In einer Videosimulation hat eine Aachener Firma das Ausmaß der Flutkatastrophe im Schleidener Tal dargestellt. Dem künftigen Hochwasserschutz dienen Grundstückskäufe der Stadt Schleiden.
Aufarbeitung der FlutVideosimulation zeigt das Ausmaß der Katastrophe im Schleidener Tal
Die Flut ist in vielen Köpfen noch genauso präsent wie die Folgen im Schleidener Stadtbild. Unmengen von Fotos dokumentieren die Folgen der Katastrophe. Doch Bilder vom Höhepunkt der Flut mitten in der Nacht sind rar. Zum einen war es technisch schwierig, Fotos zu machen: Nach dem Ausfall der Stromnetze fehlte jegliche Beleuchtung, zudem war der Himmel wolkenverhangen. Und vor allem: Die Menschen hatten in diesen Stunden meist andere Sorgen.
Zur Aufarbeitung der Katastrophe sind nun auch Computersimulationen hilfreich. In den Bürgerversammlungen, die die Stadt Schleiden in den vergangenen Wochen durchgeführt hat, um über die Maßnahmen im Hochwasserschutz zu informieren, führte Bürgermeister Ingo Pfennings ein rund dreieinhalb Minuten langes Video vor, das einen Drohnenflug über das überschwemmte Schleidener Tal von Blumenthal bis Mauel und Malsbenden simuliert.
Den Schrecken der Flut in Rot dargestellt
Es sind erschreckende Bilder, die deutlich machen, welches Ausmaß die Flutkatastrophe tatsächlich hatte. Über weite Strecken nimmt das Wasser die gesamte Breite des Tales ein. In blauer Farbe sind die Flächen dargestellt, die vorab als Überflutungsflächen für ein 1000-jährliches Hochwasser berechnet worden waren. Doch in der Realität waren noch weitaus größere Gebiete überflutet worden. Diese Flächen sind in der Simulation in roter Farbe dargestellt.
Bereitgestellt wurde das Video von der Aachener Formitas AG. Über Hochwasserexperten verfüge seine Firma nicht, betont Vorstand und Unternehmensgründer Hagen Schmidt-Bleker. Eigentlich sei Formitas auf digitale Lösungen und 3D-Modelle für die Baubranche spezialisiert. „Unsere rund 50 Mitarbeiter sind vor allem Architekten und Bauingenieure“, sagt er.
Als die Nachricht von der Flutkatastrophe in der Eifel die Runde machte, habe man sich auch in seinem Unternehmen die Frage gestellt, ob die Spezialisten in die Flutgebiete fahren, sich Gummistiefel anziehen und beim Aufräumen helfen sollten. Oder ob es nicht eine Möglichkeit gebe, ihre speziellen Kenntnisse den Menschen, die von der Katastrophe betroffen waren, zugute kommen zu lassen.
Rund vier Wochen nach der Flut wurde bei einem Termin in der IHK Aachen der Kontakt zwischen Bürgermeister Pfennings und Schmidt-Bleker hergestellt.
In einem gemeinsamen Workshop sei schließlich der Gedanke entwickelt worden, die Stadt durch die digitale Aufarbeitung der Daten beim Wiederaufbau zu unterstützen. „Unsere Idee war, ein Datenmodell für die Zukunft zu machen“, so Schmidt-Bleker. Die Daten des Hochwassers seien verfügbar gewesen, und so seien sie in ein Simulationsprogramm eingearbeitet worden. „Das ist die Fortschreibung der statistischen Daten in Echtzeitbildern“, fasst Pfennings das Projekt zusammen. Die Stadt Schleiden wolle das Modell in den Wiederaufbau einbeziehen.
Hagen Schmidt-Bleker wird nach Gemünd ziehen
Zuerst haben die Formitas-Mitarbeiter ein Geländemodell der Stadt mit allen Gebäuden erstellt und schließlich ein Video mit den Daten produziert, die für ein 1000-jährliches Hochwasser berechnet worden seien. Das Ergebnis sei dann der Stadt Schleiden zugegangen, die es mit den realen Abläufen in der Nacht vom 14. Auf den 15. Juli vergleichen sollte.
„Wir waren dann etwas erstaunt. Tatsächlich waren weitaus mehr Gebiete betroffen, als dort zu sehen war“, so Pfennings. Zwei Mitarbeiter der Stadt haben daraufhin die realen Überflutungsgrenzen in eine Karte übertragen. Diese Flächen seien in einem zweiten Arbeitsschritt in das Modell implementiert worden. „So etwas ist ein Lernprozess“, so Schmidt-Bleker. Mittlerweile ist das Video auf der Internetplattform Youtube öffentlich verfügbar.
Dass seine Firma gerade in Schleiden tätig wurde, ist kein Zufall. Denn Schmidt-Bleker ist die Stadt wohlvertraut: „Meine Familie ist im Jahr 1954 nach Schleiden gezogen und hat hier viele Jahre gelebt.“ Da habe er natürlich besonders intensiv beobachtet, was in der alten Heimat geschehen ist. Ein Werbegag für seine Firma habe er mit der Simulation nicht beabsichtigt, sondern zeigen wollen, wie hilfreich derartige Simulationen in der Zukunft sein können. „Das sind unterstützende Planungsunterlagen“, sagt er.
In Zukunft wird Schmidt-Bleker wohl noch genauer auf die Hochwassersituation im Schleidener Tal schauen. Denn er hat sich gerade in Malsbenden ein Haus gekauft, kurz vor der Olefbrücke. Er wird nach der Sanierung des Objektes dort hinziehen – allen Überschwemmungen zum Trotz.
Schutz des Schleidener Tals durch Wiese-Wannen
Viele Rädchen müssen beim Hochwasserschutz ineinandergreifen. Fatal wäre, wenn eine Maßnahme für Ort A die Lage in Ort B verschärft. Daher arbeiten die Anrainerkommunen von Urft und Olef, der Kreis und der Wasserverband Eifel Rur gemeinsam an einem entsprechenden Konzept. Bis 2025 dauert es, die Untersuchungen und Berechnungen durchzuführen. Doch schon jetzt können die Kommunen eigene Maßnahmen umsetzen, die dem umfassenden, interkommunalen Schutzkonzept nicht entgegenstehen.
Die Stadt Schleiden etwa hat bereits eine Prioritätenliste erstellt, um Maßnahmen an kleineren Gewässern wie dem Rinkenbach in Oberhausen, dem Holgenbach in Schleiden oder dem Selbach in Olef ab kommendem Jahr abzuarbeiten. Und sie ist bereits auf einer Art Einkaufstour: Die Stadt möchte Flächen in den Bereichen in ihren Besitz bringen, wo künftig Retentionsflächen geschaffen werden.
16,4 Hektar Grundstücksflächen hat die Stadt laut Beigeordnetem Marcel Wolter im Bereich zwischen Mauel und Anstois ausgemacht, 8,7 Hektar zwischen Schleiden und Olef unterhalb des Krankenhauses sowie 5,6 Hektar hinter Müllershammer zwischen Oberhausen und Blumenthal, wo die Bahnlinie als einer Art Damm wirken kann.
„Im eng bebauten Tal kommen nur diese Areale in Betracht“, sagt Wolter. Das Risiko, sich in Sachen Standort zu verkalkulieren, sei also nicht wirklich gegeben. Er nennt ein Beispiel: Zwischen Olef und Nierfeld gebe es zwar auch eine recht große Fläche. Doch durch die Geländestruktur müsste eine große Brücke für die Bundesstraße gebaut werden, was keinen Sinn machen würde. Genutzt werden Areale in dieser Dimension laut Wolter höchstwahrscheinlich nicht: „Vielleicht die Hälfe.“
Vorgesehen ist, dass die Flächen tiefergelegt werden. Anderthalb bis zwei Meter seien denkbar – Genaues müssen die Berechnungen der Experten erben. Durch das Ausbaggern wird entsprechendes Volumen geschaffen, so dass die Flächen wie eine Art riesige Badewanne wirken. Sie können große Mengen Wasser aufnehmen und Wohngebiete sowie Infrastruktur flussabwärts schützen. Wenn kein Hochwasser ist, können die Areale, wie beispielsweise an der Nordsee, weiterhin als Weiden oder für die Landwirtschaft genutzt werden.
Derartige Maßnahmen werden nicht im rund 200 Millionen Euro schweren Wiederaufbauplan der Stadt enthalten sein. Sie werden separat finanziert. Stand jetzt gibt’s für Hochwasserschutzmaßnahmen 80 Prozent Fördermittel. Aus mehreren Gründen wird die Stadt bereits jetzt aktiv, wie Wolter erklärt. Zum einen könne sofort mit den Arbeiten losgelegt werden, wenn das Hochwasserschutzkonzept samt der erforderlichen Berechnungen fertig ist. Man verliere keine Zeit, indem man dann erst mit einem Flächenerwerb starte. Und, so Wolter: „Der Eifeler verkauft ja nicht so gerne seine Flächen. Jetzt, wo die Erinnerung an die Katastrophe noch frisch ist, ist es einfacher, den Sinn dieser Maßnahmen zu vermitteln.“
Wenn die Flächen im Besitz der Stadt seien, seien bei derartigen Maßnahmen keine Eingriffe in Privateigentum erforderlich und es müssten keine Verhandlungen über das Einverständnis geführt werden.