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Besinnung auf das wirklich WesentlicheKommerner verfasst Buch über Minimalismus

Lesezeit 4 Minuten

Nach dem Umzug hatte er die Erkenntnis, dass er ausmisten musste: Tobias Gillen.

Mechernich-Kommern – „Minimalismus ist eine Lebensphilosophie, die sich vom Konsum ab- und dem Wesentlichen des Lebens zuwendet. Klarheit, Glück, Zufriedenheit – das verspricht Minimalismus.“ Und das versprach sich auch Tobias Gillen, als er anfing, sein Leben eben dieser Lebensform zu widmen.

Tipps, wie man sich von Dingen trennt

Viele Teile, die man selbst nicht mehr braucht oder haben möchte, lassen sich auf Flohmärkten und über Online-Kleinanzeigen verkaufen.

Wenn man nicht sicher ist, ob man ein Teil wirklich nicht mehr braucht, dann hilft es, eine „Vielleicht-Kiste“ aufzustellen.

„One in – one out“: Wenn ein neues Teil gekauft wird, muss ein altes für die Neuanschaffung weichen.

Die 72-Stunden-Regel: Bevor man einen Impuls-Kauf tätigt, wartet man drei Tage. Oft merkt man dann, dass man das Teil gar nicht braucht. (the)

Spätestens seit dem Bestseller „Magic Cleaning“ der japanischen Aufräum-Expertin Marie Kondo hat das Ausmistfieber auch Deutschland erreicht. Auch Gillen hat sich anstecken lassen und seine Erfahrungen in seinem Buch „Die Minimalismusformel“ zusammengefasst.

Der Moment, in dem es Klick gemacht hat

Der 26-Jährige erinnert sich gut an den Moment, in dem es Klick gemacht hat, wie er sagt. „Ich habe sie gezählt. Es sind 54 Stufen bis hier hoch“, sagt er. Ohne Aufzug. Als er dann vor einigen Jahren mit Partnerin Christina die neue Dachgeschoss-Wohnung in Kommern beziehen wollte, habe er den Ballast im wahrsten Sinne des Wortes gespürt.

Ballast, der in Umzugskartons steckte, die er hochschleppen musste und von denen er viele über Wochen hinweg gar nicht erst auspackte. „Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich die Dinge gar nicht vermisste“, erinnert sich Gillen. Und so begann er auszumisten, sich von Dingen zu trennen, die ihm keinen Mehrwert boten, die er nicht brauchte, die ihn belasteten.

Mitschriften aus der Schule waren erste Opfer

Alte Unterlagen aus der Schule waren die ersten Dinge, die in der Tonne landeten: Mitschriften, Schulbücher, Hefte. Teile, von denen Gillen lange Zeit dachte, er würde sie sicher noch einmal in die Hand nehmen, darin lesen. Sie dann wegzuwerfen, habe sich für ihn wie ein kleiner Befreiungsschlag angefühlt, wie er erzählt.

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Der Prozess habe eine Dynamik in Gang gesetzt, die bis heute anhalte. „Von den Schulsachen bin ich dann sehr schnell zu Büchern, CDs und DVDs übergegangen“, erzählt Gillen. Wie oft komme es schon vor, dass man ein Buch zweimal liest, habe er sich gefragt. Und heutzutage könne man Filme und Musik online streamen. „Besitz ist da nicht notwendig“, so seine Divise. Heute frage er sich stets, ob das Teil einen Mehrwert für ihn habe, es ihn glücklich mache.

Achtmal dasselbe T-shirt gekauft

Auch seine Garderobe blieb von der Ausmistaktion nicht verschont. Er lege keinen großen Wert auf Mode, so der 26-Jährige. „Ich habe das einmal nachgerechnet“, sagt er: „Wenn man jeden Tag nur zwei Minuten mit der Outfit-Wahl beschäftigt ist, dann kommt man schnell auf 40 Tage, die man nur vor dem Kleiderschrank verbringt“, sagt er: „Ich habe dann alle meine T-Shirts weggegeben und mir achtmal dasselbe gekauft“, sagt er.

Zwei dunkelblaue, zwei rote, zwei graue und zwei weiße gehören nun zu seiner Standard-Garderobe. „Alle Farben passen zu den zwei Jeans, die ich besitze“, sagt er und lacht. „Minimalismus beinhaltet einen enormen Freiheitsaspekt für mich“, erklärt er. Neben dem Aspekt der Garderobe brauche er gerade in seinem Job als selbstständiger Unternehmer eine Arbeitsumgebung, die aufgeräumt sei.

Besinnung auf das wirklich Wesentliche

Wenn im Außen Ordnung herrsche, dann sei es für ihn leichter, im Innen strukturiert zu sein, erklärt er. Für ihn ist Minimalismus eine Besinnung auf das wirklich Wesentliche. „Es geht ja nicht darum, nur noch 100 Dinge zu besitzen“, erklärt er. Denn solche Extrembeispiele, das weiß er, gibt es in der Tat auch. Jeder müsse für sich selbst entscheiden, was ihm gut tue, worauf er im Leben Wert lege.

Seitdem sich Gillen so radikal von Materiellem getrennt hat, sind für ihn Momente, Erlebnisse und Beziehungen enorm wichtig geworden. Es sei erstaunlich, wie viele neue Dinge man dadurch ausprobieren könne. Statt neuem Kram gab es zum Geburtstag so beispielsweise einen Erlebnisgutschein für eine Alpakawanderung. „Durch Konsum versucht der Mensch, sich kurzzeitig Glück zu kaufen“, erklärt Gillen.

Doch sobald der Gewöhnungseffekt eintrete, brauche man als Konsument einen neuen Kick. Schnell sei man so in der Konsumschleife gefangen. Gibt es denn etwas, von dem er sich nicht trennen würde? In der Tat: Sein „Hennes“, das FC-Maskottchen, steht geschützt in seinem Wohnzimmerschrank. Dieser ist für den Minimalisten mit Erinnerungen verknüpft und wird so schnell nicht aussortiert.

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