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Hefeteig braucht ZeitNeujahrskränze im Kreis Euskirchen schmecken nach Heimat und Liebe

Lesezeit 6 Minuten
Das Bild zwei drei Bäcker, die an einem langen Tisch das Neujahrsgebäck zubreiten.

Bei der Bäckerei Lennartz in Kuchenheim werden und um den Jahreswechsel etwa 3000 Neujahrskränze gebacken – alle in Handarbeit.

Bei den Bäckereien Lennartz in Kuchenheim und Zimmer in Sistig machen sich an Silvester gestiegene Kosten für Mehl und Butter bemerkbar.

Aus dem Rezept seiner Neujahrskränze macht Bäckermeister Torsten Lennartz kein Geheimnis. Kein Tresor, keine geheimen Zutaten, die wie bei Coca-Cola gehütet werden. „Mehl, Salz, Wasser, Milch, Butter, Hefe. Schicht im Schacht“, sagt der 49-Jährige. Doch dann verrät er doch noch, was bei keiner Rezeptur fehlen darf: Zeit und Liebe. „Teigruhe ist unheimlich wichtig. Bei uns bekommt der Teig nach jedem Schritt Zeit, sich zu erholen“, so Lennartz. Und das seit mehreren Generationen.

Backen sei Handwerk. Das schmecke man bei jedem Produkt, das die Backstube in Kuchenheim verlasse. „Bei uns ist alles frisch. Es ist so, als stünde ich selbst in der Backstube und backe und verkaufe es wenige Meter weiter. Nur eben in größeren Mengen und dass wir in der Backstube nicht verkaufen. Wir sind ein komplett handwerklicher Betrieb“, sagt er.

Rezept für Neujahrskränze wird nicht gehütet wie die Coca-Cola-Rezeptur

Etwa 3000 Neujahrskränze mit Hagelzucker, Frangipani-Creme und Mandeln oder ohne Schnickschnack stellen er und sein Team in den Tagen rund um den Jahreswechsel her. Die Kränze werden dann in die 13 Filialen des Familienbetriebs geliefert. „Wir ändern unsere Rezepte nicht. Das wichtigste ist die Teigführung. Und die Ruhe, die er immer wieder bekommt. Wenn man sich die Zeit nicht nimmt, dann schmeckt man das. Der Teig wird strohig“, erklärt Lennartz. 16,5 Prozent Butter kommen bei Lennartz in den Hefeteig. „Auch das schmeckt man“, so der Experte.

Diesmal sei die Kalkulation schwieriger gewesen, weil Silvester auf einen Sonntag fiel. Heiligabend habe er deshalb zum Ausgleich die Filialen geschlossen gelassen. Für fünf Stunden habe sich das nicht gelohnt, so Lennartz: „Ich habe lieber dem Team den Tag frei gegeben. Wir müssen auch mal Kraft schöpfen.“ Am Neujahrstag war dann aber geöffnet, da die frisch gebackenen Kränze nun mal an Neujahr bei den Kunden sein sollten.

Das Bild zeigt Lea Lehnhoff beim Flechten eines Neujahrskranzes.

Auch bei Lea Lehnhoff in Kuchenheim sitzt jeder Handgriff.

Das Bild zwei Mitarbeiter der Bäckerei Lennartz in einem Tiefkühlhaus.

Der Teig braucht Ruhe und auch ein wenig Kälte, denn er kann oft nicht direkt weiter verarbeitet werden.

Und wie hält man einen Neujahrskranz oder später im Jahr das Brot am besten frisch? „Ich schwöre auf einen Römertopf, ein Tongefäß“, so Lennartz: „Alles, was in den Kühlschrank kommt, muss luftdicht verpackt werden, sonst wird das Brot trocken.“

Auch in der Backstube der Bäckerei Zimmer in Sistig ist Teamarbeit angesagt. Zu fünft stehen Tim Gemmerich, Dennis Knoblich und Inge Rosenow mit den Bäckermeistern Siegwin und Patrick Zimmer an dem hölzernen Arbeitstisch, um den Hefeteig in die richtige Form zu bringen. Die Teigklumpen werden zu langen Strängen geformt, die mit flinken Händen zu Zöpfen geflochten und schließlich in Kranzform gebracht werden.

Die drei Stränge stehen für Freude, Glück und Gesundheit.
,Patrick Zimmer, Bäcker

„Die drei Stränge stehen für Freude, Glück und Gesundheit“, erläutert Patrick Zimmer. In die Kreisform gelegt würden sie den Jahresverlauf symbolisieren, das immer Wiederkehrende des neuen Jahres, ergänzt sein Vater Siegwin, der als Obermeister der Bäckerinnung aktiv ist: „In der Eifel war der Neujahrskranz das Geschenk, das traditionell an die Patenkinder gegeben wurde.“

Früher hätten diese bei ihren Paten eine Aufwartung machen müssen, um den Kranz in Empfang zu nehmen. „Damit war der Neujahrskranz das einzige Geschenk, das sich die Beschenkten selbst abholen mussten“, betont er.

Das Bild zeigt eine Nahaufnahme der Herstellung von Neujahrskränzen. Gerade werden die Stränge geflochten.

Jeder Handgriff sitzt, wenn in der Bäckerei Zimmer in Sistig die Neujahrskränze von Siegwin und Patrick Zimmer, Dennis Knoblich, Tim Gemmerich und Inge Rosenow gemacht werden.

Viel Symbolik und Tradition steckt also in dem leckeren Hefegebäck, das je nach Backstube etwas anders zubereitet wird. Vielfalt ist angesagt, so der Obermeister. „Jeder Bäcker hat da seinen eigenen Stil“, erklärt er. Mancher würde etwas Zimt oder andere Gewürze hineintun. Auch würde beispielsweise in Marmagen die Version mit vier Strängen hergestellt. Doch in Sistig werde nur der reine Hefeteig verwendet. „Je weniger Hefe, desto besser“, betont Patrick. Dann habe der Teig mehr Zeit, um zu reifen.

Das Bild vier Mitarbeiter der Bäckerei, wie sie gerade Neujahrskränze flechten.

Das Team der Bäckerei Zimmer aus Sistig ist perfekt aufeinander abgestimmt. Jeder Handgriff sitzt bei den Eifelern.

Und das sei wichtig für den Geschmack: „Die Flüssigkeit muss das Mehl richtig umschließen, dann können sich die Aromen entfalten“, erläutert der Junior. Er legt auch Wert auf die Verwendung von Rohmilch, die er genau wie die Eier vom nahen Hof Walter bezieht. „Die lebenden Milchsäurebakterien bringen Leben in den Teig“, sagt er.

Wie beim Ballett geht es zu. Jeder Handgriff sitzt, lange Erklärungen oder Arbeitsanweisungen sind mittlerweile überflüssig. Immer wieder wird ein wenig Roggenmehl über die Arbeitsfläche gestreut. „Dann reißt beim Backen der Teig etwas auf, und es gibt ein schöneres Farbspiel auf der Oberfläche“, erläutert Patrick Zimmer.

500 Neujahrskränze werden bei Zimmers in Sistig gebacken

Rund 500 Kränze verlassen in diesen Tagen die Backstube. „Gut, dass die Saison etwas früher beginnt, das wäre an einem Abend kaum zu schaffen“, so Patrick Zimmer. Denn die Öfen werden nicht größer – es müsse halt öfter gebacken werden.

Und so bleibt viel Extraarbeit. Ruhe findet er in diesen Tagen kaum. Im Gegensatz zum Teig, der den Tag über bei zwei Grad Celsius in der Reifekammer verbringt. 16 Stunden soll das Gebäck in spe ruhen, bevor es in den Ofen kommt.

Doch bereits am Abend steht Patrick Zimmer wieder in der Backstube. Denn bevor er die Kränze in die Öfen schiebt, setzt er noch die Teige an, die im Laufe der Nacht zu Brot und Brötchen verarbeiten werden. „Das Schöne an der Selbstständigkeit ist, dass man soviel arbeiten kann, wie man will“, sagt er grinsend, während er dazu übergeht, mit seinen Kollegen die Marzipanzöpfe herzustellen.


Butter, Mehl, Energie – Bäckerhandwerk kämpft mit den Kosten

Die Teuerungsrate geht auch an der Bäckerbranche nicht vorbei. Laut Torsten Lennartz, Chef des Familien-Bäckerbetriebs Lennartz aus Kuchenheim, ist der Preis seiner Brötchen in den vergangenen drei Jahren um zwei Cent gestiegen. Ein Brötchen koste aktuell 42 Cent.

„Die Mehrwertsteuererhöhung macht mir Angst, weil sich die sieben Prozent in den Köpfen festgesetzt haben“, sagt er: „Bei uns ist aktuell alles so ausgelegt, dass es passt. Wenn wir es nicht anpassen, machen wir ab Januar zwölf Prozent Verlust.“ Zwei Produkte habe er aus seinem Sortiment nehmen müssen, weil „die Leute einfach nicht mehr bereit waren, den Preis dafür zu bezahlen“.

Das Bild zeigt Patrick Zimmer, wie er die fertigen Neujahrskränze auf einem Tablett präsentiert.

Ich habe fertig: Patrick Zimmer präsentiert die Neujahrskränze.

Der Preis für das Kilo Butter ist Lennartz zufolge in den vergangenen Jahren von 3 auf 6,10 Euro gestiegen. Der Preis für die Tonne Mehl habe sich in den vergangenen drei Jahren von 27 auf mehr als 50 Euro fast verdoppelt. „Man merkt, dass die Kunden bereit sind, für Qualität einen gewissen Preis zu bezahlen.“

Vor gar nicht allzu langer Zeit habe er für fünf Fahrzeuge 1200 Euro an Dieselkosten pro Monat gehabt. Aktuell seien vier Fahrzeuge unterwegs. „Dafür zahlen wir an Tankkosten aber 2000 Euro, alle zwei Wochen“, so Lennartz.

„Wir sind glücklich, dass wir gute Tariflöhne haben, aber die sind immer noch nicht zu vergleichen mit anderen Handwerken“, so Lennartz: „Ich würde mich freuen, wenn wir genauso gut verdienen würden wie ein Elektriker.“ Vier Azubis hat er, zwei von ihnen werden im Januar Geselle. „Das sind richtig gute und ambitionierte Leute“, so Lennartz.

„Die Probleme im Handwerk und bei den Bäckern sind bekannt“, sagt Siegwin Zimmer, Obermeister der Bäckerinnung. Kostensteigerungen im Energie- und Rohstoffsektor und Nachwuchsmangel machen der Branche zu schaffen. „Wir haben einige Studierende, die am Wochenende kommen, um in der Backstube zu helfen“, sagt er.

Doch den Beruf ergreifen wollten die nicht. „Akademiker ist einfach attraktiver, obwohl es auch im Handwerk möglich ist, gutes Geld zu verdienen“, betont er. Doch die Kosten seien ein massives Problem. „Ich hatte ein Beratungsgespräch mit unserem Energielieferanten, wo Energie eingespart werden könnte“, sagt Sohn Patrick. Doch dabei sei nur herausgekommen, dass alle Möglichkeiten bereits ausgereizt seien. Liefer- und Personalkosten würden aber weiter steigen.

Auch werde die Mehrwertsteuererhöhung im Gastronomiebereich alle Betriebe treffen, die Cafébetrieb hätten, betont Siegwin Zimmer. „Die Erhöhung auf 19 Prozent ist eigentlich richtig, aber zum jetzigen Zeitpunkt ungünstig“, sagt er. (tom/sev)