AboAbonnieren

WeihnachtsbrauchtumBöllerschützen Nettersheim ernten ein Echo von der anderen Talseite

Lesezeit 3 Minuten
Die Böllerschützen haben sich am Hang positioniert und feuern ihre Büchsen ab. Pechfackeln beleuchten die Szenerie.

Einen lautstarken Festtagsgruß sandten die Nettersheimer Böllerschützen an Heiligabend über das Tal.

Das Weihnachtsböllern hat Bernd Elschner vor 20 Jahren nach Nettersheim importiert. Seitdem begrüßen die Böllerschützen das Fest mit Salut.

„Kaboom“, so könnte die lautmalerische Übersetzung aus einem Comic heißen, wenn denn einmal das Weihnachtsböllern in Nettersheim als Thema für eine Graphic Novel gewählt werden würde. Jedes Jahr, wenn an Heiligabend die Dämmerung einsetzt, rollen pünktlich mit dem Glockengeläut zum Ende der Frühmesse die krachenden Festtagsgrüße der Nettersheimer Böllerschützen durch das Tal.

Und wer das Gefühl hatte, dass das Echo vom gegenüberliegenden Berghang in diesem Jahr besonders ausgeprägt war, der irrte nicht. Denn zum ersten Mal hatten sich die Böllerschützen zum lautstarken Salut aufgeteilt – quasi Stereo.

Diesmal gab's Verstärkung durch die 1. Böllerschützen aus Bonn

Von West nach Ost und wieder zurück schallte es in diesem Jahr über die Dächer des Eifelortes. Vom Grundstück von Inge und Wolfgang Booch aus, auf dem sich wie in den Vorjahren fünf Schützen versammelt hatten, kamen die ersten Kracher, und die Antwort, die von der Blankenheimer Straße aus kam, ließ nicht lange auf sich warten. Eine gelungene Erneuerung zum Jubiläum nach 20 Jahren Böllerei in Nettersheim.

Für die Verstärkung hatten sich drei Schützenfreunde von den 1. Böllerschützen Bonn auf der Gegenseite positioniert. „Das wäre auf dem Grundstück von Boochs zu voll geworden“, sagte Karl-Heinz Seidenfaden, Vorsitzender der Nettersheimer Böllerschützen.

Sechs Musiker spielen auf der Terrasse eines Hauses.

Für die musikalische Untermalung sorgte die „K'pelle unterwegs“.

2004 hatte Bernd Elschner, kurz „Böller-Bernd“, den Brauch aus dem Berchtesgadener Land mitgebracht und auf einem unbebauten Grundstück am Grabenweg in Nettersheim zum ersten Mal praktiziert. Auch als sich das Ehepaar Boock das Bauland gesichert hatte und ein Einfamilienhaus dort errichtet wurde, setzte sich das süddeutsche Brauchtum in der Eifel weiter fort. Und so soll es auch in Zukunft sein, kündigte Wolfgang Booch an.

Ein lebenslanges Böllerrecht hat er den Böllerschützen schon vor Baubeginn vor nunmehr mehr als 15 Jahren zugesagt, doch der Blick ging nun noch weiter hinaus. „Eine Baulast ist bereits eingetragen, aber ich werde beim Notar auch eine Böllerlast eintragen lassen“, versprach er. Denn mit seinem 20-jährigen Bestehen ist das Nettersheimer Weihnachtsböllern längst im Brauchtum angekommen und damit sakrosankt.

Die „K'pelle unterwegs“ spielte vor 50 Gästen

Böllererfahrung aus Süddeutschland hatte auch Karola Esser mitgebracht. Sie sei 2004 am Chiemsee gewesen, wo ebenfalls geböllert werde. Allerdings sei es dort eine rein männliche Angelegenheit, Frauen dürften da keine Böllerschützen sein, berichtete sie. „Doch ich habe mitgeschossen, als einzige Frau“, sagte sie stolz.

Für die musikalische Untermalung mit Weihnachtsliedern sorgte auch in diesem Jahr wieder die „K'pelle unterwegs“. Rund 50 Gäste waren auf das Grundstück am Grabenweg gekommen, um bei Glühwein, Nebel und einstelligen Temperaturen das Weihnachtsritual mitzuerleben. Da es dabei zu einer erheblichen Geräuschentwicklung kommen kann, hatten sich viele der Schaulustigen mit Ohrstopfen oder Kopfhörern ausgestattet.

Immer wieder gab es auch mal Ladehemmungen

Doch offensichtlich war nicht allen Anwesenden bewusst, wie laut das werden kann. „Zu laut“, war eine Kinderstimme zu vernehmen, nachdem Seidenfaden seinen Schaftböller abgefeuert hatte, der mit seinem Kaliber 40 noch das eine oder andere Dezibel auf den Knall aus den rund fünf Kilogramm schweren Böllerpistolen drauflegt.

Lange Ratsche, also Böllerschüsse mit mehrere Sekunden langen Intervallen, dann ein Musikstück, dann die kurze Ratsche mit kürzeren Pausen und zum Ende ein Salut, so war eigentlich der Plan, den die Schützen ausgearbeitet hatten. „Wenn das Blaulicht kommt, müssen wir aufhören“, scherzte Seidenfaden. Doch die Technik und vielleicht auch das feuchtkalte Wetter verhinderten den reibungslosen Ablauf. Immer wieder gab es Verzögerungen durch Ladehemmungen oder verklemmte Zündhütchen, die von der Musikkapelle mit Zwischenmusiken überbrückt wurden.

Doch schließlich, nachdem der letzte Knall über dem Tal verhallt war, fielen sich Besucher und Schützen um den Hals oder schüttelten sich die Hände, um sich gegenseitig ein frohes Weihnachtsfest zu wünschen. Und dann kehrte auch in Nettersheim der Weihnachtsfrieden ein.