Zahlreiche Spender haben in der Marmagener Burg Material für die nächsten Transporte in die Ukraine abgegeben. Die Aktion ist damit nicht beendet.
Spendenaktion in MarmagenGroße Hilfsbereitschaft im Kreis Euskirchen für die Ukraine

Ein kleiner Teil der Öfen für die Schützengräben in der Ukraine: Thomas Claßen wird noch etliche zugesagte Wärmespender abholen.
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Es geht Schlag auf Schlag: Stundenlang ist die Burg Marmagen ein Hotspot der Hilfe. Wäre die Annahmestelle für Hilfsgüter für die Ukraine nicht unter freiem Himmel – die Spender, die aus dem gesamten Kreis Euskirchen kamen, hätten sich die berühmte Klinke in die Hand gegeben. Der Strom der Unterstützer reißt den ganzen Samstag über kaum ab.
Mittendrin in dem Trubel stehen Thomas Claßen und sein Mann Bernd Thrum wie ein Fels in der Brandung. Für jeden, der dringend benötigte Hilfsgüter vorbeibringt, haben sie freundliche Worte des Dankes und ein Lächeln parat. Doch Claßen und Thrum sind nicht allein. Längst ist die Ukraine-Aktion zu einer Sache des ganzen Ortes geworden. Dafür steht beispielhaft Kurt Schröder, Vorsitzender der Eifelverein-Ortsgruppe Marmagen. Aber ebenso für zahlreiche Nachbarn des historischen Burggemäuers ist es eine Selbstverständlichkeit, mit anzupacken.
Schnell stapeln sich in Marmagen die gespendeten Hilfsgüter
Das ehrenamtliche Engagement von Thomas Claßen und seinen Helfern hat sich bis ins Monschauer Land rundgesprochen. So ist Petra Janßen aus Rurberg durch einen Facebook-Post aufmerksam geworden. „Ich bin froh, dass ich die Sachen meines verstorbenen Mannes Klemens nicht weggeworfen habe“, sagt sie bei der Übergabe eines Rollators, warmer Winterjacken, neuwertiger Schuhe, Decken und anderem, das bald anderen Menschen helfen wird, ihr Leben in Kriegszeiten ein bisschen besser gestalten zu können.
Auf der zum Zwischenlager umfunktionierten Terrasse sortieren Ludwig Hess und Leonie Zimmer die Spenden. Mindestens sechs, sieben Rollstühle stehen in Reih' und Glied, einige sind vorher schon bei Spendern abgeholt worden. Daneben ein Bündel an Gehhilfen. Derartige Hilfsmittel werden gebraucht, um Kriegsversehrte so angemessen wie möglich zu versorgen.

10.03.2025 Spezielles 'Zwischenlager': Bernd Thrum (links) und Kurt Schröder tragen Kleidersäcke in einen hochseefesten Seecontainer.
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10.03.2025 Einen ganzen Kofferraum voller Spenden: Monika Kropp aus Lommersdorf.
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Schnell wird der Platz auf der Terrasse knapp. Thomas Claßen nimmt insbesondere Hygieneartikel wie Einlagen, auch Decken und Jacken raus und steckt sie in blaue Abfallsäcke – zum Schutz vor Feuchtigkeit. Dann schleppt er sie zu seinem im Hof geparkten Pick-up. Ein Sack nach dem anderen stapelt sich auf der offenen Ladefläche.
Zwei Seecontainer dienen als Zwischenlager
Helfer bringen diese Spenden zu einem besonderen Zwischenlager mitten in Marmagen. Auf einem Schotterparkplatz stehen zwei Seecontainer. Bernd Thrum und Kurt Schröder tragen die Säcke ins Innere des Stahlbehälters, bis nichts mehr reinpasst. Dort bleiben die Sachen, bis der Lastwagen für den 58. Hilfstransport in die Ukraine von einem Gönner bereitgestellt wird. Wenn's zeitlich passt, will Claßen selbst nochmals als Fahrer dabei sein.
Stattlich ist auch der „Haufen“ gespendeter Holzöfen. Bestimmt 20 Exemplare sind bereits zusammengekommen. Aber noch hat Claßen nicht alle abholen können. In Deutschland oft wegen verschärfter Emissionswerte aussortiert, wärmen sie künftig in der Ukraine die Soldaten, die in den Schützengräben ausharren müssen. Mit Wärmendem kommt auch Elke Oser aus Bad Münstereifel in den Burghof. Sie bringt dicke Fleecejacken und Decken, drückt Thomas Claßen Geldscheine in die Hand. Damit kann er Güter einkaufen, die gleichfalls im Kriegsgebiet gebraucht werden.
Die Hilfe des Teams um Thomas Claßen geht weiter
„Der ist noch fast neu“, sagt Hermann-Josef Pönsgen und zeigt auf den Rollator, den er vorbeibringt, dazu Jacken und Gehhilfen. Pönsgen ist ein Marmagener Urgestein, engagiert sich etwa in der Pfarrgemeinde. Monika Kropp kommt aus Lommersdorf. Sie hat den Kofferraum pickepackevoll. Sie sei nur die Fahrerin, schränkt sie ein. Gesammelt hat die Hilfsgüter, darunter zahlreiche Krücken, Martina Danisch. „Schön, dass Sie das machen“, lobt Claßen.
So geht's munter weiter. Kaffeemaschinen, Wasserkocher, Verbandkästen, Pflegeeinlagen – die Kette der Hilfsgüter reißt nicht ab. Dann ein Schwung Tourniquets: Das sind Abbindesysteme, die den Blutfluss in Venen und Arterien stauen oder unterbrechen, etwa wenn Gliedmaßen durch eine Explosion abgerissen werden. Egon Hack aus Kall gibt sein Sauerstoffgerät ab. „Ich habe es nur einmal benutzt, kam damit nicht parat. Ein paar Jahre hat es schon rumgestanden.“
Dort leben auch Russen. Und sie spenden für die Ukraine.
Ein wenig aus dem Rahmen fällt die Lieferung von Tierärztin Irene Heck aus Baasem. Sie packte ihren Caddy voller Nudeln, 300 Kilo: „Mehr schafft der Wagen nicht.“ Weitere 700 Kilogramm hat sie noch auf Lager – wenn Claßen sie unterbringen kann. Die Spenden stammten aus der Wohngemeinschaft „Neues Leben“ für Drogen- und Alkoholabhängige, einer Therapieeinrichtung der Evangelischen Freikirche in Neuhaus, erklärt Heck. Das Außergewöhnliche: „Dort leben auch Russen. Und sie spenden für die Ukraine.“ Sie selbst steuert weitere Hilfsgüter bei, einen Toilettenstuhl, Rollatoren, Hygieneartikel, Krücken, Schlafsäcke, Jacken.
Einer, der seinen Namen nicht nennen will, bringt einen Gasgrill – auch gut für die Feldküche – und steckt Thomas Claßen Geldscheine in die Hand. Andere bringen Medikamente kartonweise, auch sie sind schweigsam, wollen kein Aufheben.
„Ich bin einfach überwältigt“, sagt Claßen am Abend angesichts der Spendenberge. Er garantiere dafür, dass die Gaben aus der Region in die richtigen Kanäle fließen. Dazu arbeitet der Polizist mit NGOs, Nicht-Regierungsorganisationen, in der Ukraine zusammen. Sie wüssten, wo die Hilfe am dringlichsten sei, und kennen sichere Korridore für die Hilfslieferungen.
Bald werden es schon 60 absolvierte Transporte sein. Auch dann soll nicht Schluss sein. Die Sammelaktion geht unvermindert weiter, solange es nötig ist, der Ukraine zu helfen, versprechen die Akteure um Thomas Claßen.
Die Burg in Marmagen
Die beiden Burgherren sind Thomas Claßen (55) und Bernd Thrum (49). Seit 2020 sind die beiden in Marmagen zu Hause – und längst heimisch geworden und integriert, wie bei der Spendenübergabe zu spüren war. Polizist Claßen ist in der Wache Schleiden für den Bezirksdienst in Blankenheim zuständig. Zuvor war er Zivilfahnder in Köln. Thrum ist Installateur- und Heizungsbaumeister mit einer eigenen Firma. Bevor sich das Paar der Burg annahm, lebte es in Overath in einer überwiegend selbst restaurierten alten Wassermühle.

Seit 2020 leben Thomas Claßen (l.) und Bernd Thrum in der Burg.
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Auch in Marmagen war vor dem Einzug viel zu tun. Vier Jahre stand das denkmalgeschützte Hauptgebäude mit dem markanten Turm leer. Da musste erst mal containerweise Bauschutt rausgekarrt werden, ehe es dort wohnlich werden konnte.
Eine erste Erwähnung fand eine Burg im Umfeld des nahen Klosters Steinfeld im Jahre 1297 im Zusammenhang mit einem ortsadeligen Konrad von Marmagen. Seit dem 18. Jahrhundert sind bürgerliche Eigentümer bekannt. Claßen und Thrum hatten ihre Burg am zweiten Adventswochenende 2024 bereits zum dritten Mal für die von ihnen initiierte „Burgweihnacht“ der Dorfvereine geöffnet.
Das Hilfsprojekt
Unter dem Slogan „Together for Ukraine“ informiert die Hilfsaktion. Neben Thomas Claßen aus Marmagen spielt auch sein Polizeikollege Ralf Oetinger aus Düsseldorf eine wichtige Rolle in dem Netzwerk. Im aktuellen Flyer heißt es: „Wir sind im dritten Jahr ehrenamtlich für die Ukraine engagiert. Inzwischen konnten 57 Touren mit Transportern und Lastwagen organisiert und von uns in die Ukraine transportiert werden.“ So seien bislang mit rund 20 privaten Fahrern fast 1500 Kubikmeter Hilfsgüter nach Lwiw (Lemberg), Charkiw oder Odessa gebracht worden.
Seit März 2025 verfügt das Netzwerk über eine eigene Lagerfläche südöstlich von Lwiw, von wo aus besser verteilt werden kann. Oetinger: „Wir arbeiten mit Wegberg hilft, Blau-Gelbes Kreuz Köln und Mensch zu Mensch in Wuppertal zusammen, um Spenden schnell und zielgerichtet genau dorthin zu bringen, wo sie gerade am dringendsten gebraucht werden.“
Sammelschwerpunkte sind medizinische Güter, Lebensmittel und warme Jacken. Kontakt: 0179/5353883 oder per E-Mail unter ri.sorge@web.de oder tc69@gmx.de