Doreen Zilskes Zuckerbäckerei geht über die Arbeit gewöhnlicher Konditoreien hinaus. Ihr Werk zur Flut wurde international ausgezeichnet.
Für Fluthaus ausgezeichnetMechernicherin gestaltet Kunstwerke aus Schokolade, Kuchen und Co.
„Gebackenes Hüftgold kombiniert mit kreativer Liebe.“ So umschreibt Doreen Zilske aus Mechernich das, was sie seit 2014 mit großer Leidenschaft in ihrer Freizeit betreibt: kunstvolle Zuckerbäckerei, die weit über das hinausgeht, was man sich gemeinhin unter Konditorware vorstellt, die bei einer Tasse Kaffee auf dem hübsch gedeckten Sonntagstisch landet.
„Ich habe eigentlich nie gebacken“, erzählt Zilske, die es beim Essen gerne nicht zu süß mag. Ihr Mann esse überhaupt keinen Kuchen: „Lieber ein Stück Fleisch“. Es war ein Hochzeitsgeschenk, das sie befreundeten Nachbarn 2014 machen wollte, das zur Initialzündung für das ausgefallene Hobby wurde, dem Zilske sich seither mit großer Leidenschaft widmet: „Ich hatte versprochen, ihnen eine Torte zu backen.“
Gesagt, getan: Das Brautpaar freute sich über eine ansehnliche Torte, die drei aufeinandergestapelten Kissen glich und mit allerlei Blumen verziert war. „Die würde ich heute keinem mehr zeigen“, sagt Zilske lachend, mittlerweile stellt sie doch ganz andere Ansprüche an ihre Kunstfertigkeit.
Damals habe sie regelrecht Blut geleckt. Wollte es besser lernen. Die Welt, die sich ihr eröffnete, als sie tiefer in die Zuckerbäckerei eintauchte, war eine völlig unbekannte. 2015 besuchte Zilske das erste Mal eine Messe in Dortmund: Internationale Tortenkünstler zeigten hier ihr Können. Spätestens hier, auf der gut besuchten Cake & Bake, wurde ihr klar, dass ihr neues Hobby eine reine Frauen-Domäne ist.
Bei „Deutschlands größtem Tortenwettbewerb“, wie die Messe wirbt, hatte Zilske Gelegenheit, die eingereichten Werkstücke zu bestaunen – und dachte sich prompt: „Das kann ich auch!“ Getreu ihrem Motto „Einfach mal machen, könnte gut werden“ probierte sie sich aus und wurde immer besser. Seither gehören Eimer voll mit mit Fondant, Modellierpaste, bunte Puderfarben, selbstbedrucktes Obladenpapier, Isomaltzucker und allerlei Schablonen, Prägewerkzeuge, Pinsel, Ausstecher und Silikonformen zum Freizeitspaß der passionierten Zuckerkünstlerin.
Ein Fluthaus und Gesellschaftskritik aus Zucker
Im echten Leben arbeitet die 52-Jährige im Fluthilfebüro der Caritas Euskirchen. Dort bekam sie in den letzten anderthalb Jahren hautnah mit, welches Leid die Flutkatastrophe im Juli 2021 über viele Menschen in der Region gebracht hat. Und da Tortenkunst keineswegs immer nur dekorativ-hübsch und rosafarben sein muss, verarbeitete Doreen Zilske die Not der Menschen in einem ganz besonderen Zuckerkunstwerk. In der Kategorie „Kleines dekoratives Element“ reichte sie im November auf der Cake International im britischen Birmingham ein aus Zucker kreiertes Fluthaus ein.
Ein, wie sie sagt, für sie sehr emotionales Werk. „Das Thema meines Schaustückes ist leider kein fröhliches Thema, da es ein Fachwerkhaus nach der Flut darstellt“, schreibt Zilske in ihrem Facebook-Blog. „Es starben dabei 196 Menschen in Deutschland, darunter ein Mädchen aus meinem Dorf. Nach nunmehr 1,5 Jahren sind noch immer viele Schäden und Baustellen verblieben. Seelische Wunden heilen sehr langsam oder gar nicht.“ Auch die Jury berührte das zerstörte Haus mit der darin sitzenden, verzweifelten Frau sehr. Sie verlieh der 52-Jährigen für die Arbeit eine Silber-Medaille. „Noch viel mehr aber hat es mich gefreut, dass die Messebesucher über mein Schaustück ins Gespräch kamen“, erklärt Zilske.
Überhaupt: Wer mit der Lessenicherin über ihr Hobby redet, merkt schnell, dass die Zuckerkunst genauso gesellschaftskritisch und politisch sein kann wie jede andere Kunst. Vor kurzem rief Doreen Zilske eine sogenannte Collaboration ins Leben, eine bei Zuckerkünstlern beliebte themengebundene Zusammenarbeit. „Poverty versus abundance“ (Armut contra Reichtum“) lautete die Aufgabenstellung, der sich 29 Torten-Designer aus 20 Ländern mit beeindruckenden Arbeiten widmeten. Zilske selber modellierte einen glitzernden roten Designer-Highheel und eine völlig zerfledderte Sandale. Beides stellte sie einander gegenüber. Wer die beiden in Originalgröße modellierten Schuhe betrachtet, hält es kaum für möglich, dass sie – rein theoretisch – essbar wären, so verblüffend echt wirken sie. Die Ergebnisse dieser Collaboration seien, so Zilske, in sechs Zuckerzeitschriften veröffentlicht worden.
Technisch hat sich die 52-Jährige im Laufe der Jahre viel angeeignet, meist autodidaktisch. Manches probiere sie auch aus und scheitere kläglich. „Einmal habe ich auf einer Messe ein lebensgroßes Steam-Punk-Kleid kreiert“, erzählt sie und schüttelt lachend den Kopf. Nie wieder würde sie das machen – weder in der Größe, noch derart öffentlich, denn das Messepublikum konnte ihr bei der Arbeit zusehen. „Am allerliebsten werkele ich zu Hause vor mich hin, dabei darf dann auch gerne der Fernseher laufen.“ Schwierigkeiten bereitet der Lessenicherin derzeit noch das Modellieren realistisch wirkender Gesichter: „Es hat einen Grund, warum meine Figuren oftmals nur von hinten zu sehen sind“, gibt sie schmunzelnd zu.
Das zuckerne Miniatur-Fluthaus übrigens, dessen liebevolle und gleichzeitig erschütternde Detailtreue einfach nur verblüfft, wird künftig nicht in irgendeinem Schrank verstauben. „Nein, ich werde es mit in unser Fluthilfebüro nehmen“, sagt Zilske. „Das ist der perfekte Ort.“