MechernichBiologische Station startet Kampagne für seltene Amphibien
Mechernich – Die Geburtshelferkröte hat es nicht leicht in Nordrhein-Westfalen. Ihr bevorzugter Lebensraum beinhaltet laut der Biologischen Station des Kreis Euskirchen besonnte Böschungen, Halden, spaltenreiche Felsen oder Mauern in der Nähe eines Gewässers ohne Fische. Dort kann sie ihren Laich ablegen. Doch diese Bedingungen finde die Geburtshelferkröte in der freien Natur kaum noch.
Doch es gibt Orte, die nahezu perfekt für die Amphibien sind: Gewinnungsstätten. Gruben, in denen beispielsweise Ton, Sand oder Kies abgebaut wird. „Das sind meistens wirklich Hotspots der Artenvielfalt“, sagt Elmar Schmidt von der Biologischen Station.
Gruben für den Artenschutz
Mit Gummistiefeln und Schutzhelm bekleidet, steht er in einer solchen Grube in der Nähe von Mechernich. Gras, Sand, Sträucher, wilde Blumen – nach wirtschaftlicher Nutzung sieht es dort eher nicht aus. Die meisten Menschen hätten die falschen Vorstellungen von solchen Gruben, sagt Schmidt. Oft werde angenommen, die Natur würde durch die Abgrabungen zerstört, doch das sei meistens nicht der Fall. Im Gegenteil. In solchen Gruben gebe es die unterschiedlichsten Biotope, die Heimat vieler Schmetterlinge, Heuschrecken und Vögel seien.
Damit unterstützen die Gruben den Artenschutz. Besonders den Schutz von den gefährdeten Amphibien wie der Geburtshelferkröte. Diese Amphibien werden aufgrund ihres heutigen Lebensraums auch Abgrabungsamphibien genannt. Und um den Schutz der Kröten weiter auszubauen, macht die Biologische Station bei der Kampagne „Amphibienschutz in der Rohstoffgewinnung“ mit. „Wir versuchen mit den Firmen mit kleinen Maßnahmen, die ruckzuck erledigt sind, einen großen Effekt zu erreichen“, berichtet Schmidt.
Konkret gehe es darum, kleinere Tümpel auf dem Gebiet der Grube anzulegen, um den Amphibien Möglichkeiten zum Ablaichen zu geben. Tief dürften die Tümpel nicht sein, erklärt Schmidt und deutet auf einen nahezu quadratischen Teich. Flache Gewässer seien den Amphibien lieber, dieser Tümpel sei an seiner tiefsten Stelle vielleicht 50 Zentimeter tief. Zudem sei Sonne für die Amphibien wichtig – und möglichst wenig Vegetation.
Firma Sibelco ausgezeichnet
Solche Gewässer in der freien Natur anzulegen, sei mit hohen Kosten verbunden, so der Experte. In den Gruben übernehmen das die Betreiberfirmen. Im Gegenzug erhalten die Firmen alle Daten, die die Naturschützer in ihrer Grube erheben und sie können Werbung mit ihrem Engagement machen. Denn wer sich besonders engagiert, wird zum Amphibienfreundlichen Betrieb ausgezeichnet.
Schwarzmarkthändler und Sammler jagen Kröten
Den genauen Standort der neuen Tümpel wollen Elmar Schmidt von der biologischen Station und Alexander Ertel von Sibelco lieber nicht veröffentlichen. Sonst kommen Amphibientouristen, sagt Schmidt.
Gemeint sind nicht nur Naturfans, die sich die Kröten gerne einmal aus der Nähe angucken wollen. Sondern vor allem Schwarzmarkthändler, die die gefährdeten Tiere einfangen und verkaufen oder Sammler, die die Tiere Zuhause ins Terrarium setzen. Davon gebe es leider genug, berichtet Schmidt.
Zudem sei es ein Problem, dass die Leute die Grube unbefugt und oft ohne Erfahrung betreten. „Das ist ja auch nicht ganz ungefährlich“, sagt Ertel. Der Boden in den Gruben sei sehr weich. Man könne man leicht ausrutschen und sich verletzten. Oder schlimmer: Steckenbleiben.
Das sei vor einigen Jahren einmal in einer Grube im Westerwald passiert, berichtet Ertel. Ein Ornithologe sei unbefugt am Wochenende auf das Gelände gegangen und dann im Boden eingesunken. Er habe so festgesteckt, dass er sich selbst nicht mehr befreien konnte und an sein Telefon sei er auch nicht mehr gekommen, so Ertel weiter. Am darauffolgenden Montag hätten die Arbeiter den Mann erfroren aufgefunden. (jre)
So wie in diesem Jahr die Firma Sibelco in Mechernich. Elf kleine und fünf größere Tümpel hat sie in ihren Abgrabungen rund um Mechernich angelegt. „Wir nehmen die Flächen in Anspruch und sehen uns daher auch in der Verantwortung“, sagt Alexander Ertel von Sibelco über das Engagement der Firma. Laut Schmidt ist Sibelco eine von sechs Firmen, die im Kreis Euskirchen an der Kampagne für den Amphibienschutz teilnimmt. In insgesamt elf Gruben seien kleinere und größere Tümpel angelegt worden. Wichtig dabei sei, dass die Gewässer keinen Bestandsschutz erhielten, berichtet Schmidt.
Ertel kann erklären, warum. In dieser Grube werde Ton abgegraben, berichtet er. Die Abgrabung sei dabei wie ein wanderndes Loch. In einem Jahr grabe man beispielsweise im Norden der Grube, im nächsten Jahr dann an einer anderen Stelle. Mit dem Abraum aus dem neuen Loch werde dann das alte wieder aufgefüllt und so wandere das Loch quasi über das Gelände der Grube.
Freude über das Engagement der Abgrabungsfirmen
Ein Tümpel, der immer an einer bestimmten Stelle erhalten werden müsste, würde die Abgrabungsfläche verkleinern. Und die Amphibien brauchen das auch nicht, sagt Schmidt. „Weil die Gewässer sowieso nach drei bis vier Jahren ihre Funktion verlieren“, erklärt er. Denn dann wachsen die Tümpel zu und die Amphibien suchen sich neue Laichgewässer. Deshalb gehe es bei dem Projekt darum, immer wieder an verschiedenen Stellen größere und kleinere Gewässer zu schaffen.
Insgesamt seien die Bagger pro Jahr meistens nur ein paar Wochen in dieser Grube tätig, berichtet Ertel. Den Amphibien und anderen Tieren sei das egal, sagt Schmidt. Das Gelände sei groß genug, um den lauten Maschinen aus dem Weg zu gehen.
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Schmidt ist froh über das Engagement der Abgrabungsfirmen. Er kontrolliert die Tümpel für die Biologische Station. Ab und zu komme er abends vorbei und höre, was da so ruft, berichtet er. Im Mai und Juni zähle er die Kaulquappen in den Tümpeln, um sicher zu gehen, dass sich Geburtshelferkröte und Co. auch wirklich vermehren.