Pinar Sahbaz sorgt sich um ihre Mutter Zizik und ihre Tante Hatun aus Mechernich, denen in der Türkei Terrorunterstützung vorgeworfen wird.
„Völlig unbegründet“Frauen aus Mechernich wegen angeblicher Terrorunterstützung in Türkei in Haft
Weil ihnen vorgeworfen wird, Mitglieder einer Terrororganisation zu sein beziehungsweise eine terroristische Agenda zu unterstützen, befinden sich die beiden Schwestern Zizik und Hatun Sahbaz aus Mechernich seit dem 15. Oktober 2024 in türkischer Haft. „Diese Anschuldigungen sind völlig unbegründet“, sagt Pinar Sahbaz. Die 26-Jährige ist die Tochter von Zizik Sahbaz, die vielen Mechernichern auch unter ihrem Rufnamen Zosan bekannt sein dürfte.
„Meine Mutter war schon immer politisch interessiert und engagiert. Sie hat sich stets für die Rechte von Frauen und die allgemeinen Menschenrechte eingesetzt. Ihre politische Heimat ist die Partei Die Linke“, sagt Pinar im Gespräch mit dieser Redaktion. Die kurdische Familie stammt aus der Türkei, Zizik Sahbaz hat jedoch die deutsche Staatsangehörigkeit und ist Mutter von drei erwachsenen Kindern. Sie ist Sachkundige Bürgerin für die Mechernicher SPD im Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales.
Nach Verwandtenbesuch bei der Ausreise in Istanbul festgenommen
Die Verhaftung der beiden Mechernicherinnen fand bereits Mitte Oktober am Flughafen von Istanbul statt. Pinar, die in Dortmund Wirtschaftsrecht studiert und sich auf ihre Masterarbeit vorbereitet, war ebenfalls dabei.
„Wir haben meine kranke Oma in der Türkei besucht und wollten gerade für den Rückflug einchecken, als meine Mutter und ihre Schwester bei der Passkontrolle festgesetzt wurden“, erinnert sich die junge Mechernicherin an die dramatischen Vorgänge.
„Ich war schockiert, weil ich mit so einer Aktion überhaupt nicht gerechnet hatte“, so Pinar weiter: „Wir waren vorher schon öfter bei unseren Verwandten in der Türkei zu Besuch, ohne dass es bei der Ein- oder Ausreise zu Problemen am Flughafen gekommen wäre.“
Obwohl sie nach der Verhaftung ihrer Mutter unter Schock stand, reagierte die Studentin blitzschnell. „Ich habe meiner Mutter und meiner Tante noch vom Flughafen aus eine Rechtsanwältin organisiert, weil ich nicht wollte, dass sie ohne Rechtsbeistand in die erste Vernehmung gehen.“ Unmittelbar nach ihrer Rückkehr nach Deutschland informierte sie das Auswärtige Amt in Berlin über die Verhaftung der beiden Mechernicherinnen.
Teilnahme an Demo zum Weltfrauentag könnte Grund für Inhaftierung sein
Der Vorwurf, Mitglied einer Terrororganisation zu sein, basiere „ausschließlich auf ihrer Teilnahme an einer friedlichen Demonstration zum Weltfrauentag am 8. März in Düsseldorf“, hat Pinar von der türkischen Anwältin ihrer Mutter erfahren. „Seit ihrer Verhaftung befindet sich meine Mutter im Gefängnis von Bakırköy in Istanbul. Der erste Prozesstermin ist für den 28. Januar angesetzt, jedoch befürchten wir, dass sie dort kein faires Verfahren erhalten wird“, so die Studentin weiter. Ihrer Tante Hatun Sahbaz, die türkische Staatsbürgerin ist, werde vorgeworfen, an einer Gedenkdemonstration in Frankreich teilgenommen zu haben, die den Kurdinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez gewidmet war.
„Diese drei Frauen kamen 2013 in Paris ums Leben, was damals europaweit zu massiven Protesten geführt hat. Die türkischen Behörden werfen meiner Tante vor, durch die Teilnahme an dieser Demo eine terroristische Agenda unterstützt zu haben – ein Vorwurf, der völlig unbegründet und offensichtlich politisch motiviert ist“, sagt Pinar, die in den Bemühungen, auf das Schicksal der beiden Frauen aufmerksam zu machen, viel Unterstützung erfahren hat.
Politiker aus Mechernich und Köln setzen sich für Zizik Sahbaz ein
„Wir sind schockiert und fassungslos“, sagt zum Beispiel Ute Wagener, Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Mechernich: „Unsere Freundin Zizik hat gegen kein Gesetz verstoßen, sondern durch die Teilnahme an einer Demonstration lediglich ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausgeübt.“
Dieses Recht sei einer der „Eckpfeiler unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung“, schrieb Wagener auch in einem Brief ans Auswärtige Amt. „Ich bin stolz darauf, dass wir über alle Parteigrenzen hinweg in Mechernich für das Schicksal von Zizik eintreten“, so die SPD-Chefin. Politiker und Politikerinnen der Partei Die Linke wurden ebenfalls für Zizik Sahbaz aktiv, darunter auch Jörg Detjen aus Köln und die Linken-Bundestagsabgeordnete Gökay Abkulut aus Mannheim.
Der Mechernicher Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick informierte den CDU-Bundestagsabgeordneten Detlef Seif, der ebenfalls Kontakt zum Auswärtigen Amt aufnahm. Seit der Verhaftung Mitte Oktober setzt sich die Diplomatie für die Rechte der inhaftierten Frauen ein. Eine Anfrage der Redaktion zum Fall der beiden Schwestern blieb am Mittwoch jedoch von der Pressestelle des Auswärtigen Amts unbeantwortet.
Sorge um die Gesundheit der inhaftierten Kommunalpolitikerin
Über die Anwältin und die Verwandten in der Türkei hat Pinar Sahbaz Kontakt zu ihrer Mutter. „Ein Antrag auf Haftverschonung bis zum Prozess, verbunden mit einer Ausreisesperre, wurde von den türkischen Behörden abgelehnt, weshalb sie immer noch im Gefängnis sitzt“, berichtet die Studentin: „Ich mache mir Sorgen um die Gesundheit meiner Mutter, die schon vor der Inhaftierung nicht die beste war.“
Wegen des Studiums pendelt die junge Frau aktuell ständig zwischen Dortmund und ihrer Heimatstadt Mechernich, wo noch ihr Vater und ein jüngerer Bruder leben.
Große Hoffnung setzt Pinar auf einen Termin, der in der kommenden Woche im Mechernicher Rathaus stattfindet. Dort will sie im Rahmen einer Pressekonferenz an der Seite von Bürgermeister Schick die Öffentlichkeit über den Fall informieren. „Wir setzen auf ein breites Bündnis aus der Stadt Mechernich, um zu zeigen, wer alles hinter meiner Mutter und meiner Tante steht“, sagt Pinar. Sie hofft, dass dieses Zeichen auch in der Türkei wahrgenommen wird.
Rund 80 deutsche Staatsangehörige in der Türkei inhaftiert
Nach Kenntnis der Bundesregierung befanden sich im September 2024 insgesamt 77 deutsche Staatsangehörige in der Türkei in Haft. Das erfuhr die Linken-Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut auf eine schriftliche Anfrage an das Ministerium von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. „Aktuellere Zahlen liegen aktuell nicht vor“, so die Abgeordnete weiter. In 13 dieser 77 Fälle gehe es – wie auch bei Zizik Sahbaz – um Vorwürfe in Bezug auf die türkischen Antiterrorgesetze.
Ausreisesperren gegen deutsche Staatsangehörige in der Türkei seien darüber hinaus im Herbst 2024 in insgesamt 61 Fällen bekannt gewesen. Ein Zusammenhang mit den Antiterrorgesetzen habe dabei in 19 Fällen bestanden.
„Die Bundesregierung erfährt von den Verhaftungen deutscher Staatsangehöriger zugrundeliegenden Strafvorwürfen in erster Linie durch die Angaben der Betroffenen oder ihrer Familienangehörigen“, heißt es in der Mitteilung weiter.