Mechernicher sind in Sorge, dass bei der aktuellen Überarbeitung des NRW-Gesetzes zu Straßenausbaubeiträgen hohe Kosten auf sie zukommen.
Straßenausbaubeiträge in NRWBürger in Mechernich befürchten horrende Kosten
Momentan ruhen die Bauarbeiten zum Ausbau des Höhenwegs in Vussem – witterungsbedingt. Doch die Anwohner befürchten, dass ihnen die Stadt Mechernich in nicht allzu ferner Zeit eine saftige Rechnung für den Ausbau der Straße präsentieren könnte: Eine geplante Gesetzesänderung von Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) könnte dazu führen, dass in bestimmten Fällen Anwohner künftig wieder bei den Straßenbaubeiträgen zur Kasse gebeten werden.
Im Landtagswahlkampf des vergangenen Jahres war das Thema noch in aller Munde, denn damals warben die damaligen Koalitionsparteien CDU und FDP mit dem Plan, praktisch alle Ausbaubeiträge abzuschaffen. Nach der Wahl wurde das entsprechende Gesetz tatsächlich verabschiedet: Es ist seit Juni des vergangenen Jahres in Kraft. Doch nun soll das Gesetz überarbeitet werden – mit möglicherweise gravierenden Auswirkungen für die betroffenen Bürger.
In einem Fall drohen in Vussem sogar Kosten von rund 200.000 Euro
Bei den Anwohner schrillten jedenfalls die Alarmglocken, als sie von der geplanten „Änderung der Änderung“ erfuhren. „Uns liegen bislang nur Kostenschätzungen aus dem Jahr 2021 vor“, berichtet Höhenweg-Anwohner Stefan Schmitz aus Vussem: „Keiner kommt mit weniger als 25.000 Euro aus der Sache raus. In einem Fall liegen die geschätzten Kosten sogar bei rund 200.000 Euro.“
Und dabei seien die Kostensteigerungen im Bausektor, die es in der Zwischenzeit gegeben habe, noch nicht einmal mit berücksichtigt. „Das ist existenzbedrohend“, stimmt Frank Sistig aus Weiler am Berge ihm zu. Dort sind Anwohner der Straßen Spitzbergweg und Betzelbend betroffen, die derzeit ebenfalls ausgebaut werden.
Auch dort seien Kostenschätzungen im fünfstelligen Eurobereich an die Anwohner verschickt worden. „Ein Nachbar hat mir schon gesagt, dass er sein Haus verkaufen und wegziehen müsse, wenn die geschätzten 80.000 Euro einmal fällig werden“, berichtet Sistig.
Das Problem: Für die Stadt Mechernich handelt es sich beim derzeitigen Ausbau der genannten Straßen um die jeweils erstmalige Herstellung. Und das, obwohl die Straßen zum Teil schon seit vielen Jahrzehnten asphaltiert sind, über Versorgungsleitungen und eine funktionierende Straßenbeleuchtung verfügen. Die Erstellungskosten sind nach Kenntnis der Stadt aber nie mit den Anwohnern abgerechnet worden, weshalb sie künftig noch für den derzeit laufenden Ausbau zur Kasse gebeten werden könnten.
Anlieger wollen sich an Ministerin Ina Scharrenbach wenden
„Der untere Teil des Höhenwegs ist laut der Nachbarn, die schon immer in Vussem gewohnt haben, seit mehr als 60 Jahren asphaltiert“, berichtet Ralf Schumann, der nun zusammen mit den betroffenen Bürgern aus Vussem und Weiler am Berge überlegt, wie sie gegen die geplante Gesetzesänderung vorgehen wollen: „Das betrifft ja Menschen überall in NRW“, so Schumann. Er und seine Mitstreiter wollen sich direkt an Bau- und Heimatministerin Scharrenbach wenden sowie an die Landtagsabgeordneten, die noch über den Entwurf abstimmen müssen.
„In der derzeit gültigen Fassung des Gesetzes gibt es einen Passus, wonach Erschließungsbeiträge nach spätestens 25 Jahren mit den Anwohnern abgerechnet sein müssen“, erklärt Thilo Waasem, Vorsitzender der SPD im Kreis Euskirchen und Referent der SPD-Fraktion im Landtag NRW. „Im ersten Entwurf des Gesetzes, dem so genannten Referentenentwurf, war diese 25-jährige Verjährungsfrist auch noch enthalten“, sagt Waasem: „In dem Entwurf, der aktuell im Fachausschuss beraten wird, wurde der entsprechende Absatz jedoch gestrichen.“
Waasem vermutet einen Fall erfolgreicher Lobbyarbeit: Er hat den Städte- und Gemeindebund im Verdacht, auf die Streichung der Verjährungsfrist hingewirkt zu haben. Denn auch für die Kommunen geht es bei der Frage, mit welchem Anteil die Bürger an den Ausbaukosten beteiligt werden können, um eine Menge Geld.
Dabei handelt es sich, da ist Waasem sicher, nicht nur um Einzelfälle: „Das betrifft wirklich sehr viele Bürger“, sagt der Bad Münstereifeler, der in seiner Heimatstadt auch dem Stadtrat angehört. „Für den Bereich der Stadt Bad Münstereifel gehe ich von etwa 250 Straßen aus, deren Erstellungskosten noch nie mit den Anliegern abgerechnet worden sind. Und das bei einer Gesamtzahl von rund 500 Straßen im gesamten Stadtgebiet“, so Waasem.
Dass es auch andere Möglichkeiten gibt, Rechtssicherheit für die Bürger herzustellen, betont CDU-Landtagsabgeordneter Klaus Voussem: „In der Gemeinde Nettersheim zum Beispiel hat man diese Straßen zu ,Historischen Straßen’ erklärt und beschlossen, diese nicht mehr abzurechnen“, so Voussem. Er betont im Gespräch mit dieser Zeitung, dass das Gesetzgebungsverfahren derzeit noch laufe und demnach noch nichts entschieden sei. „Den Bürgern liegt ja auch noch kein Gebührenbescheid vor. Ich kann die Sorgen aber natürlich sehr gut nachvollziehen bei den Summen, die hier im Raum stehen.“
Seit dem Herbst 2022 stehe er in Kontakt mit den Anwohnern aus dem Stadtgebiet von Mechernich, die sich wegen der Übernahme der Erschließungsbeiträge an ihn gewandt haben, sagt Voussem. „Aus anderen Kommunen meines Wahlkreises sind mir keine anderen Fälle bekannt“, so Voussem weiter: „Wir arbeiten an einer Lösung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, aber die muss natürlich auch gerichtsfest sein.“
Um für alle Beteiligten Klarheit zu schaffen, stehe er im Austausch mit dem Heimatministerium, welches das Thema betreut. Voussem: „Das Ministerium hat den Kontakt mit der Stadt Mechernich gesucht, um eine Lösung für die Gebührenerhebung aufzuzeigen. Nach meiner Kenntnis sind diese Gespräche im fortgeschrittenen Stadium, sie dauern aber noch an.“ Nicht nur in Vussem und Weiler dürfte man auf das Ergebnis gespannt sein.
Wer zahlt für den Straßenbau?
„Erschließungsbeiträge sind nicht gleichzusetzen mit der Übernahme der Straßenausbaugebühren nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG)“, betont CDU-Landtagsabgeordneter Klaus Voussem: „Vereinfacht lässt sich sagen: Erschließungsbeiträge werden berechnet, wenn eine Straße erstmalig erschlossen wird, Straßenausbaugebühren wurden berechnet, wenn eine Straße saniert wurde.“
Für die betroffenen Bürger ist dieser Unterschied jedoch oft von großer finanzieller Bedeutung: Denn während die Erschließungsbeiträge zu 90 Prozent auf die Bürger umgelegt werden können, ist bei den Straßenausbaugebühren eine komplette Abschaffung des Anlieger-Beitrags geplant. Die Kosten werden in diesem Fall nicht von den Anliegern, sondern von der Allgemeinheit getragen.
„Verfassungsrechtliche Bedenken“, so Voussem, hätten nun dazu geführt, dass die Landesregierung eine „Änderung der Änderung“ plane.