Am Bildungszentrum in Simmerath ist für 15,5 Millionen Euro ein neues Gästehaus für die angehenden Handwerker gebaut worden.
Ausbildung im BGZHier leben und lernen angehende Gesellen aus dem Kreis Euskirchen
Der Stolz über ihr „neues Baby“ steht den Verantwortlichen des BGZ, des Bildungszentrums Simmerath, ins Gesicht geschrieben. Nach rund zwei Jahren Bauzeit ist das neue Gästehaus nun in Betrieb. „Eigentlich ist es mehr Hotel als Gästehaus“, sagt Peter Fischer zufrieden, der das Haus leitet. Er ist allerdings weder Hotelier noch Gastronom, sondern Sozialarbeiter. Und das aus guten Grund. Denn das Gästehaus verfügt über ein integriertes Jugendwohnheim und ist als Einrichtung der Jugendhilfe beim LVR anerkannt.
Auch das ist nicht ohne Grund so: Ein erklecklicher Teil der Klientel, die das Bildungszentrum in Simmerath besucht, ist noch minderjährig. In der von der Handwerkskammer Aachen betriebenen Einrichtung findet neben den Meister- und Fortbildungskursen auch der überbetriebliche Teil der praktischen Ausbildung im Handwerk statt, die sogenannte ÜLU. Bis zu fünf Wochen halten sich die angehenden Handwerksgesellen im BGZ auf, um in den Ausbildungswerkstätten des Bildungszentrums zu arbeiten.
Es herrscht genug Bedarf für die 157 Betten
Und noch mehr: Auch die Landesakademie für Aus- und Weiterbildung des DRK-Landesverbands Nordrhein ist in dem Zentrum angesiedelt. Gleich nebenan ist das Berufskolleg Simmerath/Stolberg. Es herrscht also genug Bedarf, um die 157 Betten zu füllen, die in dem neuen Gebäude angeboten werden. 33 Einzel- und 62 Doppelzimmer stehen für die Gäste bereit. 60 davon zählen zum Jugendwohnheim.
15,5 Millionen Euro investierte die Handwerkskammer Aachen in das neue Gästehaus. „Wir sind stolz, dass wir den Bau komplett mit Firmen aus unserem Kammerbezirk durchführen konnten“, sagt Marco Theißen, Leiter des BGZ. Da der Bau aus Eigenmitteln finanziert worden sei, sei keine europaweite Ausschreibung notwendig geworden. „Wir konnten die Firmen nehmen, die wir wollten, und denen damit auch etwas zurückgeben“, so Theißen.
Die Kurse für die jungen Handwerker dauern bis zu fünf Wochen
Neu ist die Idee nicht, die Menschen, die die Kurse im BGZ besuchen, vor Ort auch unterzubringen. Bis zu fünf Wochen dauern je nach Gewerk die Kurse im BGZ. Bereits bei der Gründung 1972 gab es ein Internat mit 105 Betten und Freizeitbereich. Anfang der 1980er-Jahre wurden zwei weitere Internatsgebäude mit jeweils 82 Betten gebaut, so dass die Gesamtkapazität bei 269 Betten lag.
Doch die Gebäude waren in die Jahre gekommen, berichtet Fischer. Der Bedarf der geburtenstarken Jahrgänge sei vorbei. Auch seien die alten Internate nicht darauf ausgelegt gewesen, auch weibliche Lehrlinge beherbergen zu können. „Das war immer auf Männer ausgerichtet“, berichtet er. So sei der Gedanke entstanden, ein neues Gästehaus zu bauen.
Das neue Haus hat einen Freizeitbereich samt Kraftraum
Mit vier Mitarbeitern betreut Fischer rund um die Uhr seine jugendlichen Gäste. Und nicht nur die: „Mir ist es egal, ob die Leute volljährig sind oder nicht – wir betreuen alle mit.“ Der Freizeitbereich, der bisher gegenüber der Internatsgebäude war, ist nun in das Haus integriert. Besonderes Highlight ist ein Kraftraum. „Das wird immer wichtiger“, hat Fischer erfahren. Wenn die jungen Menschen über Wochen im Gästehaus seien, könne das zuweilen problematisch sein. „Das gibt oft Heimweh, die vermissen ihre Familie und ihre normale Freizeitbeschäftigung“, hat Fischer beobachtet.
Die Sporthalle in Simmerath werde auch genutzt, vor der Tür steht ein Fußballplatz zur Verfügung, nur die örtliche Schwimmhalle werde nicht mehr genutzt. Mittlerweile sei der Betreuungsaufwand größer, berichtet Fischer – etwa, weil die Teilnehmer mehr im Haus bleiben. „Früher hat es in Simmerath auch schon einmal Stress gegeben, wenn die in die Kneipen hier im Ort gegangen sind“, erzählt er.
Eines der alten Internatsgebäude hat bereits eine neue Verwendung gefunden. Dort ist das Zentrum für Holzbauforschung der Fachhochschule Aachen eingezogen. Kooperationen mit dem BGZ sind geplant. „Dann bringen Studierende Handwerkern die Forschung bei, und Handwerker bringen die Vielfalt ihres Berufs in die Forschung“, sagt Theißen. Wenn die Meisterschule ein Stück weit den akademischen Bildungswegen angeglichen sei, sei die Zusammenarbeit naheliegend.
Doch wer nun hofft, dass das Gästehaus auch Außenstehenden ein Obdach bieten kann, muss allerdings enttäuscht werden. „Das war zu Beginn der Planung angedacht, ist aber im Moment nicht vorgesehen“, sagt Fischer, da – auch durch die Netzwerkpartner – das Gästehaus ständig ausgebucht sei.
Zur ÜLU nach Simmerath
Bohren, Hämmern, Sägen, Klopfen – vielfältig ist die Geräuschkulisse in den Werkstätten des BGZ in Simmerath. In neun verschiedenen Bauberufen, unter anderem Dachdecker, Schreiner, Stuckateur und Maler, absolvieren hier die Auszubildenden aus dem Zuständigkeitsbereich der Handwerkskammer Aachen einen Teil ihrer Ausbildung. Als ÜLU wird dieser Teil abgekürzt – überbetriebliche Lehrlingsunterweisung. Die soll dazu dienen, den zukünftigen Handwerkern die komplette Bandbreite an Fachwissen über das Gewerk zu vermitteln.
Fertigkeiten, die zum Beispiel in kleinen Betrieben nicht vermittelt werden können, stehen hier auf dem Lehrplan. Ein Konzept, das auch bei den Auszubildenden ankommt. „Hier lernt man, eigenständig an den Maschinen zu arbeiten und sich einen Plan zu machen“, sagte Julia Schell aus Stolberg, Auszubildende im Tischlerhandwerk im dritten Lehrjahr. Manche Dinge könnten in den Betrieben im Alltag nicht vermittelt werden. 1500 Azubis kommen pro Jahr nach Simmerath, wo sie von 48 Mitarbeitern betreut werden. Darüber hinaus gibt es Vorbereitungskurse auf die Gesellenprüfungen. Auch Meisterkurse finden im BGZ statt. (sev)