Mit selbst produziertem Strom die eigenen Energiekosten senken: Diese Idee findet auch im Kreis Euskirchen immer mehr Anhänger.
PhotovoltaikAuch im Kreis Euskirchen boomen derzeit die Balkonkraftwerke
Was tun gegen steigende Energiepreise? Eine Möglichkeit: weniger verbrauchen. Dieser Ratschlag hilft jedoch all jenen nicht weiter, die schon vorher darauf bedacht waren, keine Energie zu verschwenden. „Die andere Möglichkeit: selbst Energie produzieren“, sagt Dirk Heiden. Auf Einladung des SPD-Kreisverbands Euskirchen informierte der Rheinbacher bei einer Vortragsveranstaltung im Casino in Euskirchen über das Thema Balkonkraftwerke.
Ein Balkonkraftwerk (auch „Guerilla-PV“ oder „Stecker-PV-Anlage“) ist eine Mini-Solar-Anlage, die mit einem Stecker an das Stromnetz von Haus oder Wohnung angeschlossen wird. Der produzierte Strom kann unmittelbar für den eigenen Bedarf genutzt werden. Es besteht aus ein oder zwei Solar-Modulen, und der dazugehörige Wechselrichter darf eine Leistung von maximal 600 Watt nicht überschreiten.
Dass es sich dabei längst nicht mehr um ein Nischenthema für technikbegeisterte Nerds und Tüftler handelt, machte der Ansturm der Zuhörenden deutlich: Rund 120 Besucherinnen und Besucher waren zu dem Vortrag gekommen. „Seit dem vergangenen Jahr gibt es eine enorme Nachfrage nach solchen Balkonkraftwerken“, berichtet Heiden.
Wie viele Anlagen gibt es schon?
Aus den Daten des Marktstammdatenregisters weiß Heiden, dass es aktuell im Kreis Euskirchen 184 solcher Mini-PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 120 kW gibt. Im Jahr 2022 sind demnach Anlagen mit 78 kW Leistung installiert worden und seit Anfang des Jahres noch einmal weitere 19 kW. „Und das sind nur die Anlagen, die offiziell angemeldet worden sind“, so Heiden.
Er gehe davon aus, dass es noch wesentlich mehr Nutzer gibt, die ihren eigenen Strom selbst verbrauchen. Auch Horst Nikolai vom Verein Windenergie Nordeifel in Gemünd kann den Boom bestätigen: „Unser Verein hat im vergangenen Jahr ein Förderprogramm aufgelegt, um Bürger bei der Anschaffung finanziell zu unterstützen. Mehr als 80 Interessenten haben sich gemeldet.“ Letztlich habe man den Bau von 30 Anlagen mit jeweils 100 bis 150 Euro bezuschusst. „Mehr konnten wir leider nicht leisten“, so Nikolai.
Was bringt das?
Energieautark wird man mit einem Balkonkraftwerk nicht. „Aber es hilft, die eigene Stromrechnung zu reduzieren“, sagt Heiden. Wichtig sei die Ausrichtung der Solar-Module. „Im Sommer kann ich rund die Hälfte meines Strombedarfs selbst produzieren, im Winter entsprechend weniger“, so Heiden.
Eine Ausrichtung mit einem Winkel von 30 Grad in südliche Richtung sei optimal für den Ertrag, aber nicht Voraussetzung: „Es kann auch sinnvoll sein, ein Modul nach Osten und eins nach Westen auszurichten, dann verteilt sich die Produktion über den ganzen Tag“, sagt Heiden. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin hat einen „Stecker-Solar-Simulator“ entwickelt, mit dem man Ertrag und Kosten durchrechnen kann.
Was kostet eine Anlage?
Im Handel werden Komplett-Sets mit ein oder zwei PV-Modulen, dem Wechselrichter und Anschlusskabeln angeboten, die zwischen 500 und 700 Euro kosten. Bei den aktuellen Strompreisen könne man von einer Amortisationszeit von rund vier Jahren ausgehen. „Weil die PV-Module eine Lebensdauer von mindestens 20 Jahren haben, profitiert man entsprechend lange von der Einsparung.“ Im Vergleich zum Vorjahr ist die Verfügbarkeit aktuell wohl besser. „Wer sich für eine Anlage interessiert, sollte jetzt tätig werden und nicht warten, bis im Frühjahr wieder mehr Leute an Solarstrom denken“, rät Heiden.
Wer kann das nutzen?
Wer ein Eigenheim hat, kann sofort loslegen. „Als Mieter benötigt man die Zustimmung des Hauseigentümers, und in einer Eigentumswohnung sollte die Eigentümergemeinschaft befragt werden“, sagt Heiden. Montiert werden können die Module auf dem Dach von Haus, Garage oder Schuppen, auf einer Euro-Palette im Garten, an der Balkonbrüstung oder sogar flächig an der Hauswand.
Gibt es Voraussetzungen?
Balkonkraftwerke eignen sich nicht als Insellösung: „Der Wechselrichter benötigt einen Stromanschluss, sonst funktioniert er nicht“, so Heiden. Die Elektroinstallation des Hauses sollte in gutem Zustand sein. „Angst muss man aber nicht haben: Steckersolar-Geräte sind grundsätzlich sicher“, sagt der Rheinbacher.
Eine Anmeldung beim Netzbetreiber (Westnetz) und die Eintragung ins Marktstammdatenregister sind online möglich. „Sollte der Netzbetreiber einen neuen Zähler mit Rücklaufsperre installieren wollen, muss er diese Kosten selbst tragen“, so Heiden. Wird mehr Strom produziert, als man selbst aktuell verbraucht, fließt dieser ohne Einspeisevergütung ins öffentliche Netz ab.