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„Auf Nein-Gefühl vertrauen“Medienparcours soll Kinder für Gefahren des Internets sensibilisieren

Lesezeit 3 Minuten
Andreas Ickes, Jana Wiens, Heike Heinen und Svenja Pommer-Schmitt stehen vor einer blauen Tafel, welche das Konzept für den "Medienparcours" für dritte und vierte Klassen präsentiert.

Andreas Ickes (v.l.), Jana Wiens, Heike Heinen und Svenja Pommer-Schmitt präsentieren im Kreishaus das Konzept für den 'Medienparcours' für dritte und vierte Klassen.

Kinder werden schnell zum Opfer, aber auch zum Täter.

Ob Mobbing an Schulen heute schlimmer ist als früher, kann Benedikt Hörter, Jugendamtsleiter des Kreises Euskirchen, nicht sagen. Aber eins steht für ihn fest: Es ist anders. Die Möglichkeiten sind vielfältiger geworden. Vor einigen Jahren „hauten“ sich Schüler Beleidigungen im Klassenzimmer noch persönlich um die Ohren. Auf dem Pausenhof standen Kinder ihren Peinigern direkt gegenüber. Diese Formen des Mobbings sind nicht verschwunden.

Straftaten werden oft online von Strafunmündigen begangen

Doch mit dem Einzug der Smartphones in die Hosentaschen der Kinder hielt auch eine stillere Form des Mobbings Einzug in das Leben der jungen Menschen: das Cyberbullying. Darunter versteht man Beleidigungen, Bloßstellungen, Bedrohungen oder Belästigungen im Internet. Dies kann über Soziale Medien, in Foren oder Chats passieren. „In den Polizeiberichten sehe ich immer wieder, dass Straftaten häufig online passieren – verübt von Strafunmündigen“, sagt Hörter.

So komme es durchaus vor, dass ein 14-jähriger Junge Nacktbilder seiner 13-jährigen Exfreundin im Internet poste. In diesem Alter seien Kinder zwar noch nicht strafmündig, erklärt Melanie Houf von der Kriminalprävention. Trotzdem könnten sie in Deutschland vor Gericht gestellt werden – zivilrechtlich, nicht strafrechtlich. „Ab sieben Jahren können Kinder in Deutschland für Cyberbullying angeklagt werden“, sagt die Kriminalpolizistin. Viele Kinder wüssten das nicht. Und wenn sie damit konfrontiert würden, seien sie oft überrascht.

Trainingsprogramm soll Kinder davor bewahren, weder zum Täter noch zum Opfer zu werden

Doch im Internet könnten Kinder nicht nur sehr leicht zu Tätern, sondern auch zu Opfern werden, weiß Schulsozialarbeiterin Jana Wiens. Deswegen müssten sie dringend über Gefahren, die Kommunikation im Internet mit sich bringe, aufgeklärt werden, sagt Houf – und das rechtzeitig.

Damit Schulkinder im World Wide Web weder zu Tätern noch zu Opfern werden, stellt der Kreis Euskirchen jetzt ein Trainingsprogramm für Medienkompetenz vor, das sich an Kinder der dritten und vierten Klasse richtet. Ein Angebot der Initiative „Teachtoday“, das mit einem Team der Grundschulsozialarbeit des Kreises und der Kriminalprävention der Polizei weiterentwickelt wurde. „Herausgekommen ist ein Medienparcours mit sechs Stationen“, erklärt die Projektkoordinatorin Svenja Pommer-Schmitt. Angedacht sei, dass dieser Parcours an vielen Schulen des Kreises Station mache. In zwei Schulstunden sollten die jungen Mediennutzer in Gruppen vier verschiedene Stationen durchlaufen. Dabei dauere jede Station etwa eine Viertelstunde.

Kinder sollen wissen, dass sie sich Hilfe holen können und müssen

Eine der Stationen nennt sich „Weitergeben“. Auf einem Tisch liegen umgedrehte Karten. Sie symbolisieren Smartphones. Drehen die Kinder die Karten um, können sie ein Bild sehen oder eine Nachricht lesen. Dabei kann es sich um ein Katzenfoto, einen Kettenbrief oder einen Screenshot einer vertraulichen Nachricht handeln. Auf kleinen Kästen sind Bilder angebracht: Briefkasten, Alarmglocke, Schatzkiste, Mülleimer. „Die Kinder müssen jetzt entscheiden, was sie mit der empfangenen Nachricht tun“, erklärt Schulsozialarbeiter Andreas Ickes. Zu entscheiden sei etwa, ob die Nachricht bedenkenlos weitergeschickt werden dürfe (Briefkasten) oder ob sie vertraulich sei (Schatzkiste). Ob der nervige Kettenbrief einfach nur gelöscht werden soll (Mülleimer) oder ob eine Nachricht den Kindern ein ungutes Gefühl vermittelt (Alarmglocke).

In diesem Fall, so sagt Andreas Icke, sollten die Kinder wissen, dass sie sich Hilfe holen können und müssen. Das könnten Eltern sein, Lehrer, ältere Geschwister, Sozialarbeiter oder die Polizei. Vor allem gehe es darum, seinem Gefahren-Instinkt zu vertrauen. Dafür stehe die Alarmglocke.

Dem Gefahren-Instinkt, der inneren Alarmglocke zu vertrauen, darum geht es an einigen Stationen. „Die Kinder müssen lernen, sich auf ihr angeborenes inneres Nein-Gefühl zu verlassen“, sagt Melanie Houf. Das sei in Chats besonders wichtig, sagt Schulsozialarbeiterin Jana Wiens. Denn ganz genau wisse man schließlich nie, wer am anderen Ende der Leitung sei. Selbst den Erwachsenen, die zur Präsentation des Medienparcours ins Kreishaus gekommen waren, fiel es an der Station „Chat“ schwer, genau zu identifizieren, wer in vorgestellten Chats miteinander spricht – Kind mit Kind, Erwachsener mi