Die Strukturen der Kirchengemeinden im Bistum Aachen werden verändert. Die Praktiker vor Ort warten jedoch noch auf weitere Informationen.
Reform im Bistum AachenVom Umbruch ist vor Ort in der Eifel noch nichts zu spüren
„Aus Raider wird Twix, sonst ändert sich nix.“ So hieß es 1991, als der Name des beliebten Schokoriegels umgewandelt wurde. Bei der Katholischen Kirche im Bistum Aachen scheint es derzeit ähnlich zu sein. Denn seit dem 1. Januar sind die Gläubigen nicht mehr in GdGs organisiert, den Gemeinschaften der Gemeinden, sondern in Pastoralen Räumen. Doch zumindest im Süden des Kreises Euskirchen geht alles so weiter wie bisher: Die gleichen Grenzen, das gleiche Personal, die gleichen Gremien. Zumindest erst einmal. Aber im Hintergrund sind die Umwälzungen bereits im vollen Gange.
Im Jahr 2017 startete der Aachener Bischof Helmut Dieser den „Heute bei Dir“-Prozess. Hinter dem Titel verbirgt sich eine tiefgreifende Strukturreform, mit der die Katholische Kirche im Bistum zukunftsfähig gemacht werden soll. Denn die Probleme, denen sie sich stellen muss, sind mannigfaltig. Die Mitgliederzahlen sinken rapide, nicht zuletzt infolge der immer wieder bekannt werdenden Missbrauchsfälle. Damit verbunden sind natürlich sinkende Einnahmen aufgrund geringerer Kirchensteuern. Aber auch die Zahl der hauptamtlichen Mitarbeiter geht zurück, Priester werden immer älter, gehen in Rente oder versterben – aber nur wenige kommen nach. Die Folge ist, dass immer weniger Pfarrer für immer weniger Gläubige zuständig sind.
Kirche ist ein wichtiger Arbeitgeber und unterhält zahlreiche Immobilien
Doch die Katholische Kirche ist weit über die Pfarrer hinaus zum einen ein wichtiger Arbeitgeber, zum anderen müssen Immobilien unterhalten werden. Pfarrhäuser, die zunehmend leer stehen, aber auch Kapellen und Kirchen, die deutlich weniger häufig genutzt werden, stellen eine Hypothek für die Zukunft dar.
Die Lösung, die das Bistum Aachen gemeinsam mit Ehrenamtlern in dem Strukturprozess ausgearbeitet hat, beinhaltet die Zusammenlegung von Pfarrgemeinden, so dass die verbleibenden Priester ein größeres Gebiet zu betreuen haben. Gut umzusetzen ist das in einem städtisch geprägten Gebiet wie in Aachen, durchaus problematisch ist es hingegen in der Eifel, wo zum Beispiel in der GdG Hellenthal-Schleiden zwischen Gemünd und Losheim mal eben 32 Kilometer liegen. Nicht zufällig haben sich daher besonders im Südkreis Euskirchen die Gremien dafür entschieden, dass die Pastoralen Räume den bisherigen GdGs entsprechen. Anders sieht es dagegen in den anderen Bereichen des Bistums aus: Insgesamt wurden zum Jahreswechsel aus 71 GdGs 44 Pastorale Räume.
Doch nun geht es an die konkrete Ausgestaltung dieser Pastoralen Räume, auch wenn aus Aachen dazu noch nichts zu hören ist. „Ich bin zwar als GdG-Leiter entpflichtet worden, habe aber noch keine Urkunde bekommen, dass wir jetzt Pastoraler Raum sind“, sagt etwa Wieslaw Kaczor, Eifeler Regionaldekan und Pfarrer in Steinfeld. Dabei gehen die Veränderungen in die Tiefe der bisherigen kirchlichen Struktur. Zusammenschlüsse der Kirchen- und Pfarrgemeinden werden vom Bistum gefordert. Einer bis drei sollen es pro Pastoralem Raum sein, so die bischöfliche Vorgabe, so dass am Ende aus 326 Pfarreien und Kirchengemeinden höchstens 75 werden.
Mechernicher Pfarrer drängt auf die Erprobung der neuen Gremien
Wie Kirche sich in Zukunft präsentiert, wird derzeit von Haupt- und Ehrenamtlern in den Pastoralen Räumen erarbeitet. In Mechernich drückt Pfarrer Erik Pühringer auf das Tempo, denn er möchte, dass neue Gremien wie der Rat des Pastoralen Raumes in der Praxis erprobt werden können, bevor sie 2026 fest installiert werden. In der ehemaligen GdG sollen aus zwei Kirchen- und Pfarrgemeinden eine werden, so die Stimmungslage der Beteiligten. Ende des Monats solle die Entscheidung fallen, so Pühringer.
Die Zusammenlegung von Kirchengemeinden hat auch zu Widerspruch geführt. So hat die Initiative „Kirche bleibt hier“ vor Weihnachten einen Brief von Bischof Dieser an 75 Kirchenvorstände in Herzogenrath veröffentlicht, in dem dieser bestätigt, dass Kirchengemeinden nicht auf seine Initiative aufgehoben werden sollten. Damit geht er auf die Kritik von „Kirche bleibt hier“ ein, die in einem Brief an Rom formuliert wurde, bestätigt aber seine Pläne.
Wenn aus den bestehenden Kirchenvorständen ein Kirchengemeindeverband gegründet würde, der alle Kirchengemeinden eines Pastoralen Raumes umfasse, sehe er keine Notwendigkeit, die Trennung von Pfarreien und Kirchengemeinden aktiv herbeizuführen. „Ich habe die Hoffnung, dass diese Zusammenarbeit (…) Sie zu der Erkenntnis führt, dass der Zusammenschluss zu einer bzw. maximal drei Kirchengemeinden bzw. Pfarreien auf der Ebene eines Pastoralen Raumen sinnvoll ist (…)“, schreibt der Bischof. Planungs- und Einsatzgröße des Personals und der bistümlichen Unterstützung, also Geld und Mitarbeiter, werde aber die Ebene des Pastoralen Raumes werden.
Denn vor allem in der Eifel reichen die Erträge der Fabrikfonds, von denen die Kirchenimmobilien traditionell unterhalten werden, kaum aus, um dauerhaft die Vielzahl der Kirchengebäude zu sichern. Diese Gelder werden bislang von den Kirchengemeinden vor Ort verwaltet. Dieser Teil der Reform wird derzeit noch erarbeitet. „Das sollen wir bis Ende des Monats vom Bistum erfahren“, so Wieslaw Kaczor.
Kirchen in der Eifel stehen derzeit nicht zur Disposition
Wie wird Kirche in Zukunft aussehen? Neue Strukturen bilden sich, und dadurch gibt es auch Sorgen um die Zukunft der Kirchen in den Dörfern. So wurde jüngst die Nachricht kolportiert, dass die Kirche in Rescheid geschlossen werden solle. „Totaler Unsinn, auch was Udenbreth angeht“, sagt der Schleidener Pfarrer Thomas Schlütter, der auch für die Orte zuständig ist, dazu. Er wisse zwar nicht, wer das lanciert habe, doch es sei grober Unfug. Es habe in Rescheid sogar eine Vereinsgründung gegeben, bei der es um die langfristige Sicherung der Kirche und der anderen Gebäude gegangen sei.
An der Zahl der Kirchen im Raum Schleiden und Hellenthal solle derzeit nichts geändert werden, der Gottesdienstplan werde weiter fortgeführt. „Ob eine Kirche offen ist, hängt nicht von einer Eucharistiefeier ab“, betont Schlütter. Denn die Zahl der Messfeiern, die von den Priestern angeboten werden können, ist begrenzt. „Ich habe vier Priester zur Verfügung, davon gehen zwei auf die 90 Jahre zu. Und es wird nichts nachkommen“, deutet er unmissverständlich an, wie die Zukunft der Kirche in der Eifel aussehen wird.
Der jetzige Status sei angesichts dessen nicht auf ewig zu halten. „Es muss jedem klar sein, dass wir am Ende sind. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand, wir sind pleite“, sagt er über die Situation der Katholischen Kirche. Die Zahl von 17 Kirchen und Kapellen sowie die Pfarrhäuser im Pastoralen Raum Schleiden/Hellenthal könne die Kirche sich nicht mehr lange leisten. Und doch: „Wir werden keine Kirche wegen fehlendem Geld schließen, keine Kirche steht zur Disposition“, betont er. Das sei auch der Fall, wenn dort nicht regelmäßig Messfeiern stattfinden würden. Stattdessen könnten Andachten gefeiert werden, deutet er eine Alternative an.