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Rückkehr zu G9Der „Weiße Jahrgang“ ist eine Herausforderung für Schulen im Kreis Euskirchen

Lesezeit 6 Minuten
 „G8“ und „G9“ steht in einem Gymnasium an einer Tafel.

Rolle rückwärts: An den Gymnasium kommt das Abitur nach 13 Jahren zurück.

Drei Gymnasien im Kreis Euskirchen schließen die Lücke, die mit dem Wechsel von G8 auf G9 einhergeht, durch den „Weißen Jahrgang“.

„Es ist eine tolle Herausforderung, die man so nicht alle Tage hat“, sagt Micha Kreitz, Leiter des Turmhof Gymnasiums in Mechernich. Auch Roswitha Schütt-Gerhards, Leiterin der Clara-Fey-Schule in Schleiden, strahlt, wenn sie über den „Weißen Jahrgang“ spricht. So nennen die Verantwortlichen den Jahrgang, der im neuen Schuljahr eine Lücke schließen soll – gar muss.

Die Lücke, die entsteht, weil man in NRW auch an Gymnasien zum Abitur nach 13 Schuljahren zurückkehrt. „Ich habe dafür gekämpft wie eine Löwin und bin nach dem positiven Bescheid erstmal durch mein Büro gehüpft“, sagt Schütt-Gerhards. Am Clara-Fey gebe es seit 2003 ein bewährtes Konzept, mit dem Realschüler mit Qualifikation in die Oberstufe integriert würden. Daher sei man froh und stolz, dass dieses Konzept auch beim „Weißen Jahrgang“ angewendet werden dürfe.

Am Clara-Fey werden nach Angaben der Schulleiterin etwa 50 Schülerinnen und Schüler den neuen Jahrgang bilden. Die meisten davon seien von der eigenen Realschule. „In den Hauptfächern unterrichten wir die Realschüler immer separat. Das sind praktisch unsere Bündelungsfächer“, so Schütt-Gerhards. Das habe sich bewährt, weil die Realschüler dann „eher aus sich rauskommen, mitarbeiten und nicht denken, dass Gymnasiasten viel schlauer sind.“

Übergang zu G8: Drei Bündelungsgymnasien im Kreis Euskirchen

Von den etwa 50 Schülern werden laut Schütt-Gerhards aber in diesem Jahrgang höchstens eine Handvoll Wiederholer – also Gymnasiasten sitzen. Doch warum gibt es überhaupt einen „Weißen Jahrgang“ und Bündelungsgymnasien? 2025 wird letztmals ein G8-Jahrgang sein Abitur erhalten. Im Kreis Euskirchen wird es deshalb drei Bündelungsgymnasien geben: das Turmhof-Gymnasium in Mechernich, das Johannes-Sturmius-Gymnasium in Schleiden und das Clara-Fey-Gymnasium in Schleiden.

Dort gehen nach den Sommerferien die Schüler zur Schule, die entweder am Gymnasium den Übergang von der Einführungsphase in die Qualifikationsphase (Q1/Q2) nicht erreichen oder beim Wechsel von einem anderen Bildungsgang auf ein Gymnasium in die Einführungsphase eintreten wollen. Zunächst sollten die städtischen Gymnasium ihren Hut in den Ring werfen. Dann wurden private und kirchliche Träger gefragt.

Und weil aus dem Clara-Fey-Gymnasium 2017 die Clara-Fey-Schule mit eigenem Realschulzweig wurde, brachte Schütt-Gerhards ihre Schule ins Spiel. Der Schulleiterin zufolge machen 59 Jugendliche im Sommer an der Clara-Fey-Realschule ihre Mittlere Reife – 36 davon mit der Empfehlung für die Oberstufe, die diese auch nutzen werden. „Wir standen bei den Eltern im Wort, dass ihre Kinder bei uns die Möglichkeit haben, auch Abitur zu machen“, so Schütt-Gerhards: „Deshalb habe ich ja so gekämpft.“

Kreis Euskirchen: Sturmius-Gymnasium hat viel Erfahrung mit Quereinsteigern

Doch so einfach wird man nicht Bündelungsgymnasium. Schließlich schreibt die Prüfungsordnung der Oberstufe vor, dass ein Jahrgang 42 Schülerinnen und Schüler benötigt, wenn er neu eingerichtet wird. Am Sturmius-Gymnasium haben sich – Stand jetzt – 49 Schüler angemeldet. „Wir wollen dem Vertrauen durch die engagierte Arbeit in der Oberstufe bestmöglich gerecht werden“, sagt Schulleiter Georg Jöbkes.

Die Schule habe viel Erfahrung mit der Integration von Seiteneinsteigern in die Oberstufe. „Noch machen wir natürlich allen Mut. Wir können ja jetzt schlecht hingehen und sagen, dass der oder die es auf keinen Fall schaffen wird“, erklärt Jöbkes. Wie groß die künftige Jahrgangsstufe 11 sein wird, steht also auch am Sturmius noch nicht fest. „Ein Schüler, der noch darum kämpft versetzt zu werden, der meldet sich noch nicht an“, sagt der Schulleiter im Gespräch mit dieser Zeitung.

In Mechernich bereitet man sich nach Angaben von Schulleiter Micha Kreitz seit zwei Jahren auf den Tag X vor. Doch wann der genau sein wird, steht dann auch heute noch nicht fest. „Wir werden erst nach den Sommerferien wissen, wie groß der Jahrgang wirklich sein wird, weil wir die Nachprüfungen nach den Ferien abwarten müssen“, erklärt der Chef des GAT. Was aber bereits feststeht: Nadine Humpert und Andreas Maikranz werden die Stufenleitung übernehmen.

„Weißer Jahrgang“ im Kreis Euskirchen: Mitschüler kennen sich gegenseitig gar nicht

„Wir freuen uns auf einen heterogenen Jahrgang, von denen sich die meisten Schüler ganz bewusst fürs Abitur entschieden haben“, sagt Humpert. Da sich die allermeisten in dem Jahrgang aber gar nicht kennen, wird es sogar Teambuilding-Maßnahmen geben. „Wir werden durch den Dreck robben und buchstäblich ins kalte Wasser springen“, sagt die Sportlehrerin. Im August soll es für den „Weißen Jahrgang“ zunächst mal richtig dreckig werden – es geht in den Naturparcours Arboretum nach Nettersheim.

Die Rückkehr zu G9 begrüßt die Stufenleitung am GAT. „Man darf durch das Jahr ein wenig mehr Kind sein“, erklärt Humpert. Ihr Kollege Maikranz ergänzt: „Das Jahr tut in vielerlei Hinsicht gut. Man kann beispielsweise Themen anders besprechen.“ Zudem komme hinzu, dass bei G8 der eine oder andere Abiturient noch nicht volljährig sei, wenn er sein Abschlusszeugnis in der Hand halte und sich an der Uni einschreibe.

Bei G8 kommt laut Kreitz hinzu, dass Schüler nach der neunten Klasse noch keine Mittlere Reife haben und deshalb in die Einführungsstufe gehen müssten. Dann könne man auch noch den Rest hintendran hängen. Nach der 10 erfolge der Schritt viel bewusster, weil man eben nicht in die Oberstufe müsse, wenn man die Mittlere Reife wolle. „Ich glaube, dass viele Schüler mit G8 nicht überfordert waren, aber Deutschland hinkt insgesamt hinterher“, sagt Schütt-Gerhards.

Clara-Fey-Schule: Lehrerteam kümmert sich um „Weißen Jahrgang“

Man könne nicht einfach ein System überstülpen, wenn sich die anderen Bedingungen nicht ebenfalls veränderten. „Beispielsweise muss man sich auch als 17-Jährige an einer Uni einschreiben können“, so die Clara-Fey-Leiterin. Genau wie in Mechernich wird sich auch an der Clara-Fey-Schule ein Lehrerteam um den neuen Jahrgang kümmern, das mit den Problemen und Herausforderungen vertraut ist – und viele Schülerinnen und Schüler bereits kennen. Bewährtes Konzept eben.

Eine Raumnot wird es durch den „Weißen Jahrgang“ in Mechernich laut Schulleiter Kreitz nicht geben – gleiches berichten auch die beiden Schulleitungen in Schleiden. Das GAT sei über die vergangenen sechs Jahrzehnte meist zwei- oder dreizügig gewesen. Vor einigen Jahren musste man kurzzeitig abweichen und einen vierten Zug aufnehmen – dafür wurden drei Räume angebaut. Platz, der nun helfen wird.

„Dennoch sind die Kapazitäten irgendwo endlich, denn als die Schule gebaut worden ist, gab es kein Selbstlernzentrum, kein Berufsorientierungsbüro, keinen Oberstufenaufenthaltsraum. All das macht heute aber eine moderne Schule aus“, so Kreitz: „Der zeitliche Aufwand für manche Schüler wird groß sein. Der ÖPNV ist nach der Flut ja immer noch eingeschränkt und wir sind ein ländliches Gebiet, wo nicht alle 15 Minuten eine Bahn kommt.“


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