Landtagskandidaten stellen sich SchülernDer Kreis Euskirchen soll digitaler werden
Kreis Euskirchen – Die Ankündigungen der Landtagskandidaten klingen nach einem lebenswerten Nordrhein-Westfalen. Thilo Waasem (SPD) möchte „freie Bildung von der Kita bis zum Master oder Meister“. FDP-Kandidat Frederik Schorn kämpft für „ein modernes NRW“. Ein NRW, das Dr. Thomas Keßeler (Grüne) bei Bildung und Klimaschutz gerüstet für die Zukunft sehen will. Und ein NRW, das deutlich digitaler aufgestellt ist. Das wiederum möchte nicht nur Klaus Voussem (CDU), sondern alle vier Kandidaten.
Eine Stunde lang löcherten die Moderatoren Ida Görlitz und Jan-Peter Bukowski, der ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) beim Kreis absolviert, die Landtagskandidaten im Wahlkreis 8. Schließlich ist am Sonntag, 15. Mai, Landtagswahl. Organisiert hatten die Podiumsdiskussion das Regionale Bildungsbüro/KoBIZ des Kreises Euskirchen und die Bezirksschülervertretung (BSV). Nach Angaben der Organisatoren sind auch die AfD und Die Linke angeschrieben worden, ob sie ihre Direktkandidaten zur Diskussion ins Kreishaus schicken. „Wir haben keine Resonanz erhalten“, sagte Görlitz.
Alle Schulen beteiligt
Im Vorfeld der Podiumsdiskussion hatte die BSV alle weiterführenden Schulen angeschrieben und um Fragen sowie Themenkomplexe gebeten. Die kamen reichlich. Der Großteil der Fragen der Schüler drehte sich um die Themen Klima/Umwelt und Bildung. Aber es ging auch um das Wahlrecht ab 16 oder die Wiedereinführung von Zivildienst oder Wehrpflicht.
Die Wahlkreise
Wahlkampf und der Krieg
Wahlkampf und Krieg in der Ukraine – passt das zusammen? „Putin führt einen Feldzug gegen Demokratie und Menschenrechte. Sich aktiv an demokratischer Meinungsbildung zu beteiligen – also Wahlkampf zu betreiben – sehe ich als Teil des Widerstands gegen Putins Totalitarismus“, sagt Frederik Schorn von der FDP. Der Wahlkampf der Liberalen werde sich daher neben Landesthemen verstärkt auf grundsätzliche Themen wie Bürgerrechte und Demokratie konzentrieren.
Auch Klaus Voussem (CDU) will an seinem Wahlkampf festhalten. „Wegen des Krieges keinen Landtagswahlkampf zu machen, halte ich für falsch. Im Gegenteil müssen wir uns jeden Tag um den Erhalt und die Stärkung unserer Demokratie kümmern. Freie Wahlen sind ein solch hohes Gut, dessen Bedeutung wir nie vergessen dürfen. Die Menschen in Russland und vielen anderen Ländern der Erde wären froh, frei wählen zu dürfen“, sagt der Euskirchener.
Dr. Ralf Nolten tritt für die CDU in Dahlem, Hellenthal und Schleiden an. „Ich bin ein Haustürwahlkämpfer. Von diesem Prinzip werde ich auch nicht abrücken“, sagt er. Man müsse überlegen, ob man inhaltliche Gespräche über klassische Wahlkampfthemen führt: „Da steht sicherlich nicht allen der Kopf nach.“
Der Krieg sei schrecklich und beschäftige alle Menschen – „auch mich“, sagt Thilo Waasem von der SPD. „Gerade das Chaos der Landesregierung bei der Verteilung und Unterbringung der Flüchtlinge bereitet uns vor Ort große Probleme. Gleichzeitig sind die Flut und der Wiederaufbau leider immer noch ein aktuelles Thema, bei dem es viele politische Baustellen gibt“, so der Bad Münstereifeler: „Ich nehme wahr, dass viele Menschen fragen an Parteien und Politiker haben, die beantwortet werden müssen. Dazu ist Wahlkampf da: eine informierte Wahlentscheidung zu ermöglichen.“ (tom)
Wahlkreis 8
Zum Wahlkreis 8, in dem Klaus Voussem (CDU) das Direktmandat innehat, gehören Bad Münstereifel, Blankenheim, Euskirchen, Kall, Mechernich, Nettersheim und Zülpich. Thilo Waasem (SPD), Frederik Schorn (FDP), Dr. Thomas Keßeler (Grüne), Thomas Bell (Linke) und Frank Poll (AfD) sind die weiteren Kandidaten. (tom)
Wahlkreis 12
Zum Wahlkreis 12, in dem Dr. Ralf Nolten (CDU) direkt gewählt ist, gehören Dahlem, Hellenthal und Schleiden sowie aus dem Kreis Düren Heimbach, Nideggen, Hürtgenwald und Kreuzau. Dort sind Jan Grieskewitz (FDP), Max Dichant (SPD), Isabell Elsner (Grüne) und Klaus Esser (AfD) die Herausforderer. (tom)
Wahlkreis 27
Im Wahlkreis 27 (Rhein-Sieg-Kreis III/Euskirchen III) ist aus dem Kreis Euskirchen nur die Gemeinde Weilerswist vertreten, zudem Alfter, Bornheim, Rheinbach und Swisttal aus dem Rhein-Sieg-Kreis. Amtierender Direktkandidat ist dort Oliver Krauß von der CDU. Seine Herausforderer sind Anna Peters (SPD), Arnd Kuhn (Grüne) und Jörn Freynick (FDP). (tom)
„Meine Schule der Zukunft sieht so aus, dass jeder gleiche Bildungschancen hat. Dazu brauchen wir eine gute Ausstattung – personell und sachlich“, so Klaus Voussem (CDU). Schule müsse digitaler werden. „Wir müssen die Schulen zu den Kathedralen unserer Zeit machen. Dafür müssen wir investieren – inklusive einer Personaloffensive“, sagte Thilo Waasem (SPD). Es bringe nichts, einen Kiste iPads zu bestellen oder ein Smartboard an die Wand zu hängen, wenn das pädagogische Konzept dafür fehle, so der SPD-Mann.
Frederik Schorn (FDP) sagte, dass die Zukunft der Schule freier sein müsse. „Schulen müssen sich Schwerpunkte selbst wählen können“, so Schorn. Thomas Keßeler (Grüne) sagte: „Bildung ist immer noch sehr herkunftsabhängig. Es darf niemand abgehängt werden.“
Die vergangen zwei Jahre
„Die Pandemie war und ist schwierig – natürlich auch für Jugendliche und junge Erwachsene“, so Keßeler. Frederik Schorn sagte, dass es junge Menschen gebe, die ihren Bachelor komplett digital absolviert haben. „Da ist viel verloren gegangen“, so der 30-Jährige: „Schule ist nicht nur Ort der Wissensvermittlung, sondern auch Ort der Begegnung.“ Thilo Waasem: „Die jungen Menschen sind ein wenig aus dem Fokus geraten. Schule als sozialer Ort ist unheimlich wichtig.“ Und die, die zu Fridays-for-Future-Demos gehen, haben seiner Ansicht nach mehr als ein Fleißkärtchen verdient.
„Wir müssen den jungen Menschen einfach mal Danke sagen für die Solidarität, die sie aufgebracht haben. Die Einschränkungen waren alles andere als schön. Man wird nur einmal 18, man feiert nur einmal einen Abiball“, so Voussem.
Allgemeine Dienstpflicht
„Wenn ich die Wahl habe, bin ich dafür“, antwortete Voussem auf die Frage, ob er dafür sei, dass es eine Allgemeine Dienstpflicht gebe. Eine Meinung, die der Liberale Frederik Schorn so gar nicht teilte. „Dienstpflicht ist nichts anderes als die Enteignung von Lebenszeit. Jugendlichen sollte man nicht noch mehr Lebenszeit klauen“, sagte der Weilerswister.
Thomas Keßeler sprach sich hingegen dafür aus: „Die Lebenserfahrung, die man dadurch sammeln kann, würde uns als Gesellschaft sehr gut tun.“ Der Bad Münstereifeler Waasem schloss sich dem an: „Ein solches Jahr bietet für alle Beteiligten einen Mehrwert.“
Berufspolitiker
Die Herausforderer Waasem, Schorn und Keßeler haben bisher nur auf lokaler Ebene politisch gearbeitet – und das ehrenamtlich. Waasem und Schorn sind immerhin die Vorsitzenden ihrer Partei auf Kreisebene. Der einzige Berufspolitiker in dem Quartett ist Klaus Voussem. Doch wollte Rechtsanwalt die Politik zu seinem Beruf machen und Verkehrspolitischer Sprecher der NRW-CDU werden? Es habe sich so ergeben, sagte der Euskirchener. Natürlich habe er die Gesellschaft verändern wollen, berichtete Keßeler, der mit 18 Jahren Mitglied der Grünen wurde. Er habe aber nicht geplant, Politiker zu werden.
„Ich wollte immer Baggerfahrer werden“, so Rechtsanwalt Waasem: „Jetzt wird es halt Politiker.“Die Chancen sind da. Waasem steht auf Platz 29 Landesliste. FDP-Kreischef Schorn stellte fest, dass man nicht planen könne, in die Politik zu gehen. Und er habe einen großen Respekt vor Berufspolitikern.
Das könnte Sie auch interessieren:
„Wenn es darum geht, nur das Wahlrecht auf 16 Jahre zu reduzieren, bin ich dagegen. Wenn andere Pflichten wie die Strafmündigkeit ebenfalls angepackt werden, dann kann man drüber nachdenken“, so Voussem. Seine Mitstreiter sprachen sich unisono für eine Herabsetzung des Wahlrechts auf 16 aus.