Der Trend der bisher teilgenommenen Personen sei eindeutig: Die Flut war sehr belastend – vor allem der Stress und die fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten.
900 TeilnehmendeUmfrage zu psychischen Folgen der Flut läuft weiter – eine Zwischenbilanz
Das Ziel ist 1000 – mindestens. 1000 Menschen, die die Umfrage zur Flutkatastrophe mitmachen. Wie viel verträgt die Seele? Darum geht es in dem gemeinsamen wissenschaftlichen Projekt der Universität Wuppertal und des Kreises Euskirchen, das noch bis zum 31. März läuft. Nach Angaben von Francesca Müller, die die Umfrage federführend betreut und die Ergebnisse in ihre Doktorarbeit einfließen lassen wird, haben sich bisher 900 Menschen beteiligt. Hineingeklickt haben sich mehr als 1500 Menschen, 600 haben aber abgebrochen.
„Viele sind nach den ersten demografischen Fragen ausgestiegen“, erklärt Müller. 900 seien aber bereits ein zufriedenstellender Wert. „Damit kann man auf jeden Fall relevante Aussagen treffen“, so die Expertin, die Rettungsingenieurwesen an der TH Köln studiert und anschließend an der Uni Wuppertal in Sicherheitstechnik ihren Master gemacht hat.
Aktuell sei der Trend eindeutig, so Müller. Für 313 Teilnehmer sei die Flut sehr belastend gewesen. Vor allem der Stress und die fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten haben sich als belastend herauskristallisiert, sagt Müller.
Sie plant, neben der Online-Umfrage auch 30 bis 40 Interviews mit Betroffenen zu führen. Darunter sind vielleicht die drei Mitglieder der DLRG, die angegeben haben, die Organisation nach der Flut verlassen zu haben. Ob dies etwas mit der seelischen Belastung im Zusammenhang mit den Einsätzen zu tun hat, ist laut Müller aus der Umfrage nicht ersichtlich. Die meisten Teilnehmer kommen aktuell aus dem Stadtgebiet Euskirchen (228), aus Bad Münstereifel (137) und Mechernich (118).
Es haben sich 192 Menschen beteiligt, die bei der Feuerwehr und/oder im Rettungsdienst aktiv sind. „Es ist beeindruckend, wie viele Helfer mehr als 24 Stunden durchgehend im Einsatz waren“, so Müller. In Wuppertal läuft das Projekt unter dem Namen „Flutperspektive PSNV (Psychosoziale Notfallversorgung)“. „Das Ziel ist, für künftige Krisen besser aufgestellt zu sein“, sagt Müller. So sollen die Ergebnisse aus dem Kreis Euskirchen als deutschlandweite Empfehlung für künftige Krisen- und Katastrophenszenarien interpretiert werden.
Rainer Brück, Leiter der PSNV für Einsatzkräfte im Kreis Euskirchen, sagt, dass das Projekt eine einmalige Chance sei, weil es eine solche Umfrage nach einer Katastrophe deutschlandweit noch nicht gegeben habe. Wie wichtig die Umfrage und vor allem die richtigen Schlüsse daraus seien, macht Brück an Zahlen deutlich.
Vor der Flut habe es im Kreis Euskirchen vier bis fünf Gespräche nach schwierigen und belastenden Einätzen mit Einsatzkräften pro Jahr gegeben. Nach dem Hochwasser habe man alleine mehr als 700 Einsatzkräfte aus dem Kreis Euskirchen erreicht, erreichen müssen. Das PSNV-E-Team beim Kreis, das sich um die betroffenen Einsatzkräfte kümmert, sei auf 19 speziell ausgebildete Ehrenamtler angewachsen. Auch Müller hat eine solche Ausbildung gemacht – bei Rainer Brück.
Die Doktorandin will bis Ende April die Umfrage ausgewertet haben und Ergebnisse vorstellen. Unabhängig von der Online-Umfrage soll das Projekt in angepasster Form in Seniorenheime gegeben werden, um auch die Erfahrungen älterer Menschen zu erfassen. Das Ganze soll in Papierform geschehen und von Studenten geleitet werden. Um fundierte Aussagen treffen zu können, kann noch zwei Wochen an der anonymen Umfrage teilgenommen werden. Gesucht werden sowohl persönlich Betroffene als auch Menschen, die mit ihren Freunden, Verwandten und Bekannten mitgelitten haben oder die Flut über Videos in den sozialen Netzwerken erlebt haben.
Virtual Operation Support Team
Francesca Müller leitet nicht nur die Umfrage zur psychischen Belastung im Zuge der Flut. Sie war auch im Virtual Operation Support Team (VOST) während des Hochwassers tätig und durchforstete die Sozialen Netzwerke.
Auch im Bevölkerungsschutz und im Krisenmanagement spielen die Sozialen Netzwerke inzwischen eine große Rolle. So seien beispielsweise Posts für ein umfassendes Lagebild in den Krisenstäben wichtig – weswegen die Augen und Ohren auch online offengehalten werden.
„Ereignisse bilden sich nicht nur jeweils vor Ort, sondern inzwischen auch mehr und mehr im Internet und in den Sozialen Netzwerken ab“, erklärt Müller. Wo sind Straßen nicht befahrbar? Wo gibt es Hilferufe, die nicht mehr zu den Einsatzkräften durchkommen? „Ganz viele Infos werden geteilt und Bilder gepostet. Diese Bilder können zum Lagebewusstsein beitragen“, so Müller.
Allerdings sei das Monitoring der Daten und Informationen im Netz recht personalintensiv. 56 Menschen umfasst das VOST laut Müller mittlerweile – quer durch Deutschland verteilt. Sie habe während der Flut ein Programm geschrieben, mit dem sich Social-Media-Posts kategorisieren lassen, sagt Müller. Andere seien Spezialisten, Fake-News aufzudecken, indem beispielsweise gepostete Bilder analysiert werden.
„Das Monitoring des VOST-Teams ist für uns unheimlich wichtig, weil wir so an sehr viele Infos kommen, die uns sonst vielleicht nicht erreicht hätten“, so Martin Fehrmann, Leiter der Gefahrenabwehr im Kreis. (tom)