Die Mitglieder der Rehkitzrettung im Kreis Euskirchen sind mit ihren Drohnen unterwegs, um Jungtiere vor den Mähmaschinen zu bewahren.
Suche mit DrohnenVerein im Kreis Euskirchen rettet Rehkitze vor Mähdreschern
Das ist definitiv ein Ehrenamt für Frühaufsteher. Treffpunkt 5.30 Uhr am Ortsrand von Nöthen, und die Kitzretter sind gut gelaunt. Sie wissen: In zwei Stunden, wenn andere Leute gerade aufstehen, haben sie Gutes getan. Sie haben das Leben junger Wildtiere gerettet. Drei Teams verteilen sich an diesem Morgen in der Feldflur rund um Nöthen. Ihr Einsatz ist mit den jeweiligen Landwirten und Jagdpächtern abgesprochen, Kreisbauernschaft und Kreisjägerschaft stehen hinter der Arbeit des Vereins Rehkitzrettung Kreis Euskirchen.
Ein Hauch von Morgennebel steigt aus den Tälern auf, die ersten Sonnenstrahlen wärmen schon. Nur der Gesang der Vögel ist zu hören. Carina Schneider wartet schon, sie hat das Jagdrevier dort mit ihrem Mann gepachtet und die Kitzretter bestellt. Neben zwei erwachsenen Helfern hat sie ihren Sohn Noah dabei, der Elfjährige ist für den Tag offiziell von der Schule beurlaubt. Und hat offenbar kein Problem mit dem Frühaufstehen.
Rehkitzretter suchen die Jungtiere mit ihren Drohnen
Bernd Osterthun macht seine Drohne startklar. Der 58-jährige Berufssoldat ist Schriftführer des Vereins, aber auch mit einem eigenen Fluggerät im Einsatz. In der Wiese, die heute gemäht werden soll, stellt er einen Klapptisch auf: einen mobilen Start- und Landeplatz sozusagen.
Er programmiert die Fläche ein, die abgeflogen werden soll. Eingreifen muss er eigentlich nur bei Start und Landung, einmal in der Luft, findet die Drohne ihren Weg allein und fliegt das Terrain exakt so ab, dass der Wärmebildkamera kein Stückchen entgeht.
Ganz ohne den Mann am Boden geht es aber nicht. Auf dem Display sieht Osterthun warme Stellen im hohen Gras, dann ist es an ihm, mit der Kamera – und viel Erfahrung – zu entscheiden, ob er die Helfer losschickt. Je höher die Sonne steigt, desto öfter erscheinen Flecken auf dem Display. Offenbar gibt es eine bestimmte Pflanze in der Wiese, die mehr Wärme speichert als andere.
Endlich entdeckt er ein Tier, allerdings kein Rehkitz, sondern eine Wildkatze, die auf der Suche nach einer Maus zum Frühstück durch die Wiese streift. Der Kitzretter ist sich sicher, dass es sich nicht um einen stattlichen Hauskater handelt. Tatsächlich ist auf dem Display deutlich der buschige Schwanz mit den schwarzen Bändern zu sehen. Er gilt als typisches Merkmal der Wildkatze, die vor Jahrzehnten fast ausgestorben war, mittlerweile aber wieder in der Eifel heimisch ist.
Auch im Kreis Euskirchen findet die Mahd dieses Jahr später statt
In diesem Jahr ist wetterbedingt einiges anders als sonst. „Ich habe lange keinen Junghasen gesehen“, sagt Osterthun. Auch den würden die Kitzretter an den Rand der Wiese tragen: „Wir lassen auch die Kleinsten nicht im Stich.“ Weil die Wiesen nass waren, werden viele erst jetzt gemäht.
Die Rehkitze, im Mai oder Anfang Juni geboren – im Fachjargon: gesetzt –, sind jetzt schon deutlich mobiler als vor vier Wochen. Für die Helfer bedeutet das, dass die Klappkisten, in denen sie die winzigen Tierkinder in Sicherheit bringen, seltener zum Einsatz kommen. Mittlerweile sind die meisten Kitze so groß, dass man sie wegscheuchen kann.
Die Ricke, also das Muttertier, lässt den Nachwuchs in der Wiese zurück, wenn sie auf Futtersuche geht. Droht Gefahr, drückt sich das Kitz regungslos an den Boden. Eine Taktik, die gegen Fressfeinde hilft, aber nicht gegen Kreiselmäher oder Mähdrescher. Wenn die Wiese gemäht ist, legen die Helfer das Kitz am Rand ab. Die Mutter findet es wieder.
2023 hat der Verein im Kreis Euskirchen 118 Rehkitze gerettet
Allmählich drängt die Zeit. Nicht nur, weil das Brummen des Traktors ankündigt, dass der Landwirt zum Mähen kommt, sondern auch, weil der Akku der Drohne nicht mehr lange durchhält. Gut 6000 Euro kostet das Fluggerät samt Kitzrettersatz, dazu gehören Kamera und Wärmebildkamera. Fünf Exemplare gehören dem Verein, eines stellt die Kreisjägerschaft zur Verfügung, zwei Piloten fliegen eigene Drohnen. Sie brauchen eine Pilotenlizenz und müssen beim Bundesluftfahrtamt registriert sein.
Dass Jäger Kitze retten und Rehe schießen, ist für Carina Schneider kein Widerspruch. „Wir bewahren die Kitze vor einem qualvollen Tod“, sagt die Jagdpächterin. Ihr Mann habe im vergangenen Jahr kein einziges Stück Rehwild erlegt, erzählt sie – er habe sie ja gewissermaßen alle in seinen Händen gehalten, habe er gesagt. 118 Kitze haben die Ehrenamtler des Vereins Rehkitzrettung Euskirchen im vergangenen Jahr eingesammelt und wieder freigelassen. Allein im Revier der Schneiders wurden 34 gerettet. Diesmal wird keines gefunden.
Die Drohne ist nach rund 40 Minuten Flug wieder sicher auf dem Klapptisch gelandet. Bernd Osterthun verstaut das kostbare Gerät und füllt ein Protokoll aus. Das kann für den Landwirt wichtig werden. Wenn ein Kitz ausgemäht wird – 100-prozentige Sicherheit gibt auch der Drohneneinsatz nicht – und jemand Anzeige erstattet, muss er belegen, dass er alles Zumutbare getan hat, um den Unfall zu vermeiden.
Christoph Blindert fährt jedenfalls mit einem besseren Gefühl auf die Wiese. Mit dem Einsatz der Kitzretter sei letztlich allen geholfen, findet er: „Wir wollen doch keine Tiere verletzen.“ Dann wirft er nicht nur das Mähwerk an, sondern schaltet auch den Wildretter ein. Aus einem Kästchen dringt ein schriller Ton, der die Tiere verscheuchen soll. Das funktioniert allerdings nur bei erwachsenen Rehen mit Fluchtinstinkt. Mit der morgendlichen Stille ist es jedenfalls endgültig vorbei.
Kitzretter feuen sich über Spenden
Rehkitzrettung Kreis Euskirchen ist ein eingetragener Verein. Er ist 2022 aus einer Privatinitiative heraus gegründet worden, mittlerweile hat er rund 80 Mitglieder. Die Arbeit des Vereins ist ehrenamtlich, bezahlen müssen Landwirte oder Jagdpächter für den Einsatz der Kitzretter nichts. Da die Technik sehr aufwendig ist, sind die Kitzretter allerdings auf Spenden angewiesen – zumal sie ihren Einsatz gern weiter ausweiten möchten, um noch mehr Tiere zu retten. Buchen kann man ihren Einsatz über die Website des Vereins.