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Neue SerieSind die Schulen im Kreis Euskirchen 2023 Wohlfühlort oder Problemzone?

Lesezeit 7 Minuten
Eine Schülerin hat ein Buch und ein iPad vor sich auf dem Tisch liegen.

Buch und iPad: Schule ist viel digitaler geworden, auf das klassische Buch können und wollen Lehrer aber nicht verzichten.

Den Problemen nach Corona und Flut, der Digitalisierung und weiteren Herausforderungen stellen sich die Schulen im Kreis Euskirchen.

Corona, Homeschooling, Digitalisierung, Flutkatastrophe, Lehrermangel, Rückkehr zum Abitur nach 13 Schuljahren, Integration von geflüchteten Kindern – Schüler und Lehrer hatten in den vergangenen Jahren gleichermaßen viele Probleme und Herausforderungen zu bewältigten. „Der Lehrerberuf und die Institution Schule haben sich gleich mehrfach neu erfinden müssen“, sagt Georg Jöbkes, Leiter des Johannes-Sturmius-Gymnasiums in Schleiden. Seine Schule war zudem von einer Brandserie im Jahr 2018 betroffen, so manch eine Baumaße ist noch nicht abgeschlossen.

Digitalisierung

Dafür sei die Ausstattung mit digitalen Endgeräten in der Schülerschaft bereits weit fortgeschritten. Nur der aktuelle Abiturjahrgang hat laut Jöbkes kein eigenes iPad. Das digitale Endgerät könne einen Atlas aber nicht ersetzen. Es werde weiterhin „analog“ unterrichtet. „Es ist wichtig, dass Schüler etwas aufschreiben und nicht nur als Foto über Microsoft Teams zur Verfügung gestellt bekommen“, so Jöbkes. Kollege Michael Mombaur, Leiter der Marienschule in Euskirchen, bezeichnet die Corona-Pandemie als „Katapult für die Digitalisierung“. In Sachen digitaler Unterricht sei man plötzlich mit Siebenmeilenstiefeln unterwegs gewesen.

Die Ausstattung mit iPads sei das eine, doch es gebe bei der Digitalisierung einen anderen wichtigen Aspekt, sagt Henning Schneider, stellvertretender Leiter der Gesamtschule Eifel in Blankenheim. Er habe zuletzt ein Gespräch in seinem Oberstufenkurs mitbekommen. Da habe eine Schülerin davon gesprochen, dass sie auf Instagram nicht selbst sein könne, sich praktisch eine zweite Identität aufgebaut habe. „Da bin ich hellhörig geworden. Da müssen wir pädagogisch gehörig aufpassen und entgegenwirken“, sagt Schneider.

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Durch die Digitalisierung sei auch die Distanz zwischen Lehrern und Eltern geringer geworden. Kritik oder Wünsche würden nun „mal eben“ über Teams geäußert – zu jeder Tages- und Nachtzeit. „Häufig wird direkt an den Schulleiter geschrieben, anstatt zunächst mit dem Klassenlehrer zu reden. Und ich meine wirklich reden“, sagt Torsten Wanasek, Leiter der Hermann-Josef-Grundschule in Euskirchen.

Bündelungsgymnasien

Es müssen nicht nur Kräfte gebündelt werden, sondern ganze Jahrgänge. Der Grund: Die Rückkehr zu G9, dem Abitur nach 13 Schuljahren. Seit 2019/20 machen die Schüler auch am Gymnasium ihr Abi wieder nach neun Jahren, was zuvor nur an Gesamtschulen möglich war. Nun also die Rolle rückwärts. 2025 wird letztmals ein G8-Jahrgang sein Abitur erhalten. Im Kreis Euskirchen wird es deshalb drei Bündelungsgymnasien geben: das Turmhof-Gymnasium in Mechernich, das Johannes-Sturmius-Gymnasium in Schleiden und das Clara-Fey-Gymnasium in Schleiden. Dort gehen nach den Sommerferien die Schüler zur Schule, die entweder am Gymnasium den Übergang von der Einführungsphase in die Qualifikationsphase (Q1/Q2) nicht erreichen oder beim Wechsel von einem anderen Bildungsgang auf ein Gymnasium in die Einführungsphase eintreten wollen.

Doch so einfach wird man nicht Bündelungsgymnasium. Schließlich schreibt die Prüfungsordnung der Oberstufe vor, dass ein Jahrgang 42 Schülerinnen und Schüler benötigt, wenn er neu eingerichtet wird. Am Sturmius-Gymnasium haben sich – Stand jetzt – 49 Schüler angemeldet. „Wir wollen dem Vertrauen durch die engagierte Arbeit in der Oberstufe bestmöglich gerecht werden“, sagt der Schulleiter des Johannes-Sturmius-Gymnasiums. Die Schule habe viel Erfahrung mit der Integration der Seiteneinsteiger in die Oberstufe.

Kollege Mombaur warnt: „Diesen Jahrgang hat es durch Corona schon hart getroffen, er ist nicht so gefestigt, wie das normalerweise der Fall ist.“ Der Aufwand, den ein Schüler, beispielsweise in Zülpich oder Bad Münstereifel nun auf sich nehmen müsse, um Abitur zu machen, sei gewaltig.

Raumnot

Die Rückkehr zu G9 könnte – so befürchten es zumindest die Verantwortlichen – auch ein Raumproblem mit sich bringen. Zwar seien Schulen für ein Abitur nach 13 Jahren gebaut worden, aber die pädagogischen Konzepte hätten sich nun mal verändert. Nun gebe es beispielsweise Selbstlernzentren, die in ehemaligen Klassenräumen eingerichtet worden seien. Eine Schule, in der es eng werden könnte, ist das St.-Michael-Gymnasium in Bad Münstereifel.

Mit Blick auf den Schulentwicklungsplans ist im „Michael“ durch den Wechsel von G8 zu G9 2026 mit 100 Schülern mehr an der Schule rechnen. „Zwei neue Räume sind da nicht das Ende vom Lied, irgendwann sind dort mehr als 900 Schüler am Gymnasium“, sagt Architektin Ulrike Lexis. Und sie macht Druck: „Es empfiehlt sich der Anbau ab 2025/26. Die Stadt sollte sich nicht mit weiteren Prüfungen aufhalten, sondern den Anbau zügig ins Visier nehmen.“

Dr. Michael Szczekalla macht sich da weniger Sorgen. „Unsere Schule ist für G9 ausgelegt, das bekommen wir auch diesmal wieder hin“, sagt der Leiter des Emil-Fischer-Gymnasiums in Euskirchen.

Flut

Die Flut hat ebenfalls zur Raumnot beigetragen und unfreiwillig die Improvisationskunst gefördert. Beispielsweise in Schleiden, an den Berufskollegs, an den Förderschulen und der Marienschule. Weil dort die Sporthalle noch auf unbestimmte Zeit nicht genutzt werden kann, verteilt sich der Sportunterricht auf diverse Standorte. „Die Kollegen und Schüler sind am Limit“, so Mombaur. Am Johannes-Sturmius-Gymnasium ist erst vor wenigen Wochen die Sporthalle wieder freigegeben worden.

Corona-Pandemie

„Die Corona-Pandemie hat Spuren hinterlassen. Bei allen Beteiligten“, sagt Eva Balduin, Leiterin der Gesamtschule in Blankenheim. Teilweise stünden Lehrer mehr auf dem Flur, um Probleme zu lösen und Dinge zu klären als vor der Klasse. Zudem sei festzustellen, dass Schüler nicht mehr so belastbar seien. „Und nicht mehr so beweglich. Die Koordination hat in dieser Zeit noch einmal mehr gelitten“, sagt eine Sportlehrerin.

Lernen und Lehren

„Wir lehren einige Dinge, die Kinder nicht brauchen, und wir lernen an der Uni Dinge, die wir nicht brauchen. Und vor allem werden wir nicht auf den Beruf vorbereitet“, sagt Claudia Arens, Lehrerin an der Gesamtschule Weilerswist: „Das Bildungssystem ist 100 Jahre alt und hat sich nicht weiterentwickelt. Die Gesellschaft aber alleine in den vergangenen drei Jahren ungemein.“

Entsprechend müsse das System angepasst werden. Beispielsweise durch das Fach „Fit for Life“. Auf dem Lehrplan müssten Handwerk und Finanzen stehen. Oder auch der Umgang mit Social Media.

Lehrermangel

Den gibt es laut vieler Schulleitungen nicht, dennoch müsse improvisiert werden. Beispielsweise, wenn Lehrerinnen schwanger werden. An der Gesamtschule Blankenheim denkt man deshalb mehr oder weniger laut über eine Schul-Kita nach.


Ab 2026 besteht ein Rechtsanspruch für einen OGS-Platz

„Für Hühner gibt es in Deutschland eine Verordnung, wie groß der Käfig sein muss – aber für Kinder und Schulklassen gibt es die nicht“, sagt Torsten Wanasek, Leiter der Hermann-Josef-Grundschule in Euskirchen. Wie an vielen Grundschulstandorten herrscht auch am Keltenring Raumnot. Ein geplanter Anbau ist nach der Flutkatastrophe laut Wanasek in der Prioritätenliste nach hinten gerückt. „Dafür habe ich großes Verständnis“, sagt der Grundschulchef, verweist aber darauf, dass er seit Jahren keinen Fachraum mehr habe, weil diese als Klassenräume benötigt werden. Die Euskirchener Grundschule steht stellvertretend für einige Grundschulen im Kreis. Ähnlich wie bei weiterführenden Schulen muss zusammengerückt werden. Oder es ist dank Containerlösungen der größte Druck vom Kessel. Doch der könnte schneller steigen, als den Verantwortlichen lieb ist.

Die Stühle sind einer Schule auf die Tische gestellt.

In den Grundschulen droht weitere Raumnot.

Der Grund: Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in der Offenen Ganztagsschule (OGS) wird kommen. Mit dem Ganztagsförderungsgesetz soll eine Betreuungslücke geschlossen werden, die nach der Kita-Zeit für viele Familien klafft, wenn die Kinder eingeschult werden. Die Bundesregierung hatte das Vorhaben für mehr Vereinbarkeit und mehr Chancengerechtigkeit in der Bildung vor drei Jahren auf den Weg gebracht. Ab August 2026 sollen zunächst alle Grundschulkinder der ersten Klassenstufe einen Anspruch erhalten, ganztägig gefördert zu werden. Der Anspruch wird in den Folgejahren um je eine Klassenstufe ausgeweitet. Damit hat ab August 2029 jedes Grundschulkind der Klassenstufen eins bis vier einen Anspruch auf ganztägige Betreuung. Damit dies Wirklichkeit werden kann, müssen bis 2026 zusätzliche Plätze geschaffen werden. Den erforderlichen Ganztagsausbau unterstützt der Bund mit Finanzhilfen in Höhe von bis zu 3,5 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur. (tom)


Die Serie: Sind Schulen im Kreis Euskirchen Problemzone oder Wohlfühlort? Welche Herausforderungen gilt es zu meistern und wie gut ist die Digitalisierung an den Schulen wirklich? Und was ist eigentlich ein Bündelungsgymnasium? Sind Hauptschulen nötig? Fragen, die die Redaktion in mehreren Teilen beantwortet und dabei einen Blick übers Vokabelheft hinauswirft. (tom)


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