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Psychische Erkrankungen30 Aussteller stellen in Mechernich Optionen und Angebote vor

Lesezeit 5 Minuten
An einem Tisch sitzen zwei lachende Frauen, während eine weitere Frau gut gelaunt nach einem Gegenstand auf dem Tisch greift.

30 Aussteller – hier der Stand des Marien-Hospitals im vergangenen Jahr – haben sich für die zweite Auflage des Tages der Möglichkeiten angekündigt.

Die Aktion in der Mechernicher Tagesklinik mit 30 Ausstellenden bietet Infos über Hilfsangebote für psychisch Erkrankte im Kreis Euskirchen.

Da haben die Initiatoren offenkundig einen Volltreffer gelandet. Als im August 2023 in der Mechernicher Tagesklinik erstmals der „Tag der Möglichkeiten“ stattfand, waren sie selbst überrascht von der Zahl der Besucher und der Aussteller. 24 Organisationen stellten ihre Angebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen vor – und stießen auf reges Interesse.

„Inzwischen haben wir 30 Aussteller“, freut sich Nicole Giefer, Projektmanagerin der Geno Eifel und führend im Orga-Team, auf die zweite Auflage, die am 13. September wieder in der Mechernicher Tagesklinik über die Bühne gehen wird.

Dass es bei der Premiere nicht bleiben würde, sei ihr schnell klar geworden, erzählt Nicole Giefer. „Wir konnten im Gespräch Ängste und Vorbehalte abbauen“, habe ein Aussteller gesagt: „Es war eine offene und einladende Atmosphäre, wir sind mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen.“ Mission erfüllt, könnte man sagen.

Zahl der seelisch Erkrankten im Kreis Euskirchen steigt

Doch bei aller Freude: Dieser Erfolg hat einen ernsten Hintergrund. Die Zahl der Menschen im Kreis Euskirchen, die seelisch erkranken, nimmt nämlich ständig zu. Erst vor kurzem hat die DAK Gesundheitskasse mitgeteilt, dass der Krankenstand bei den Beschäftigten im Kreis nicht nur zunimmt, sondern dass dabei die psychischen Erkrankungen hinter den Atemwegserkrankungen auf Platz zwei rangieren.

Zwei Frauen halten fröhlich Flyer zum „Tag der Möglichkeiten“ in die Kamera.

Freuen sich auf den zweiten Tag der Möglichkeiten: Nicole Giefer und Stefanie Drießen

Seit einigen Jahren künden auch die Statistiken anderer Versicherer von dieser Entwicklung. „Dabei sind die sozialen Berufe besonders betroffen“, so Giefer.

Pflegerinnen und Pfleger, Erzieherinnen und Erzieher etwa, die ihre Berufe zumeist mit großer Leidenschaft – und zuweilen mit zu großer Leidenschaft, als es ihnen guttut – ausüben. Giefer berichtet etwa von einer Krankenschwester, die ihr gesagt habe: „Ich übe meinen Beruf seit Jahrzehnten gerne aus, doch jetzt, mit 59, bin ich am Ende.“

Schule, Studium, Soziale Medien und Weltlage bedrückten junge Menschen

Auf der anderen Seite sind auch immer mehr junge Menschen betroffen, wie die Sozialpädagogin Stefanie Drießen aus ihrer Arbeit in der Mechernicher Tagesklinik weiß. Dem Druck, den Schule, Studium und nicht zuletzt Soziale Medien ausübten, seien viele nicht mehr gewachsen. Hinzu komme die komplizierte Weltlage, die nicht wenige junge Menschen in eine Perspektivlosigkeit entlasse. „Oft fehlt dann auch das Backup“, erklärt Stefanie Drießen, „also die Hilfe von Eltern oder Freunden.“

22 Plätze bieten Drießen, ihre Kolleginnen und Kollegen in der Mechernicher Tagesklinik, weitere 12 hält die Stiftung Marien-Hospital in Euskirchen vor. 10 bis 12 Wochen lang besuchen die Betroffenen die Einrichtungen. Doch was dann? „Die Wenigsten, die bei uns rausgehen, gehen direkt in eine ambulante Betreuung“, sagt Drießen.

Lange Wartezeiten sind oftmals frustrierend

„Sechs bis acht Monate dauert es im Schnitt, bis Betroffene eine ambulante Therapie in einer psychotherapeutischen Praxis bekommen“, fügt Nicole Giefer hinzu. Ein Zeitraum, dem in der Regel zahlreiche Anrufe in Praxen vorausgegangen sind, und die wegen der Absagen oder langen Wartezeiten frustrierend sind – gerade für Menschen, die ohnehin den Boden unter den Füßen verloren haben.

„Manche haben gar keine Patienten mehr angenommen“, berichtete eine Frau beim „Tag der Möglichkeiten“ 2023 von ihrer Suche. „Dabei wollte ich doch nur zurück ins Leben.“ Ihre Depressionen seien wieder stärker geworden.

In therapeutischer Arbeit kommen auch Tiere zum Einsatz

Wenn aber das Gesundheitssystem offenkundig unfähig ist, Betroffenen ausreichend Hilfe zu bieten, braucht es Angebote, die ihnen über die monatelange Wartezeit hinweg helfen. Derer gibt es nämlich mehr, als man meinen mag, wie der „Tag der Möglichkeiten“ zeigt.

„Dieses Mal haben wir sogar Schafe dabei“, sagt Stefanie Drießen mit einem Lächeln. Der Verein „Schafsfreu(n)de“ aus Bad Münstereifel bringe sie am 13. September mit, um auf einer Wiese nahe der Tagesklinik den Besuchern die therapeutischen Möglichkeiten des Umgangs mit Tieren zu zeigen. „Momente zwischen Tieren, der Natur und den Menschen können die Seele heilen und stärken“, heißt es auf der Vereinsseite.

Als helfende Person kann man sich selbstwirksam fühlen

Achtsamkeits-, Mal- und Musikkurse sowie Selbsthilfe-, Sportgruppen und Gesprächskreise weisen ebenfalls auf ihre Angebote hin. Dass aus dieser Bündelung von Expertise auch der ein oder andere innovative Vorschlag hervorgeht, zeigen Giefer und Drießen an einem Beispiel.

So erhalten Patienten aus der Tagesklinik Gutscheine, mit denen sie bei der Geno Eifel eine Helferin oder einen Helfer für den Wiedereinstieg in den Alltag engagieren können. „Das kann die Anmeldung bei einer Selbsthilfegruppe sein oder die Begleitung beim Einkauf oder zum Arzt“, erklärt Stefanie Drießen. Eine Spende des Galeristen Christian Lethert aus Bad Münstereifel habe dies ins Rollen gebracht, weitere Spender seien willkommen.

Nicht selten böten sich auch Helfer an, die sich wegen psychischer Erkrankung zwar nicht mehr acht Stunden am Stück, aber gerne ein oder zwei Stunden um andere kümmerten – eine klassische Win-win-Situation, so Drießen. Denn Helfen helfe dem Selbstwirksamkeitsgefühl.

„Tag der Möglichkeiten“ soll entstigmatisieren

„Der Tag der Möglichkeiten bietet eine Orientierungshilfe über die unterschiedlichen psychosozialen Versorgungsangebote in unserem Kreis“, fasst Organisatorin Nicole Giefer zusammen und nennt ein weiteres Ziel der Veranstaltung: Obwohl die psychische Gesundheit in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit zunehmend an Beachtung gewinne, sei die Diagnose „psychisch krank“ immer noch mit einem Stigma versehen.

„Stereotypen sind in der Bevölkerung oft verbreitet“, sagt Giefer. Menschen, die an einer Depression erkrankt seien, würden oft für faul gehalten, Menschen mit einer Schizophrenie für unberechenbar. Dem gelte es mit Aufklärung zu begegnen, so Nicole Giefer: „Denn es kann jeden von uns betreffen.“


Die Veranstaltung

Der Tag der Möglichkeiten findet am kommenden Freitag, 13. September, von 15 bis 18.30 Uhr in der Tagesklinik in Mechernich, Auf der Wäsche 2, statt. Autofahrer werden gebeten, den Pendler-Parkplatz am Kreisel Breitenbenden zu nutzen. Dies sei mit dem Ordnungsamt so abgesprochen, teilen die Veranstalter mit.

Veranstaltet wird der Tag der Möglichkeiten von folgenden Einrichtungen: Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft (PSAG) im Kreis Euskirchen, Der Paritätische, Marien-Hospital Euskirchen, Caritasverband, Selbsthilfeförderung GKV NRW und Helfernetzwerk Geno Eifel.

Organisiert wird die Veranstaltung von der AG Psychiatriedialog „Wir reden mit!“ in der PSAG. Ziel ist es, neue und bestehende Angebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen und deren Angehörige zu bündeln, zu bewerben und zugänglich zu machen.