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Bleibelastung in MechernichBürger sollen Blut untersuchen lassen

Lesezeit 4 Minuten

Hatten zur Pressekonferenz ins Mechernicher Rathaus eingeladen: Hans-Peter Schick (l.) und Manfred Poth.

Mechernich – Für gesundheitliche Gefahren der Bevölkerung in Mechernich durch den überdurchschnittlichen Bleigehalt im Boden gebe es keine Anzeichen, erklärte der stellvertretende Leiter des Gesundheitsamtes des Kreises Euskirchen, Christian Ramolla. Dennoch nähmen Stadt, Kreis und Land die Sorgen der Bürger ernst, die in den vergangenen Monaten zum Ausdruck gekommen seien. Daher sollen im Sommer umfassende Blutuntersuchungen vorgenommen werden – wie umfassend, wird sich zeigen, denn die Tests sind freiwillig.

Christian Ramolla ist Leiter des Gesundheitsamtes des Kreises Euskirchen.

„Wir hoffen, dass sich vor allem Bürger aus den besonders belasteten Gebieten dazu bereit erklären“, sagte Ramolla in einer Pressekonferenz, die Vertreter der Stadt und des Kreises am Montagnachmittag im Mechernicher Rathaus gaben.

Aus diesem Grund sollen zunächst die Ergebnisse der jüngsten Bodenproben abgewartet werden. Bis Anfang April dürften sie vorliegen, hieß es. Im Juni sollen dann die Bluttests stattfinden und nach den Sommerferien deren Ergebnisse präsentiert werden. Die Bürger würden in einer Versammlung, die Mitte April stattfinden soll, über die Details informiert.

Wer nimmt die Untersuchungen vor?

Der Kreis hat die Federführung. Die Bestimmung der Blutbleikonzentrationen wird durch das Labor des Umweltmediziners Prof. Thomas Kraus vorgenommen. Er leitet an der Uniklinik Aachen das Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin. „Kraus ist anerkannter Fachmann bei umweltmedizinischen Fragestellungen“, so Ramolla. Kraus werde auch bei der Bürgerversammlung Auskunft geben.

Wie viele Menschen sollen untersucht werden?

Eine Zielvorgabe, was die Zahl der Untersuchungen angehe, gebe es nicht, sagte Ramolla. Vor allem Personen, die viel im Garten arbeiten, und Kinder im Vorschulalter werden gebeten, sich untersuchen zu lassen. „Diese Auswahl ist zwar nicht repräsentativ hinsichtlich der Bevölkerungsstruktur, untersucht aber ein Worst-case-Kollektiv, was dem primären Ziel des Screenings entspricht“, erklärte Ramolla. Auch ältere Menschen, die früher im Bleibabbau in Mechernich tätig waren, seien als Testpersonen sehr willkommen.

Warum die Untersuchungen?

Im vergangenen Jahr hatten Bürger vermehrt im Zusammenhang mit neuen Baugebieten und der dortigen Staubbildung ihre Sorge geäußert, dass Anwohner verstärkt Bleipartikeln ausgesetzt seien. „Wir nehmen diese Sorgen ernst“, versicherte Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick (CDU) am Montag erneut. Vor allem Bürger, die in den vergangenen Jahren zugezogen seien, hätten Besorgnis geäußert, sagte Schick: „Die Menschen, die hier seit vielen Jahren leben, wissen damit umzugehen.“

Letztmals habe es solche Untersuchungen in den 1990er-Jahren gegeben. Vor diesem Hintergrund habe der Kreis die nun geplanten Untersuchungen anberaumt, um aktuelle Erkenntnisse zu erhalten, erklärte der zuständige Fachbereichsleiter beim Kreis, Achim Blindert. Derzeit werde unter anderem auf Kinderspielplätzen der Boden vom Sand getrennt und die Bürger würden darauf hingewiesen, Obst und Gemüse aus dem Garten gut zu waschen.

Bestehen derzeit akute Gefahren?

„Es ist keine Gefahr in Verzug“, stellte Manfred Poth, der Allgemeine Vertreter des Landrats, klar. „In Mechernich ist seit Jahrzehnten keine Bleivergiftung mehr festgestellt worden“, fügte Mediziner Ramolla hinzu. Ein erhöhter Bleigehalt im Boden bedeute nicht automatisch, dass Gesundheitsgefahr bestehe, sagte der Mediziner: „Das Blei muss zunächst in das Blut des Menschen. Eine Bleiaufnahme über intakte Haut ist nahezu ausgeschlossen.“ Wie viel vom aufgenommenen Blei ein Mensch im Körper behalte oder auf natürlichem Wege wieder ausscheide, sei von Person zu Person unterschiedlich.

Fragebogen für betroffene Bürger

Die Blutabnahmen und die Befragung der Probanden erfolgt durch Mitarbeiter des Kreisgesundheitsamtes. Zur Befragung ist ein strukturierter Fragebogen entwickelt worden, der durch einen Mitarbeiter des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der RWTH Aachen ausgewertet und mit den Laborergebnissen abgeglichen wird. Nach Eingang der Ergebnisse erfolge eine erneute Bürgerinformation, den Freiwilligen würden die individuellen Ergebnisse schriftlich übermittelt. „Alle Einzelergebnisse unterliegen selbstverständlich der ärztlichen Schweigepflicht“, so Christian Ramolla, stellvertretender Leiter des Kreisgesundheitsamtes. Bei Untersuchungsergebnissen, die eine weitere Untersuchung sinnvoll erscheinen ließen, führe das Gesundheitsamt, gegebenenfalls in Kooperation mit dem Hausarzt, nachfolgende Untersuchungen durch.

„Im Wesentlichen“, so Ramolla, „unterscheidet man die akute Vergiftung durch einmalige hohe Dosen und die chronische Vergiftung durch längere Exposition gegenüber höheren Bleimengen.“ Die Zahl der so Betroffenen könne aber nicht exakt benannt werden, da Schäden durch Bleieinwirkung nur in Summe mit anderen Schwermetallvergiftungen (etwa Quecksilber und Chrom) erfasst würden.

Durchschnittlich werden laut statistischem Bundesamt bundesweit rund 70 Fälle von Erkrankungen durch Schwermetalle pro Jahr in Krankenhäusern behandelt. „Die entsprechende NRW-Diagnosestatistik führt Schwermetallvergiftungen aufgrund der geringen Fallzahl nicht separat auf“, so Ramolla.

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