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„Hat viel Potenzial“Kreis Euskirchen verabschiedet 194-Millionen-Haushalt

Lesezeit 4 Minuten
Eine Glaskugel steht vor einem Gebäude.

Nach Corona und Flut ist die Perspektive für den Kreis zum großen Teil Glaskugelleserei. Mit dem Haushalt gibt es nun für 2023 immerhin eine Arbeitsgrundlage.

Fast alle Fraktionen haben dem Haushalt zugestimmt. Auch Euskirchen muss den Gürtel enger schnallen, sieht aber auch Chancen.

Ein Fingerzeig. Kleiner Finger und Daumen berühren sich vor der Handfläche. Die übrigen Finger zeigen nach oben: der Pfadfindergruß. Ute Stolz, Fraktionsvorsitzende der CDU, nutzte ihn, um ihre Haushaltsrede zu eröffnen und ein „einfaches Zeichen der Orientierung“ zu setzen. „Was Corona und Flut nicht geschafft haben, das scheinen Energiekrise und Fachkräftemangel zu schaffen. Steigende Inflation, drohender Rückgang der Wirtschaftskraft. Wir werden den Gürtel enger schnallen müssen“, sagte sie.

„Mit den geringer werdenden Mitteln können wir als CDU-Fraktion umgehen und sie dort einsetzen, wo es sinnvoll ist und eine Rendite für die Zukunft bringt: Wie Radwege oder digitale Infrastruktur.“ Der Kreis Euskirchen habe Potenzial, so die CDU-Chefin. Zudem habe er eine Verwaltung, die in den vergangenen Jahren viel geleistet habe – und eine „durch die CDU maßgeblich bestimmte Politik“.

Kita-Freibetrag angehoben

Ein Fingerzeig dürfte auch die neue Regelung bei den Kita-Beiträgen sein. CDU, UWV, FDP und Grüne setzten sich mit der Anhebung des Freibetrags auf 45 000 Euro und die um drei Prozentpunkte nach oben korrigierten Beitragsgrenzen durch. Damit scheiterten Landrat Markus Ramers (SPD), die SPD-Fraktion und die AFD damit, ein drittes Kita-Jahr im Kreis komplett beitragsfrei zu gestalten.

Thilo Waasem, Fraktionsvorsitzender der SPD, drückte in seiner Haushaltsrede ebenfalls metaphorisch aufs Gas. „Wir müssen in den kommenden Jahren nicht nur Konzepte entwickeln, sondern auch die PS auf die Straße bringen.“ So brauche es beim Hochwasserschutz sogar ein „Turbo-Tempo“. Aber auch beim Thema „Wohnen“ sei es an der Zeit, mehr PS zu nutzen, weil die Mieten laut Waasem im Kreis Euskirchen überdurchschnittlich steigen.

Franz Troschke, Fraktionsvorsitzender der UWV, zeigte mit den Fingern auf Berlin: „Wir müssen uns mit den Versäumnissen, Fehlern und Fehleinschätzungen der oberen Politik auseinandersetzen.“ Als Beispiele brachte er den „völlig überhasteten Ausstieg aus der Atomenergie, der Kohleverstromung und der sicheren Stromversorgung“, das „Verwaltungschaos bei der Gesetzgebung zum Bürgergeld“ und die „nicht sicheren Grenzen“ an.

FDP-Fraktionschef kritisiert Erweiterung der Kreisverwaltung

Letztlich stimme die UWV dem Haushalt zu, auch wenn die Fraktion die „Stellenvermehrung im Bereich der Stärkung des Ehrenamtes für unnötig“ erachtete. „Diejenigen, die Ehrenamt betreiben, sind hinreichend informiert. Dafür bedarf es nicht einer besonderen Personalstelle“, so Troschke.

Frederik Schorn, Fraktionschef der FDP, kritisierte, dass die Kreisverwaltung in einer Zeit erweitert wird, in der Homeoffice fester Teil des behördlichen Arbeitsalltags geworden sei. „Wir vermissen Konzepte, wie der Kreis bei Verwaltungsleistungen in manchen Bereichen Vorreiter sein kann“, so Schorn. Als Beispiel erwähnte der Liberalen-Chef die Kfz-Zulassungsstelle, die laut Schorn einen Algorithmus und eine Web– Oberfläche übernehmen könnte.

Auch befand Schorn, dass der Kreis viel Potenzial habe und zukunftsfähig aufgestellt sei – auch dank der FDP. Den Grünen fehlt nicht nur Tempo. Sie haben auch den Schuldigen beim schleppend verlaufenden Ausbau von erneuerbaren Energien im Kreis gefunden: die Listengemeinschaft aus CDU, UWV und FDP.

Landrat zufrieden mit Abstimmungsergebnis

„Wir könnten viel mehr, wenn doch ein wirklicher Gestaltungswille vorhanden wäre. Stattdessen flutet die Liste die Verwaltung mit Aufträgen, die arbeitsintensiv und kapazitätsbindend sind“, so Fraktionschef Jörg Grutke: „Insgesamt sehen wir, dass die Verwaltung alle relevanten Themenblöcke zielgerichtet und sachgerecht aufgreift und der Politik Lösungen anbietet.“

Bernd Lübke, Fraktionschef der AFD, sprach sich in seiner Rede dafür aus, der Kreis solle dem Land signalisieren, die vergebliche Suche nach einem Großinvestor für die Prime Site Rhine Region abzubrechen. Die Suche beläuft sich auf das Gebiet der Kommunen Euskirchen und Weilerswist.

„Stattdessen sollte das gesamte Areal schnellstmöglich als Mischung aus Industrie- und Gewerbegebiet vermarktet werden, um so immerhin Arbeitsplätze zu schaffen“, so Lübke. Landrat Markus Ramers freute sich über das Abstimmungsergebnis. Der Grund: Der Haushalt wurde von fast allen Fraktionen abgesegnet.

Lediglich die AFD stimmte gegen das 194 Millionen Euro schwere Zahlenwerk von Kreis-Kämmerer Ingo Hessenius. „Es ist ein gutes Zeichen, dass der Kreistag mit so großer Mehrheit dem Haushaltsentwurf zugestimmt hat. Damit können wir weiter unsere Zielsetzungen, beispielsweise im Ausbau des Bevölkerungsschutzes, im Radwegeausbau und in den Bereichen Klimaschutz und Klimafolgenanpassung verfolgen“, so der Verwaltungschef.