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Anwohner protestieren„Mechernich darf nicht zu einem Vorort von Köln werden“

Lesezeit 6 Minuten

Blick auf Kommern, einem Stadtteil von Mechernich.

  1. In Firmenich soll ein Baugebiet entstehen. Einigen Anwohnern passt das gar nicht. Sie sagen, die Stadtverwaltung biete allzu gefällig Baugebiete an, in denen sich Menschen niederlassen könnten, für die Köln zu eng und zu teuer geworden sei.
  2. Bürgermeister Schick bezweifelt, dass die Sorge um die Natur der Haupt-Protestgrund ist und es denn Anwohnern eher um ihre Ortslage mit freiem Blick ins Grüne geht. Der Streit wird schärfer.

Firmenich – Die Transparente an den Häusern und Zäunen in der Firmenicher Kurfürstenstraße lassen es an Deutlichkeit nicht missen. „Macht und Geld regiert auch in Firmenich die Welt“ oder „Stoppt die Bauwut“ ist dort zu lesen. Dass parallel zur Straße ein Baugebiet entstehen soll, entsetzt die Bürger. Doch das alleine sei nicht der Grund für den Protest, versichert Heidi Esser.

Die Firmenicherin und fünf ihrer Mitstreiter haben diese Zeitung zu einem Gespräch eingeladen, um ihre Initiative vorzustellen. Deren Namen ist zwar außergewöhnlich lang, aber er macht deutlich, worum es den Bürgern geht: Initiative für die ortsansässigen Bürger von Mechernich zum Schutz unserer naturnahen Heimat und zum Erhalt ihres ländlichen Charakters.

Mechernich könnte in Zukunft zum Speckgürtel Köln gehören

Auf das Adjektiv „ortsansässig“ legen die Initiatoren dieses lockeren Zusammenschlusses von Menschen, denen die Baupolitik der Stadt zu offensiv ist, besonderen Wert. Dass die Stadt Mechernich im Rahmen der Planungen der Bezirksregierung „Regional+“ bald zu einem weiteren Speckgürtel Köln gehören könnte, stößt bei der Initiative auf Gegenwehr. Allzu gefällig biete die Stadtverwaltung Baugebiete an, in denen sich Menschen niederlassen könnten, für die Köln zu eng und zu teuer geworden sei, beklagen die Bürger.

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Die Bürgerinitiative protestiert gegen den „Bauwahn“ der Stadt Mechernich.

„Bürgermeister Schick soll sich um die Mechernicher kümmern“, fordert Hans Nositschka aus Wachendorf, der seit längerem die Stadtentwicklungspolitik in Mechernich kritisch begleitet: „Sonst soll sich Herr Dr. Schick zum Oberbürgermeister in Köln wählen lassen.“ Dem Mechernicher Stadtplaner Thomas Schiffer attestiert Nositschka eine „Bauwut“. Keine Frage: Die Kritik in der Bürgerschaft wird heftiger. Schick hingegen verteidigt die Baupolitik – und „seinen“ Stadtentwickler – gegen die Vorwürfe.

Mechernich soll nicht zu einem Vorort von Köln werden

Mechernich dürfe nicht zu einer Industriestadt oder einem Vorort von Köln werden, fordern die Beschwerdeführer. Sie wehren sich gegen die Bebauung der Areals an der Kurfürstenstraße, weil sie darin eine Pufferzone zum Naturschutzgebiet Schavener Heide sehen, ein Naherholungsgebiet für die Bürger. Das hätten auch Naturschutzverbände versichert. Mit einem Antrag auf Änderung des Flächennutzungsplans aus dem Jahr 2006, der eine Bebauung an der Kurfürstenstraße vorsieht, waren die Bürger im Stadtentwicklungsausschuss gescheitert.

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Haben eine Initiative gegen die Baupolitik der Stadt gegründet: Hubert Esser (v.l.) , Herbert Paas,  Heidi Esser, Andreas Müller-Christ, Marlene Schiffer und Hans Nositschka.

Nein, es gehe ihnen nicht um Einzelinteressen, sagt Herbert Baas: Es gehe ihnen um die Natur und um das Landschaftsbild. Letzteres behandele die Verwaltung sehr kümmerlich, kritisiert Nositschka: „Doch auch das Landschaftsbild ist eine Ressource.“ Daher wenden sich die Bürger im Übrigen auch gegen die geplante Pilzzucht auf dem Motocross-Gelände.

Doch ihr Blick gehe über das gesamte Stadtgebiet: 240.000 Quadratmeter seien in den letzten Jahren vom Projektentwickler F&S Concept erschlossen worden, rechnet Andreas Müller-Christ, ebenfalls Bewohner der Kurfürstenstraße, vor. „Die Stadtplanung richtet sich nach Preis und Erlös der Flächen“, so Müller-Christ. Das sei dem Unternehmen nicht vorzuwerfen, aber der Verwaltung.

Mangel an Transparenz seitens der Politik beklagt

„Es gibt natürlich auch bei Bürgern gewisse Egoismen“, konzidiert Nositschka: „Doch dann ist es die Kunst eines Bürgermeisters, diese Egoismen zu einem Kompromiss zu bringen.“ Es mangele aber bereits an Transparenz. Zu oft erführen die Bürger erst von Baugebieten, wenn sich nicht mehr die Frage stelle, ob gebaut werden soll, sondern höchstens noch wie.

Dass die Bebauungspläne ausgelegt werden, reiche nicht, findet Heidi Esser. „Es ist das Minimum der Bürgerbeteiligung“, fügt Nositschka hinzu. Warum, so fragt er, gebe es kaum Bürgerversammlungen? Die „Mantra des Gutmenschen Schick“, der immer wieder betone, die Stadt wolle jungen Familien Eigenheime ermöglichen, halten die Anwohner für vorgeschoben: „So gerne man es vielleicht möchte“, so der Wachendorfer: „Es kann nicht jede Familie ein Eigenheim bekommen.“ Das gäben die Ressourcen leider nicht her: etwa Wasser, Natur und Landschaft. Der Bund werbe dafür, die Flächen schonend zu behandeln, so Nositschka: „Doch unten kommt das offenkundig nicht an.“

Mechernicher sehen keinen Nutzen für die Stadt

Wo liege der Nutzen für die Stadt, fragen die Bürger. Steuermehreinnahmen? Schlüsselzuweisungen vom Land? „Es gibt keine Kosten-Nutzen-Rechnung“, bemängelt Nositschka. Auslastung der Infrastruktur? „In die Gesamtschule werden 4,4 Millionen Euro investiert, die ist also ausgelastet“, weist Müller-Christ das Argument zurück. Kürzlich habe in Wachendorf der Spatenstich für 37 Häuser mit 50 Wohnungen stattgefunden. Einen Lebensmittelmarkt, eine Kneipe, einen Arzt suchten die Neubürger im Ort aber vergebens.

Mechernich brauche mehr Sozialwohnungen in der Kernstadt, weniger Einfamilienhäuser. Es gebe genügend leerstehende Häuser und Freiflächen in den Dörfern, deren neue Bewohner sich gemeinhin besser ins Dorfleben integrierten, als wenn sie an den Rändern lebten: „Alle zwei oder drei Jahre wird in Wachendorf ein Haus verkauft, die neuen Bewohner sind inzwischen im Dorfverein führend“, berichtet Nositschka.

Bürgermeister bezweifelt, dass Sorge um Natur der Haupt-Protestgrund ist

Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick versucht es mit Humor. „Natürlich ehrt es mich sehr, dass man mir auch den sehr verantwortungsvollen Job des Kölner Oberbürgermeisters zutraut“, sagt der Christdemokrat zu dem Vorwurf, er denke zu viel an die Kölner, die sich auf dem Land niederlassen wollten. Von den 16 Baugrundstücken, die der Rat kürzlich verkaufte, seien nur zwei an Kölner gegangen. 55 Prozent der Grundstücke gingen laut Schick in der Vergangenheit an Mechernicher, 45 Prozent an Käufer von außerhalb Mechernichs, viele aus dem Kreis Euskirchen.

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Der Flächennutzungsplan sei 2006, nach intensiver Beratung durch die Politik und mehrfacher Beteiligung auch der Bürger, ohne Gegenstimmen beschlossen worden, so Schick. „Es hat daher kaum etwas mit Bauwut des Stadtplaners zu tun, wenn der Rat als Träger der Planungshoheit mit deutlicher Mehrheit beschließt, diese Baugebiete auch umzusetzen.“

Es sei immer schwierig, so Schick, wenn diejenigen, die ihren Traum vom eigenen Haus bereits realisiert haben, nunmehr, wenn der eigene „Blick aufs Siebengebirge verbaut“ werde, zu der Erkenntnis kämen, nicht jeder könne ein Einfamilienhaus besitzen. „Da bleibt die Frage, ob hier wirklich die Sorge um Ressourcen, Natur- und Landschaftsschutz oder die Befürchtung vor dem Verlust der Ortsrandlage mit freiem Blick ins Grüne im Fokus der Überlegungen stehen“, entgegnet Schick der Kritik.

Sozialer Wohnungsbau wird in Mechernich viel diskutiert

In der Stadtverwaltung würden fast täglich Gespräche mit Grundstücksinteressenten geführt – zumeist mit jungen Menschen, gut ausgebildet, im Beruf, einer beginnenden Karriere stehend, die in der Phase der Familiengründung ein Eigenheim errichten möchten, so Schick. Die Konzentration der städtischen Baupolitik auf das Einfamilienhaus sei seit 1999 wohl ausreichend Beleg dafür, dass es uns um junge Familien geht, die in Mechernich eine neue Heimat finden, sich hier einleben wollen und im Orts- und Vereinsleben integrieren.

„Die zur Zeit laufende Diskussion im Kreis um den Sozialen Wohnungsbau zeigt uns, dass wir uns zukünftig auch wieder stärker dieser Thematik stellen müssen“, erklärt Schick. Es stelle sich die Frage, ob denn die Anwohner bereit wären, die angemahnte wesentlich ressourcenschonendere Bebauung mit Reihenhäusern oder gar größere mehrgeschossige Wohneinheiten in den peripheren Wohngebieten zu akzeptieren.

Beteiligung immer nur gefordert, wenn es gegen etwas geht

„Die Beteiligung und Information der Bürger steht in Mechernich nicht zu Diskussion“, stellt der Bürgermeister fest. So sei in Firmenich eine Bürgerinformationsveranstaltung für den 11. März geplant. „Allerdings sei auch hier kritisch angemerkt, dass die eingeforderte Transparenz und Information in der Regel nur dann reklamiert wird, wenn es aus aktuellem Anlass gegen etwas geht. Beim Dafür und bei gestaltenden und konzeptionellen Fragen zu Stadtplanung –das Aufstellungsverfahren zum FNP war ein solcher Prozess- sind Veranstaltungen deutlich übersichtlicher besucht.“

Infrastruktureinrichtungen seien von ständigen Veränderungen gekennzeichnet. Hierauf hat sich eine Kommune einzustellen. Aus Kindergärten wurden Kindertageseinrichtungen mit Ganztagsbetreuung -mittlerweile auch für unter Dreijährige-, Inklusion ist hinzugekommen und und und. Dies erfordert die ständige, eben auch bauliche Anpassung städtischer Einrichtungen an diese neuen Gegebenheiten.