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Zwei Jahre nach der FlutWie die Starkregengefahrenkarte im Kreis Euskirchen helfen soll

Lesezeit 5 Minuten
Ein Mann in einer gelben Warnjacke trägt im Regen einen Sandsack von einem Stapel zu einem Tor.

Wer weiß, wie hoch das Wasser im Extremfall steigen könnte, kann sich besser vor Starkregenereignissen schützen.

Wie wirken sich Starkregenereignisse auf meine Straße aus? Das will die neue Starkregengefahrenkarte für den Kreis Euskirchen zeigen.

Rechtzeitig zum zweiten Jahrestag der Flutkatastrophe vom Juli 2021 sind die Starkregengefahrenkarten, die der Kreis Euskirchen für das gesamte Kreisgebiet erstellt hat, nun verfügbar: Über das Hochwasserportal auf der Internetseite der Euskirchener Kreisverwaltung kann man sich detailliert anschauen, welche Auswirkungen verschiedene Starkregenereignisse auf den eigenen Wohnort, die eigene Straße oder sogar das eigene Grundstück haben.

„Diese Karten allein schützen noch kein Gebäude und auch kein Menschenleben“, sagte Landrat Markus Ramers bei der offiziellen Präsentation der Karten im Euskirchener Kreishaus: „Aber sie sind eine wertvolle Grundlage für eigene Schutzmaßnahmen.“

Flut 2021: Bis zu 200 Liter Regen pro Quadratmeter

Man habe drei unterschiedliche Szenarien für die Karten zugrunde gelegt: „Neben einem außergewöhnlichen Starkregenereignis mit mehr als 40 Litern Niederschlag in einer Stunde sind dies auch ein extremes Starkregenereignis mit 90 Litern sowie eine Simulation der Ereignisse vom 14. Juli 2021“, führte Achim Blindert aus. Er war als Wiederaufbaukoordinator der Kreisverwaltung eng in den Prozess mit eingebunden war.

Zur Erinnerung: Damals fielen in Teilen des Kreises Euskirchen bis zu 200 Liter Regen pro Quadratmeter. „Allerdings nicht in einer Stunde, sondern auf den Zeitraum von 6 bis 22.30 Uhr verteilt“, so Projektleiterin Sarah Nolting.

Kreis Euskirchen hat Hochwasserexpertin eingestellt

Nolting ist eine echte Hochwasserexpertin: Die gebürtige Euenheimerin hatte sich nach der Flutkatastrophe initiativ bei der Kreisverwaltung um einen Job beworben. Im Rahmen der Abschlussarbeit ihres Geografiestudiums hat sie einen Algorithmus entwickelt, der aufschlüsselt, wie viele Menschen tatsächlich von einem Hochwasser betroffen wären. Fachwissen, das jetzt auch in die Erstellung der neuen Starkregengefahrenkarte mit eingeflossen ist.

Eine Frau sitzt vor einem großen Bildschirm, auf dem eine Karte zu sehen ist. Sie trägt ein schwarz-weißes Oberteil und hat lange braune Haare.

Als Projektleiterin hat sich Sarah Nolting im vergangenen Jahr maßgeblich mit der Erstellung der Starkregengefahrenkarten für den Kreis Euskirchen befasst.

Die nun verfügbaren Karten sind interaktiv: Der Nutzer kann nach einem Ort oder einer bestimmten Adresse suchen und sich die Auswirkungen der verschiedenen Starkregenszenarien anschauen. „Die Simulation zeigt nicht nur die zu erwartenden Wassertiefen, sondern in einer grafischen Animation auch die Fließrichtung des oberirdisch ablaufenden Regenwassers an“, sagt Nolting: „Das kann auch eine wichtige Information sein, wenn man sich überlegt, wie man sein Haus am besten schützen kann“, so die 30-Jährige.

„Man sollte jetzt aber nicht einfach loslegen und eine Mauer um sein Grundstück hochziehen“, warnt Achim Blindert: Um herauszufinden, welche persönlichen Schutzmaßnahmen sinnvoll seien, sollte man einen Gutachter hinzuziehen.

Auch Ereignisse aus Flutnacht sollen simuliert werden

Blindert betont, wie wichtig es der Kreisverwaltung gewesen sei, eine kreisweite Starkregengefahrenkarte zu erstellen, denn eigentlich liege das im Zuständigkeitsbereich der Kommunen. „Aber weil das Wasser weder an Gemeinde- noch an Kreisgrenzen haltmacht, haben wir uns mit den Städten und Gemeinden darauf geeinigt, dass wir diese Aufgabe übernehmen“, so Blindert.

Die Kosten in Höhe von rund 183 000 Euro wurden vom Land NRW mit 85 000 Euro gefördert. „Das Projekt ist etwas teurer geworden, weil wir zusätzlich zu den beiden vom Land geforderten Szenarien mit mehr als 40 und 90 Litern Regen auch das Ereignis von 2021 in der Karte darstellen wollten“, ergänzte Landrat Ramers: „Denn jeder, der das miterlebt hat, hat eine konkrete Vorstellung, wie das damals war und kann die Daten der Karten daher leichter nachvollziehen.“

Keine Abbildung von Fluss- und Bachläufen

Eines sind die Starkregengefahrenkarten allerdings nicht, betont Nolting: Eine exakte Abbildung der tatsächlichen Überschwemmungen vom 14. und 15. Juli 2021. „Die Daten der Fließgewässer haben wir für die Karten nicht berücksichtigt. Es geht allein um die Folgen besonders starker Niederschläge“, so die Expertin. Die Fluss- und Bachläufe sind aus der Anzeige der Wassertiefen daher bewusst ausgenommen worden. Diese finden sich in den Hochwassergefahrenkarten des Landes NRW, die allerdings nur in Form von PDF-Dokumenten im Internet verfügbar sind und sich nicht einfach so mit den neuen Starkregengefahrenkarten kombinieren lassen.

Grundlage für die Karten ist ein digitales Geländemodell aus dem vergangenen Jahr. „Vorteil ist, dass die Auswirkungen der Flut dabei berücksichtigt wurden und die Karten auf aktuellen Daten beruhen“, berichtet Nolting. In der kommenden Woche startet der Kreis mit einer Social-Media-Kampagne, um die Funktionen der Karte vorzustellen.


Wie helfen die Gefahrenkarten beim Vorbeugen?

Die Gefahrenkarten geben Eigentümern, Unternehmen und Betroffenen die Möglichkeit, das eigene Risiko einschätzen zu können und bei Bedarf Objektschutzmaßnahmen vorzunehmen. „Dabei gilt es zu beachten, dass die Gefahrenkarten als erste Orientierung dienen. Kleinräumige Details wie beispielsweise Grundstücksmauern, die den Abfluss verändern können, konnten durch die Auflösung von einem Meter nicht abgebildet werden“, heißt es dazu auf den Seiten des Hochwasserportals.

Zur Planung des weiteren Vorgehens sollte in einem ersten Schritt auf jeden Fall ein Gutachter hinzugezogen werden, empfiehlt Projektleiterin Sarah Nolting aus der Stabsstelle Wiederaufbau der Kreisverwaltung Euskirchen. In vielen Fällen könnten schon kleinere Maßnahmen mit einem überschaubaren Kostenaufwand zum Erfolg führen, etwa die Abdichtung von Lichtschächten.

Ein Screenshot zeigt einen Ausschnitt einer Karte der Euskirchener Innenstadt. Einige Bereiche sind blau, andere gelb und wieder andere rot eingefärbt.

Beispiel der Gefahrenkarte für die Euskirchener Innenstadt bei einem Starkregenereignis mit mehr als 40 Litern Niederschlag pro Stunde. Der dunkelrote Bereich ist der Herz-Jesu-Vorplatz.

„Wann es sinnvoll ist, in größere Schutzmaßnahmen zu investieren, sollte man dann im Einzelfall mit einem erfahrenen Experten abstimmen“, empfiehlt Nolting. Hilfe bei der Suche nach einem Gutachter könne zum Beispiel das „Hochwasser-Kompetenz-Centrum e.V.“ bieten.

Dort findet man auch Informationen zum „Hochwasser-Pass“. Mit diesem Dokument, in dem die Gefahrensituation eines Gebäudes und eventuell bereits getroffene Schutzmaßnahmen dokumentiert werden, kann man gegebenenfalls bei seiner Gebäude- oder Elementar-Versicherung einen Rabatt aushandeln. „Sollte Ihnen ein Fehler auf den Gefahrenkarten auffallen, bitten wir um eine kurze Mitteilung“, wendet sich Projektleiterin Nolting an die Nutzer: „Man kann direkt auf der Karte das kleine Sprechblasensymbol anklicken, um eine Mail an uns zu generieren.“