Jahr in die Kita geben. Im Idealfall sollten sie bis zum dritten Lebensjahr zu Hause bleiben.

Die Stadt Euskirchen hat ein Konzept erarbeitet, um Gruppenschließungen zu vermeiden: Sie hat einen Springer-Pool von zehn Erzieherinnen. Die helfen immer dort aus, wo an den städtischen Kitas gerade Personalmangel herrscht. Laut Tim Nolden, Pressesprecher der Stadt, musste seit September keine Gruppe geschlossen werden – das sei ein Vorteil der Springer. „Die Nachteile sind der Verwaltungsaufwand sowie die geringe Bindung zwischen Kind und Personal sowie die fehlende personelle Kontinuität in den Gruppen“, erklärt Nolden.


DRK: Mittelfristig müsse man sich von Qualitätsstandards in Kitas verabschieden

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) betreibt im Kreis Euskirchen 34 Kitas mit insgesamt 95 Gruppen und ist damit der größte Träger. Doch auch für das DRK ist nach Angaben von Kreis-Geschäftsführer Rolf Klöcker nicht immer leicht, dem Fachkräftemangel bei den Erzieherinnen zu trotzen.

Eine gute Bezahlung für die geleistete Arbeit sei ein Schlüssel, so Klöcker. Viele Angebote des DRK, die über den Tarifvertrag hinausgingen, ein anderer. So bietet das DRK seinen Mitarbeitern nach Angaben des Geschäftsführers diverse Gesundheitsangebote an, Fort- und Weiterbildungsangebote, aber auch Unterstützung in privaten oder beruflichen Belastungssituationen. „Das hat sich bewährt. Aber es hat gedauert, bis die Angebote bei jedem Einzelnen angekommen sind und sie auch genutzt werden“, so Klöcker: „Das Ziel ist, dass zum einen die Mitarbeiter gar nicht erst weggehen, aber auch, damit wir neue bekommen.“

DRK im Kreis Euskirchen hat noch einen Personalüberhang

De facto, so der Geschäftsführer, habe man beim DRK einen Personalüberhang – also mehr Fachkräfte in den Kitas als sie nach Vorgaben des Kibiz müsste. Das sei aber eine bewusste Entscheidung, die man sich auch etwas kosten lasse. Der Grund: Das Geld für die „Mehr-Kräfte“ bekommt das DRK als Träger nicht vom Land zurück. Doch warum gibt das DRK mehr Geld aus, als es müsste? „Weil wir in den kommenden Jahren drei weitere Kitas mit 14 Gruppen an den Start bringen werden. Deshalb ist sie jetzt haben besser, als in drei Jahren brauchen“, erklärt Klöcker.

Trotz des personellen Überhangs sei es „vereinzelnd“ vorgekommen, dass eine Gruppe wegen Personalmangels geschlossen werden musste. „Wenn du eine kleine Einrichtung hast, dann kann es passieren, dass von drei Erziehern einer im Urlaub ist, der zweite wird krank und dann steht nur noch einer da“, so Klöcker: „Dann versuchen wir, von den größeren Einrichtungen Personal aushilfsweise abzuziehen. Das klappt aber eben auch nicht immer – beispielsweise wenn es kurzfristig ist.“

DRK-Geschäftsführer fordert weniger Bürokratie für Kitas

Aber auch beim DRK ist die Personalakquise nicht beendet. Laut Klöcker sucht der größte Kita-Träger im Kreis sieben Gruppenleitungen. „Eine große Herausforderung ist, dass keiner mehr am Nachmittag arbeiten will“, sagt er.

Und was muss sich tun, damit etwas Druck vom Kessel kommt? „Weniger Bürokratie wäre sehr viel wert. Allein die Meldung, wenn es zu einer Reduzierung der Öffnungszeiten in einer Kita kommt, die ist sowas von umfangreich. Und das in einer Phase, in der sie ja eh genug zu tun haben, weil kein Personal da ist“, sagt der DKR-Kreis-Chef: „Wir brauchen mehr Toleranz für flexible Lösungen in Randzeiten. Wenn am Nachmittag in der letzten Stunde nur noch fünf Kinder da sind, dann reicht die Fachkraft als Bezugsperson plus eine ungelernte Kraft. Das ist momentan völlig undenkbar.“

Mittelfristig werde man sich, davon ist Klöcker überzeugt, über einen Abbau von Standards in Kitas unterhalten müssen. „Wir haben uns viele Qualitätsstandards auch selbst auferlegt. Davon müssen wir – auch wenn wir das alle nicht wollen – uns vielleicht ein wenig verabschieden“, sagt der Geschäftsführer. (tom)