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Masterplan51 Prozent der Radwege sind im Kreis Euskirchen ungesichert oder unbefahrbar

Lesezeit 4 Minuten
Das Bild zeigt einen Radfahrer, der offenbar mit dem Rad auf dem Weg zur Arbeit ist.

Der Kreis Euskirchen wird mit Kommumen, Land und Bund im Idealfall bis zu 130 Millionen Euro in den Radverkehr investieren. Hinzukommen 55 Millionen Euro für die Radpendlerrouten.

130 Millionen Euro sollen in den Radverkehr im Kreis Euskirchen fließen. Ein Planungsbüro hat 800 Maßnahmen identifiziert, die abzuarbeiten sind.

Der Kreis Euskirchen hat einen Plan – einen Masterplan sogar. Mit dem soll beim Radverkehr im Kreis ordentlich Gas gegeben und vor allem viel Geld investiert werden. Das Ziel: Den Alltagsradverkehr – also beispielsweise die Fahrt zur Arbeitsstelle – voranzubringen. Geht es nach dem Stadt- und Verkehrsplanungsbüro Kaulen, das den Masterplan Radverkehr mit dem Kreis erarbeitet hat, werden in den kommenden zehn Jahren etwa 130 Millionen Euro in die Radinfrastruktur investiert.

Wie viel und wo investiert werden muss, ist sehr unterschiedlich. So weist das Planungsbüro echte finanzielle Brocken aus – beispielsweise der Neubau eines Radwegs in Dahlem für 1,3 Millionen Euro oder die Verbreiterung eines Gehwegs zu einem gemeinsamen Geh- und Radweg in Blankenheim für kalkulierte 373.000 Euro.

Hellenthal: Für Radfahrer fehlen auf der Kölner Straße Piktogramme

An der B265 in Hellenthal fehlen zahlreiche Piktogramme, zudem soll geprüft werden, ob die Geschwindigkeit für Autofahrer reduziert werden kann – Kostenpunkt: mehr als 10.000 Euro. An jenen Stellen, wo beispielsweise der Übergang von einem Radweg in den fließenden Straßenverkehr verbesserungswürdig ist, müssen laut Verkehrsexperten durchschnittlich etwa 25.000 Euro investiert werden.

Solche Verbesserungen sind etwa in Euskirchen, Mechernich oder auch Kall nötig. In dem Maßnahmenkatalog sind aber auch kleinere Dinge aufgelistet, die Radfahrern das Leben schwer machen können. Beispielsweise wird moniert, dass in Schleiden ein Findling markiert werden muss, da dieser nur schwer zu erkennen sei – vor allem bei Dunkelheit.

Das Bild zeigt ein Verkehrsschild, das in die Jahre gekommen ist und nicht mehr zu entziffern ist.

Kritikpunkt: nicht identifizierbare Schilder wie in Kuchenheim.

Das Planungsbüro gibt dafür Kosten in Höhe von 500 Euro an. Ebenfalls in Schleiden fehlt an einer Sackgasse ein Hinweisschild, dass die Straße für Fußgänger und Radfahrer durchlässig ist. Auch diese Kosten belaufen sich laut Planungsbüro auf 500 Euro. Insgesamt etwa 800 Maßnahmen haben die Experten für den Kreis identifiziert, die abzuarbeiten sind, wenn der Alltagsradverkehr attraktiver werden soll.

Das Planungsbüro schlägt vor, die Maßnahmen in vier Kategorien zu unterteilen. So solle eine langfristige Maßnahme bis etwa 2034 abgeschlossen sein. „Eine hohe Dringlichkeit liegt vor, wenn die bestehende Infrastruktur gegen die Anforderungen der Straßenverkehrsordnung verstoßen. Ebenso besteht eine hohe Dringlichkeit aufgrund der Verkehrssicherung an Gefahrenstellen. Punktuelle Maßnahmen, die sehr kurzfristig umgesetzt werden können, sind beispielsweise fehlende Zusatzbeschilderungen“, heißt es im Abschlussbericht des Büros.

Der Radverkehr ist bisher zudem sehr stark auf den Freizeit- und Tourismusverkehr ausgerichtet.
Sarah Dartenne, Verkehrsplanerin

„Der Kreis Euskirchen ist in weiten Teilen sehr ländlich geprägt und weist vor allem im Süden eine für den Radverkehr schwierige Topographie auf“, sagte Kaulen-Mitarbeiterin Sarah Dartenne im Kreisausschuss für Mobilität und Nachhaltigkeit: „Der Radverkehr ist bisher zudem sehr stark auf den Freizeit- und Tourismusverkehr ausgerichtet. Eine Ausrichtung an die Belange des Alltagsverkehrs ist nur in wenigen Kommunen erfolgt.“

Von den elf Kommunen im Kreis Euskirchen habe lediglich die Stadt Euskirchen mit Meike Mäncher eine Radverkehrsbeauftragte, so Dartenne. In den übrigen Kommunen sei zwar meist ein fester Verwaltungsmitarbeiter für das Thema Radverkehr zuständig, jedoch ohne die konkrete Bezeichnung eines Radverkehrsbeauftragten. Zudem fehle teilweise der Bezug zum Alltagsradverkehr, da der Radverkehr im Bereich Tourismus angesiedelt sei.

Kreis Euskirchen: Die Hälfte aller Radwege sind ungesichert oder unbefahrbar

Erste Ansätze, den Alltagsradverkehr zu fördern, und die entsprechende Infrastruktur seien zwar erkennbar, dennoch fehle es an einer konsequenten Verdichtung des Alltagsradnetzes auf Kreisebene und in den südlichen Kommunen. Damit verbunden seien eine Definition von Netzhierarchie, Qualitätskriterien und Ausbauprogramme. Zudem müsse es eine harmonische Verbindung zwischen Alltagsrouten und touristischen Strecken geben.

„Rund 49 Prozent des Kreisradverkehrsnetzes bestehen aus nicht gesicherten oder unbefahrbaren Strecken“, so Dartenne. Die Menschen im Kreis Euskirchen setzen sich der Expertin zufolge aber intensiv mit dem Radverkehr auseinander. Das zeige allein die Beteiligung der Bürger an einer Umfrage des Kreises zum Masterplan Radverkehr.

Das Bild zeigt einige Fahrräder, die am Bahnhof in Kuchenheim abgestellt sind.

Ride-park-ride: Mit dem Fahrrad zur Bahn. Der Kreis Euskirchen sieht hier fürs Alltagradeln noch viel Potenzial.

Dabei wurden Gefahrenstellen und Mängel, aber auch Positivbeispiele genannt. Knapp 4200 Menschen brachten laut Kreisverwaltung ihre Ideen und Hinweise ein, likten oder kommentierten das Projekt. Mehr als 1000 Vorschläge wurden dem Kreis zur Bearbeitung hinterlassen.

Auch diese Interaktion mit den Menschen der Region dient dazu, den Anteil derer, die das Rad nicht nur am Wochenende nutzen, zu erhöhen – und das Radfahren attraktiver zu machen. Das Land NRW hat das Ziel ausgegeben, dass künftig der Radverkehrsanteil bei 25 Prozent des Gesamtverkehrs liegt. Derzeit bewegt man sich im Kreisgebiet bei sechs bis acht Prozent.

Eine überraschende Erkenntnis aus der Befragung der radelnden Bürger: Für den Vorschlag einer schnellen Verbindung zwischen Kall und Hellenthal gab es laut Kreis 120 Likes. Dartenne sagte im Ausschuss, dass nicht nur die Routen und Wege im Blick behalten werden müssen, sondern auch das große Ganze. So könne das Rad als Zubringer zum Öffentlichen Personennahverkehr eine deutlich größere Rolle spielen, als es aktuell der Fall ist.

„Neun von elf Kommunen besitzen einen Bahnanschluss, die meisten Bahnhöfe liegen für alle Kreisbewohner in einer radverkehrsfreundlichen Entfernung. Das Potenzial, durch eine gute Anbindung der ÖPNV-Verknüpfungspunkte den Radverkehrsanteil zu steigern, ist daher entsprechend groß“, so Dartenne.

Es zeige sich, dass neben der Infrastruktur auch die Bereiche Service und Information stärker auf den Alltagsverkehr ausgerichtet werden müssen. Als Beispiele führen die Experten sichere und witterungsgeschützte Radabstellanlagen, öffentlich zugängliche Ladestationen und Informationen über direkte Radwegeverbindungen an.


Diese Kosten kommen auf die Kommunen, Land und Bund nach Schätzung des Planungsbüros zu:

  1. Hellenthal: 3,9 Millionen Euro
  2. Dahlem: 3,5 Millionen Euro
  3. Blankenheim: 4 Millionen Euro
  4. Nettersheim: 3,8 Millionen Euro
  5. Bad Münstereifel: 3,8 Millionen Euro
  6. Euskirchen: 4,6 Millionen Euro
  7. Kall: 1,6 Millionen Euro
  8. Mechernich: 3,5 Millionen Euro
  9. Schleiden: 3,9 Millionen Euro
  10. Weilerswist: 1,1 Millionen Euro
  11. Zülpich: 4,9 Millionen Euro
  12. Land NRW: 49 Millionen Euro
  13. Bund: 23,8 Millionen Euro