Zahlreiche Menschen hatten Anfang März Hilfsgüter zur Burg Marmagen gebracht, nun sind diese in der Ukraine angekommen.
Fahrer berichtenHilfsgüter aus dem Kreis Euskirchen wurden in die Ukraine transportiert

Palettenweise wurden die Hilfsgüter in Marmagen in den Lkw verladen. Auf rund 400.000 Euro schätzen die Helfer den Wert des aktuellen Transports, den sie in die Ukraine gebracht haben.
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Die Menschen aus dem Kreis Euskirchen haben geholfen. Die Hilfsgüter, die zahlreiche Bürger Anfang März zur Burg Marmagen gebracht hatten, sind inzwischen neben anderen Spenden aus dem Raum Düsseldorf mit vier Fahrzeugen ins Kriegsgebiet in der Ukraine gebracht worden. Von der aktuellen Tour berichten Thomas Claßen, der auf der Burg lebt, und Ralf Oetinger, der aus Düsseldorf kommt.
Seit Ausbruch des Krieges vor mehr als drei Jahren engagieren sich die beiden Polizisten gemeinsam mit einigen ihrer Kolleginnen und Kollegen sowie weiteren Unterstützern. Neben Nahrungsmitteln werden insbesondere medizinische Hilfsgüter gebraucht, um Verletzte zu versorgen.
Helfer aus der Eifel vertrauen Partnern in der Ukraine
Als Partner vor Ort im Westen der Ukraine nahe der Großstadt Lwiw, dem ehemaligen Lemberg, nicht weit von der polnischen Grenze entfernt, kümmert sich das „Center for Regional Initiatives of Yavoriv Region“ (Criya) um die Weitergabe der Spenden. Diese Nicht-Regierungs-Organisation (NGO), das Zentrum für regionale Initiativen in der Region um die Kleinstadt Yavoriv, hat das Vertrauen der Helfer aus Deutschland, dass alle Güter da ankommen, wo sie gebraucht werden.

Sind aus der Ukraine zurück: Ralf Oetinger (v.l.), Thomas Claßen und Martin Breuer, die Fahrer des Hilfstransports.
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Mit vier Fahrzeugen sind die Marmagener und Düsseldorfer Helfer gestartet. Ein 40-Tonner samt Anhänger wurde mit den Spenden aus dem Kreis Euskirchen beladen. 32 Europaletten mit Hilfsgütern wurden mit Gabelstaplern in den Lkw gehievt. Thomas Claßen steuerte einen ebenfalls mit Spenden beladenen Pick-up bei, ebenfalls samt Anhänger. Außerdem fuhren zwei 3,5-Tonner mit, davon einer mit Anhänger.
Eines dieser Lieferfahrzeuge, das zwar schon einige Jahre auf dem Buckel hat, aber voll einsatzfähig ist, wurde als Spende in der Ukraine gelassen, um der Hilfsorganisation die Verteilung vor Ort zu erleichtert. „Alle Fahrzeuge waren bis unters Dach zum Bersten voll“, erinnert sich Ralf Oetinger an die Aktion. Unter anderem rund 100 Krücken, Rollatoren, Rollstühle und weiteres medizinisches Material habe man mitgenommen.
500 Kilo Nudeln wurden aus der Eifel in die Ukraine gebracht
Im 2600-Einwohner-Dorf Medyka, nahe der Stadt Przemysl, wurde die polnisch-ukrainische Grenze passiert. Allerdings musste der schwere Lastwagen in Korczowa in Polen bleiben und umgeladen werden – die Behörden hatten Bedenken. Die Hilfsgüter wurden zunächst in ein Lagerhaus der NGO Criya getragen – mit viel Manpower, so Oetinger.
Geholfen wird auch mit Nahrungsmitteln, etwa 500 Kilo Nudeln, die die Tierärztin Irene Heck aus Dahlem bei der sozialen Einrichtung „Wohngemeinschaft Neues Leben“ in Neuhaus übernommen hatte, oder Proteinriegeln. „Die Menschen in der Ukraine stehen mit dem Rücken zur Wand. Viele haben nichts mehr zu essen. Der Staat kann so gerade mit Ach und Krach seine Armee unterhalten. Aber wer krank ist, zu dem kommt niemand, um ihm zu helfen, um eine Operation vorzunehmen“, fasst Ralf Oetinger seine Eindrücke nicht weit von der Front entfernt zusammen.
Marmagener war schon 35 Mal in der Ukraine
Seine Hilfsorganisation habe inzwischen 61 Touren in die Ukraine unternommen, 35-mal sei er selbst dabei gewesen. „Ich glaube, da kann ich mir ein ernstzunehmendes Urteil über die dortigen Verhältnisse bilden“, fügt Oetinger an. Und er habe den Schock der Menschen gespürt, den kürzlich ein russischer Raketenangriff auf einen Kinderspielplatz in der südukrainischen Industriestadt Krywyj Rih hinterlassen habe. Bei dem Angriff sind 19 Menschen, darunter neun Kinder, gestorben. „Das hat sie tief getroffen“, so Oetinger.
Um so dankbarer seien die Menschen für die Hilfe aus Deutschland: „Sie sind so sehr drauf angewiesen wie auf die Luft zum Atmen. Viele haben nach über drei Jahren Krieg absolut nichts mehr. Sie haben ihr Erspartes komplett verzehrt, ihren Schmuck und ihre Kunstwerke verkauft, nur um zu überleben.“

Medizinische Produkte zur Versorgung der Verletzten werden genauso geliefert wie Nahrungsmittel.
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Oetinger spricht von „herzlichen, emotionalen Begegnungen“. Und: „Absolut alles, was die Menschen in der Eifel und anderswo gespendet haben, wird gebraucht, wie das Wasser in der Wüste.“ Zudem macht er die Dimensionen klar: Von seiner Haustür in Düsseldorf bis nach Saporischschja – der Großstadt in der südlichen Ukraine, die durch ihre Atomkraftwerke zu traurigem Ruhm gelangt ist – habe er 24 Stunden gebraucht. Was ihn zu dem Schluss bringt: „Panzer wären in höchstens zwei Tagen in Düsseldorf. Wir müssen in unserem eigenen höchsten Interesse dafür sorgen, die Ukrainer und ihr Durchhaltevermögen zu stärken.“
Hilfsaktion geht weiter
Ralf Oetinger bilanziert, dass seine Gruppe mittlerweile Hilfsgüter mit vielfachen Millionenwerten in die Ukraine gebracht habe, allesamt finanziert über Spender. Allein der jüngste Transport im April sei seiner Schätzung nach mit einem Wert von mehr als 400.000 Euro zu veranschlagen. „Die Hilfsaktion geht weiter“, versichert Oetinger: „Die Menschen in der Ukraine brauchen uns zum Überleben.“
Thomas Claßen konnte nicht an dem Gespräch teilnehmen. Stattdessen hat er geschrieben: „Ich möchte den Spendern einfach meinen Dank aussprechen. Es war eine sehr erfolgreiche Hilfslieferung, und jeder Spender war Teil dieser Tour!“ Er hoffe insbesondere auf weitere, möglichst kontinuierliche Geldspenden, mit denen Notwendiges dazugekauft werden könne, etwa zur Ausstattung von Kliniken.
Auch das lässt Claßen erkennen: Zwar hätten sie keine direkten Kampfhandlungen erlebt, sondern „nur dreimal Luftalarm und keine Einschläge in unserer Nähe“. Vieles von dem in der Ukraine Erlebten habe aber Spuren hinterlassen: „Man kann es nicht wirklich erzählen, sondern man fühlt es, wenn man da ist.“ So müsse er zum Beispiel an die Angst der jungen Menschen denken, die kurz vor dem Alter stünden, in dem sie zur Armee eingezogen würden. Und er denke „an dieses Gefühl, wenn man durchs Land fährt: Jedes Örtchen hat seinen Friedhof, und man sieht diese ganzen Fahnen der Gefallenen. Das ist furchtbar bedrückend“, so Claßen.
Wer die Hilfsaktion zugunsten der Menschen in der Ukraine auch in Zukunft unterstützen will, kann Ansprechpartner für seine Geld- und Sachspenden unter den Mailadressen ri.sorge@web.de (Ralf Oetinger) und tc69@gmx.de (Thomas Claßen) erfragen.