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Nach der FlutWandern unter Tage statt im Mechernicher Bergbaugebiet

Lesezeit 6 Minuten
Ein Mann hält einen Grubenfrosch, die historische Öllampe der Bergleute.

Auch den Grubenfrosch entzündete Günter Nießen. Die Öllampen waren einst die einzigen Lichtquellen der Bergleute.

Seit der Flutkatastrophe 2021 sind die Wanderwege im einstigen Bergbaugebiet von Mechernich gesperrt. Touren wie die traditionelle Silvesterwanderung sind nicht möglich, stattdessen geht's unter Tage ins alte Bergwerk.

Ist es nicht herrlich, wenn ein Plan gelingt? Und wenn es dann sogar der Plan B ist, die Notlösung in einer eher ausweglosen Situation, dann ist es besonders erfreulich. Wie im Fall der traditionellen Silvesterwanderung durch das einstige Bergbaugebiet in Mechernich, die diesmal nicht durchgeführt werden konnte. War es in den vergangenen Jahren die Corona-Pandemie gewesen, die Menschenansammlungen unmöglich machte, so waren es jetzt die Folgen der Flutkatastrophe, die das Vorhaben vereitelten.

382 Teilnehmer hatten noch 2019 das Angebot wahrgenommen, mit sachkundigen Führern über die oberirdischen Teile des ehemaligen Bergwerksgeländes zu gehen. Doch das Ordnungsamt Mechernich hat in Absprache mit dem Bergamt bis auf Weiteres die Sperrung der Wege durch das Gebiet zwischen Kallmuth und dem Baltesbendener Weiher verfügt. Und da die Führer sich nicht mit ihren Gästen auf eine Wanderung durch die Mechernicher Innenstadt begeben wollten, war guter Rat teuer.

107 Teilnehmer an Silvester in Mechernich unter Tage

So entstand der Gedanke, am Silvestertag Sonderführungen durch das Besucherbergwerk Grube Günnersdorf anzubieten. Eine Idee, die zündete: Binnen weniger Tage waren die ursprünglich vier vorgesehenen Führungen ausgebucht, eine fünfte wurde angesetzt. Doch auch das reichte nicht. „Nach einer Woche konnten wir niemanden mehr annehmen“, sagte Doris Beckel. Mit Kati Bax, Ulla Zeug und Inge Nießen hatte sie die telefonischen Anmeldungen zu den Führungen angenommen. Doch die Nachfrage riss nicht ab. Immer wieder klingelte das Telefon mit Nachfragen nach weiteren Terminen.

Eine Besuchergruppe ist mit roten Helmen ausgestattet im Besucherbergwerk unterwegs.

Zahlreiche Besucher gingen an Silvester ins ehemalige Mechernicher Bergwerk.

107 Gäste waren es letztendlich, die die Tour durch die Grube in Angriff nahmen. Wie Carola und Rudolf Zens, die zuvor bereits acht Mal die Silvesterwanderung mitgemacht hatten. „Wir wollten auch dieses Mal wieder wandern, doch die Wege sind ja leider gesperrt“, sagte er. Durch einen Bericht in der Zeitung seien sie damals auf die Veranstaltung aufmerksam geworden, doch im Besucherbergwerk seien sie noch nie gewesen.

Im alten Stollen sicher vor dem Sturm

Anders als ihr Freund Frank Kaus, der sie begleitete. Drei Führungen durch die Grube hatte er bereits mitgemacht, war aber noch nie bei der Silvesterwanderung dabei. Sie schlossen sich der insgesamt 20-köpfigen Gruppe an, die sich mit Günter Nießen, dem Vorsitzenden des Fördervereins des Bergbaumuseums, auf den Weg durch den Stollen der ehemaligen Grube Günnersdorf machte.

Eine „Tutte“ ist eine Knolle aus Eisen und Mangan inmitten des Sandsteins.

Eine „Tutte“, eine Knolle aus Eisen und Mangan, ist inmitten des Sandsteins zu entdecken.

„Das wäre mit dem Sturm fast in die Hose gegangen“, zeigte sich Nießen erleichtert, dass er mit seiner Gruppe sicher vor herabstürzenden Ästen unter Tage unterwegs sein würde. Denn die Windböen, die am Silvester-Vormittag noch mit bis zu 90 Stundenkilometern über die Eifel gezogen waren, hätten die Durchführung der Wanderung vielleicht ohnehin gefährdet. Doch auch schon im Jahr 2018 hatten fast 350 Silvesterwanderer einer Sturmwarnung und starken Böen getrotzt und sich dessen ungeachtet auf die gewohnte Wanderung begeben.

OP-Saal aus dem Zweiten Weltkrieg ist seit der Flut voller Schlamm

Gut gelaunt, humorvoll und mit einem schier unerschöpflichen Strauß an Anekdoten ausgestattet, führte Nießen die Gruppe durch die Gänge des ehemaligen Bleibergwerkes, die in den 1990er-Jahren über sechs Jahre hinweg vom Schlamm befreit worden waren. „Ich mache das gerne“, sagte Nießen, der auch immer wieder gerne von besonderen Führungen oder Dreharbeiten im Besucherbergwerk berichtet.

Zahlreiche alte Werkzeuge der Bergleute sind unter Tage ausgestellt.

Zahlreiche alte Werkzeuge der Bergleute sind unter Tage ausgestellt.

Dass die Flut auch die alten Stollen in Mitleidenschaft gezogen hat, zeigt sich in dem Raum, den die Ärzte des Mechernicher Krankenhauses im Zweiten Weltkrieg als Operationssaal nutzten. Er kann derzeit nicht besichtigt werden. „Der ist voller Schlamm, den die Flut aus dem Tagebau in die Stollen gespült hat“, so Nießen. Immer noch seien die Ehrenamtler des Bergwerkvereins dabei, den Schlamm aus dem Raum zu schippen.

Die Kinder waren begeistert von der Tour in die Unterwelt

Die Gelegenheit nutzte Nießen für ein wenig Werbung in eigener Sache: Hilfe sei dabei immer willkommen. Dies gelte auch für Grubenführer. Denn unter diesen seien mehrere, die berufstätig seien und immer wieder zeitliche Probleme hätten. „Im Augenblick bilde ich einen aus, der ist 15 Jahre alt“, so Nießen.

Zwei Kinder stehen in einer alten Abbauhalle des Besucherbergwerks.

Den „Schokoladenlehm“ an der Decke der kleinen Abbauhalle zeigt der dreijährige Tom Bollig seiner Schwester Lena.

Vor allem die Kinder, die rund anderthalb Stunden lang unter Tage unterwegs waren, zeigten sich begeistert. „Gut hat es mir gefallen“, riefen die fünfjährige Lena und ihr dreijähriger Bruder Tom wie im Chor. Mit ihrem Vater Fabian Bollig nahmen sie an der Exkursion teil, wobei sich Lena als alte Bergwerkshäsin entpuppte. „Mit der Vorschule bin ich schon einmal hier gewesen“, verwies sie auf einen ähnlichen Besuch wenige Wochen vorher.

„Mir hat am besten der Schokoladenschlamm gefallen“, schwärmte die siebenjährige Laura Löhn von dem Lehm, der an manchen Stellen immer noch bräunlich schimmernd an den Wänden klebt. Auch die Vertreter der älteren Generation, die sich tapfer über die teilweise steilen Treppen gekämpft hatten, waren angetan von der Führung. „Das war schön“, sagte die 80-jährige Ursula Schmitz. Ihre zwei Brüder haben die Bergmannslehre noch in dem Mechernicher Bergwerk gemacht, berichtete sie. Vor vielen Jahren sei sie bereits einmal in der Grube gewesen, habe aber nicht mehr gewusst, dass es derartig hoch und runter gehe. „Mein Mann hat das besser überstanden als ich, und der ist 87“, verriet sie schmunzelnd.


Wie geht es im Bergschadensgebiet weiter?

„Das Betretungsverbot im Bergschadensgebiet ist kein Spaß, daran sollte man sich halten“, betont Silvia Jambor, Fachbereichsleiterin Ordnungsamt bei der Stadt Mechernich. Es haben sich unmittelbar neben dem Weg Löcher im Erdboden aufgetan: „Dort besteht Einsturzgefahr, und man kann tief fallen.“ Deshalb sollten die Bauzäune, mit denen die Wege abgesperrt seien, unbedingt beachtet werden.

Bei den Regenfällen, die zur Flutkatastrophe 2021 führten, habe es Wassereinbrüche in den unterirdischen Stollen gegeben, die den Mechernicher Bleiberg durchziehen. Dabei sei es zu Unterspülungen gekommen, so dass die Stollen teilweise eingestürzt seien oder die entsprechende Gefahr bestehe.

In Absprache mit den Experten beim Bergamt in Arnsberg sei deshalb das Betretungsverbot ausgesprochen worden. „Die Wege sind nicht für den Besucherverkehr geeignet“, so Jambor. Zurzeit sei das Ordnungsamt mit dem Bergamt in Klärung, wie in diesen Bereichen weiter verfahren werden könne. So könnten einzelne Schächte verfüllt, andere Bereiche dagegen auch auf Dauer gesperrt werden. (sev)


Die Historie der Silvesterwanderungen

Seit mehr als vier Jahrzehnten wird die Silvesterwanderung des Bergwerkvereins in Mechernich veranstaltet. Damit wird an die letzte Schicht am 31. Dezember 1957 erinnert, als die Grube „op Spandau“, wie das Bergwerk im Volksmund hieß, stillgelegt wurde. Ins Leben gerufen wurde die Veranstaltung von dem Strempter Ernst Schoddel, der sich in den 1970er-Jahren an einem Silvesterabend mit einer Gruppe Neugieriger auf den Weg durch die ehemaligen Produktionsanlagen der Bleihütte machte. (sev)