Ein Franziskanermönch gründete vor 44 Jahren die „Strippkes Trekker“, das Marionettentheater im Kloster Vossenack in der Nordeifel.
FigurentheaterWie Ordensbruder Wolfgang in der Nordeifel zum „Strippenzieher“ wurde
Mäxchen Maus schaut nach oben. Dahin, wo der Franziskanermönch Bruder Wolfgang Mauritz sie gerade über das Ziehen des richtigen Fadens am Spielkreuz animiert hat. So nennt man die Aktivierung eines Materialbündels aus Stoff, Holz und einer modellierten Masse aus Holzmehl und Wasser. Erwachsene bewundern die Kunstfertigkeit des Mannes am Spielkreuz. Doch die Kinder sehen Mäxchen Maus, wie es nach oben schaut oder ihnen mit den kleinen Pfoten zuwinkt. Für sie ist es kein Materialbündel oder eine Marionette, sondern eine Maus, die sprechen kann.
Bruder Wolfgang Mauritz, 68, ist der Prinzipal und damit der oberste Strippenzieher des Marionettentheaters „Strippkes Trekker“ (Strippenzieher auf Niederdeutsch), das im Kloster-Kultur-Keller des Franziskanerklosters in Vossenack vor 44 Jahren gegründet wurde. Er leitet die kleine Bühne des „Anderen Theaters“.
So nennt man traditionelles Puppentheater und die weiterführenden Gattungen: Handpuppenspiel, Schattentheater sowie verschiedene Stab- oder Stockfigurentheater (das Kölsch Hänneschen ist da das wohl bekannteste in der Region). Weltweit hat dieses Spiel mal aus animistischen Gründen, mal zur Unterhaltung, mal als Mittel der Pädagogik eine lange Tradition.
Die große Bühne für Bruder Wolfgang steht im „Palazzo Puppazzi“
Hier, im niedlichen Palazzo Puppazzi, dem Theater mit seinen 56 Sitzplätzen, ist Bruder Wolfgang in seinem Element. „Das haben wir alles selbst gebaut“, sagt er stolz. 60 bis 70 Zentimeter sind die Marionetten groß, die in der Requisite auf ihren Einsatz warten. Sie stammen aus Produktionen wie „Der kleine Prinz“, mit dem die Strippkes-Treker-Bühne 1985 bekannt wurde. Nudo, ein Puppenspiel über das Leben des heiligen Franziskus (2013), wurde ebenfalls viele Male aufgeführt. „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ nach Jules Verne ist die jüngste große Produktion des im Kern elfköpfigen Ensembles.
„Da sind viele junge Leute dabei“, freut sich Bruder Wolfgang. Ihm geht es darum, nach 44 Jahren den nötigen Generationenwechsel einzuleiten. Maja Blümer, 21, die das Marionettenspiel und den Figurenbau zuerst über einen Kurs am Gymnasium kennengelernt hat, wird als seine Nachfolgerin aufgebaut.
Ein Gebäude weiter erklärt Bruder Wolfgang in der Puppenbauwerkstatt den Aufbau seiner Marionetten: Weiches Holz der Sommerlinde, das sich gut schnitzen lässt, wird für den Körper verwendet. Der Kopf wird aus einer angesetzten Holzmehl-Wasser-Mischung modelliert. Mit Toilettenpapier wird kaschiert, mit Gouachen die Farbe aufgetragen. So ist auch etwa das kleine Teufelchen entstanden, das die jungen Theaterbesucher besonders lieben.
Elf Eifeler Marionettenspieler gehören zum Team des Figurentheaters
Das Spielkreuz in zwei Varianten für die elf nebenberuflichen Marionettenspieler aus der Region, die das Ensemble bilden, hat Bruder Wolfgang nach den Vorgaben des legendären Puppenbauers Fritz-Herbert Bross entwickelt. Im Bootsbedarf entdeckte er mechanische „Gelenke“, die für das Bewegen der Arme gut geeignet sind. Mehrere Sätze Bohrer stehen fein säuberlich geordnet in einer Kiste. Es muss exakt gearbeitet werden, um etwa die Halterungen der Extremitäten passgenau anzubringen. „Wie viele Fäden wir brauchen, entscheidet sich danach, was die Marionette können soll“, erklärt der Theaterleiter.
Im Kreativo im ehemaligen Internatstrakt sind Werkstätten und das Experimentiertheater. Gerade ist einer der ganz großen deutschen Figurenbildner, Norman Schneider aus Sassenberg, zu Gast. Seine Kunden sind internationale Konzerne, aber auch der MDR mit seinem Sandmännchen und der KiKa-Fernsehkanal, mit dem Schneider gerade einen Grimme-Preis gewonnen hat. Schneider unterrichtet eine Gruppe im Klappmaulfigurenbau. Schaumstoff, textile Oberflächen und Kraftkleber werden gebraucht. „Und vor allen Dingen viel nähen in Handarbeit“, so Karin Ronig, Inhaberin der Buchhandlung Babalu in Vossenack, die dort auch Figuren verkauft und wissen will, wie eine Klappmaulfigur wirklich funktioniert.
Schätze aus der Welt des Figurentheaters sind in Vossenack zu sehen
In Vitrinen im Obergeschoss stellt Bruder Wolfgang aus, was die Welt des Figurentheaters ausmachen kann, was er erworben, geschenkt oder gestiftet bekommen hat. Im Einzelfall können besonders alte und seltene Figuren wie die des indonesischen Schattentheaters aus Esels- oder Ziegenhaut einen deutlich fünfstelligen Euro-Wert haben. Andere Figurenschätze sind traditionelle chinesische Stabfiguren oder etwa ein am massiven Holzstab geführter Klappmaul-Drache der historischen Opera dei Pupi aus Sizilien. Er besitzt zudem einen Satz historischer Figuren des legendären Hohnsteiner Kasper von Max Jacob.
Das Marionettentheater ist eben seine Mission, vielleicht auch ein wenig seine Obsession. Hat diese Welt aber eine Zukunft? Die Kulturförderung ist ein Zweck der Franziskus-Stiftung, Träger des Kloster-Kultur-Kellers. Hält sie ihr Bekenntnis zum Theater aufrecht? Eine Entscheidung soll noch in diesem Jahr fallen. Unterdessen spielen die „Strippkes Trekker“ ihr Sommer-Herbst-Programm mit Live-Musik, Autorenlesung und dem Figurentheater-Festival im November. Das aktuelle Programm ist im Internet einsehbar.
Zur Person
Bruder Wolfgang Mauritz ofm stammt vom Niederrhein. Der 68-Jährige hat sich den Marionettenbau als Autodidakt in Baukursen und Workshops selbst beigebracht, immer bei den Meistern ihres Faches.
Als er als Franziskaner nach Vossenack kam, hier war er 32 Jahre Erzieher der Unterstufe des Internats, hat er mit Schülern die Bühne aufgebaut, die in der Szene der traditionellen Puppenspieler schon lange einen Namen hat. Größen des Marionettenfaches wie der verstorbene Albrecht Roser aus Stuttgart, Regina Wagner aus Berlin oder der Niederländer Erik Steekstra waren hier zu Gast. Bekannte stationäre Bühnen kommen zu Gastspielen.
„De Strippkes Trekker“ ist seit Jahrzehnten Mitglied der deutschen Sektion der UNIMA, des Weltverbandes der Puppenspieler. Bruder Wolfgang ist Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft NRW des Figurentheaters, Maja Blümer Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft im Bezirksverband Aachen.
Zum Theater
In die Räume der ehemaligen Klosterküche ist man 2007 eingezogen. Es gibt die Bühne – technisch auf dem neuesten Stand –, das Café Mäxchen, eine kleine Theaterkasse, das „Klosterlädchen“. Lesungen, Konzerte und eben Marionettentheater stehen auf dem Spielplan.
Träger des Angebotes ist die Franziskus-Stiftung, die zusammen mit Spenden und Einnahmen aus dem Kartenverkauf den Kloster-Kultur-Keller finanziert. Die Theaterräume sind Teil eines Gebäudekomplexes des Franziskus-Gymnasiums, ebenfalls in Trägerschaft der Stiftung, und des Ende 2023 geschlossenen Internates. Rund 90 vor Kriegen Geflüchtete hat die Gemeinde Hürtgenwald mittlerweile hier untergebracht. Aus dem „Franziskus Internat“, wie es über dem Eingang stand, wurde das „Franziskus International“.
Fünf Brüder klein ist die Vossenacker Ordensgemeinschaft mittlerweile, deren Guardian Bruder Wolfgang ist.