Mobiles KlassenzimmerZirkuskinder bekommen Unterricht im Schulbus
Bad Münstereifel-Eicherscheid – Am Ende der Kohlstraße in Richtung Hohn fallen einem mehrere Wagen und ein halboffener Stall für die Tiere des Zirkus Meik auf. Die Familie hat dort einen Zwischenstopp eingelegt und möchte – wenn es die Corona-Pandemie überhaupt zulässt – in einigen Wochen in Euskirchen ihren Weihnachtszirkus veranstalten. Diesen hatten sie im vergangenen Jahr bereits im Bad Münstereifeler Stadtteil Arloff präsentiert.
„Die Werbung ist bereits gedruckt, und wir werden sie auch aufhängen“, erklärt der 45-jährige Markus Knoch. Er lebt zurzeit mit seiner Lebensgefährtin Vanessa Lauenburger und fünf Kindern auf dem Platz in Eicherscheid. Dem Familienvater zehrt die Ungewissheit, wie es zu Corona-Zeiten weitergeht, schon ziemlich an den Nerven: „Wir müssen jetzt Reklame machen. Wenn der Winterzirkus dann doch nicht stattfinden kann, war es umsonst. Andererseits können wir nicht erst zwei, drei Tage vorher mit unseren Plakaten werben.“
Schule für Zirkuskinder muss auch mobil sein
Aber nicht nur die Zirkuswagen fallen in Eicherscheid auf, sondern auch ein weißer Bus, ähnlich wie ein Wohnmobil. Auf ihm prangt die Aufschrift „Schule für Zirkuskinder in NRW“. Unter der Trägerschaft der Evangelischen Kirche im Rheinland unterrichten Lehrerinnen und Lehrer die Kinder von Zirkusfamilien. Eine davon ist Katja Düsener aus Rheinbach.
Seit Jahren arbeitet sie für den Träger mit Hauptsitz in Hilden. Vorher hatte sie an einer Grundschule gearbeitet. „Ich war mit dem Schulsystem nicht mehr so einverstanden und hatte schon länger etwas anderes gesucht“, erklärte die Pädagogin. Zunächst sei sie probeweise mit einer Kollegin mitgefahren. „Es hat mir sehr gut gefallen, und ich mache es aus Überzeugung“, sagt Düsener.
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Aktuell betreut sie zwei Zirkusfamilien, neben der in Eicherscheid hat sie noch eine in Minden. Jeweils an zwei Tagen gibt sie dort den Kindern Unterricht. „Von Rheinbach aus bin ich schnell in Eicherscheid, da brauche ich nach Minden allerdings schon um die drei Stunden Fahrtzeit“, erklärt die Lehrerin. In ihrer mobilen Schule ist sämtliches Unterrichtsmaterial für die Schülerinnen und Schüler vorhanden. Da wissen Samantha (6), Joana (8) und Loreen (10) vom Zirkus Meik, als sie um 9 Uhr das Schulmobil betreten, sofort, in welchem Staukasten sich ihre Hefte und Bücher befinden. Ihre 17 Jahre alte Schwester Laura macht zurzeit in Deutsch, Mathematik und Englisch Online-Unterricht. Sie bereitet sich auf ihren Realschulabschluss (Mittlere Reife) vor. Die Schule hat auch alle Zirkuskinder mit Computern ausgestattet.
Da die Zirkusfamilien in der Regel viel reisen, müssten ihre Kinder jedes Mal eine andere Schule besuchen. „Das kommt zwar schon mal vor – meistens im Winter –, macht aber nicht so viel Sinn. Natürlich haben die Kinder bei uns weniger Unterricht, allerdings ist dieser viel intensiver“, sagt die Rheinbacherin. Man halte sich zwar an den Lehrplan, könne aber wegen der geringen Anzahl der Kinder viel individueller auf sie eingehen. „Was passt zum Leben der Kinder? Dies ist mir ganz wichtig“, unterstreicht Katja Düsener.
Auch im Schulbus gibt es Noten
Sie unterrichtet alle Fächer. Und in denen sie sich nicht so gut auskennt, sucht sie mit den Schülern gemeinsame Lösungen. Im Internet finde man immer etwas. Natürlich müssen die Mädchen und Jungen auch Klassenarbeiten und Tests schreiben. Notenzeugnisse gibt es erst ab der neunten Klasse.
Und auch den Kindern macht die mobile Schule offenbar sehr viel Spaß. „Das ist besser, als ständig irgendwo anders in die Regelschule zu müssen. Da hat man es ja dann immer mit neuen Lehrern und Mitschülern zu tun“, erklärt die zehnjährige Loreen.
Natürlich werden mit den Zirkuskindern auch Ausflüge und mehrtägige Fahrten gemacht. „Das ist für die Mädchen und Jungen immer ein Highlight“, erklärt Lehrerin Düsener.