Die Vorpremiere im Naturschutzzentrum Nettersheim war Wochen im Voraus ausverkauft. Im neuen Programm dreht sich alles um die Freiheit.
„Jetzt oder Sie“Kabarettistin Eva Eiselt stellt in Nettersheim ihr neues Programm vor
Betrachtet man das Plakat, weiß man, wo die Reise hingeht. Freiheit ist das große Thema von „Jetzt oder Sie“, dem neuen Programm von Eva Eiselt. Die energiegeladene Kabarettistin feierte die Vorpremiere im Naturschutzzentrum Nettersheim. Wochen im Voraus war die Veranstaltung bereits ausverkauft, rund 170 Zuschauer erwarteten gespannt, was die Künstlerin so Neues bringt.
Nettersheim: Eva Eiselt präsentiert neues Kabarett-Programm
„Das Programm ist noch nicht fertig. Im Gegensatz zu mir“, so Eiselt zu Beginn. Damit man das nicht so wahrnehme, habe sie einen Antrag beim Amt für Denkmalschutz gestellt, um wenigstens die Fassade zu erhalten.
Damit kam sie gleich zum zweiten Thema des Abends, zur Veränderung. Nicht nur in der Welt, sondern auch am Körper. In ihrem Beruf habe sie sich anfangs gefragt, ob Kabarett die Welt verändern könne. Schließlich habe sie früher mal Angela Merkel parodiert und zack – 16 Jahre später war sie weg!
Auch das Altern spielte eine große Rolle. Dem wirkte sie mit einer passiven Mitgliedschaft im Fitnessstudio entgegen, außerdem mit ihrer neuen Yoga-App, die jetzt sogar die Übungen für sie übernimmt.
Eva Eiselt spielt Musik aus einer Synthesizer-Kommode
Eva Eiselt überraschte in ihrem neuen Programm mit viel Musik, meist begleitet an ihrem „Schubladium“, wie sie den Synthesizer, eingebaut in eine Kommodenschublade, nannte. Musikalisch gab sie ihren Botschaften zusätzlich Ausdruck. Berührend war das Lied über das ziellose Sein im Hier und Jetzt, eine Hymne an die Einfachheit, mit der sie dem Publikum aus der Seele sprach: „Es wird Zeit, dass wir mal anfangen aufzuhören.“
Die Nachdenklichkeit sprengte sie anschließend mit Udo Fröhliche, einer Figur, die schon lange einen festen Platz im Repertoire hat und die die Fans nicht missen wollen. Udo plante mit seiner Frau einen Ausflug, der vom Ausdrucken der Buchung bis zum Verrichten der Notdurft auf dem Autobahnrastplatz ein köstliches Drama war, das Udo in gewohnt deftiger Manier und mit betont bodenständigen Lösungsideen schilderte.
Gendern und Camping werden veralbert
Schräge Wortkreationen bis hin zum Gendern wurden Zielscheibe ihres Humors. Mit liebevoller Spitzfindigkeit nahm Eva Eiselt Themen des Zeitgeistes aufs Korn, etwa die vermeintlich grenzenlose Freiheit beim Reisen in ihrem Wohnmobil „I-Van-Hoe“.
Alle Widrigkeiten der Enge, der Situation auf Campingplätzen und anderen Umständen konnten sie nicht vom Schwärmen abbringen: „Yes, we camp!“ Immerhin war sie nicht auf die Deutsche Bahn angewiesen, denn die forderte mit Personalmangel, Streckensperrungen und technischen Defekten maximale Flexibilität. Da half auch der über viele Branchen erstreckte Slogan „Wir suchen dich!“ nicht. Als Vorlage für Eiselts neuen Rap diente er allerdings perfekt, und das Publikum stimmte gerne mit ein.
Auch die Probleme der medizinischen Versorgung greift Eva Eiselt auf
Auch der Engpass im medizinischen Bereich war Thema für die Künstlerin, die in Nöthen aufwuchs und inzwischen in Köln lebt. Wegen einer Wortwitz-Zwangsstörung landete sie im MRT und schrieb sogleich den Song „Magnetresonanz“ für zukünftige Ü50-Partys. Um die Wartezeit für einen Termin beim Orthopäden zu umgehen, datete sie einen über Tinder – das ging schneller.
Eva Eiselt war einige Jahre als Schauspielerin in Baden-Württemberg tätig und amüsiert in hiesigen Gefilden ihr Publikum mit Beiträgen in badischem Dialekt, den sie authentisch drauf hat. Bei ihrer Nummer zu einer Geburtstagsfeier, „wo die Atmosphäre noch steifer ist als die Servietten“ und sexistisches Altherrengebaren die Szene bestimmten, entschärfte die Sprache die Situation, die schon beim Zuhören Beklemmungen machte.
Eine badische Whatsapp-Gruppe, die sich unter anderem mit den Auswirkungen des „Teschtosterons“ bei Männern befasste, begeisterte das Publikum ebenso wie die vorgetäuschte Warteschleife, in der sich die Englischlehrerin beim Versuch, die Eltern zu sprechen, befand. Eiselts Eifeler Kindheit („Wir hatten ja nichts“), Social Media sowie Freud und Leid des Elternseins („Meine Kinder haben immer für mich gebastelt. Jetzt bastel' ich zurück“) prägen durchweg ihr Schaffen.
Das neue Programm nahm im Laufe des Abends immer mehr Fahrt auf. Am Ende gab es einen Kampf mit engen Stützstrümpfen, die sie in verkrampft lasziver Show anzog: „In unsicheren Zeiten, in denen wir uns befinden, geben Stützstrümpfe wirklich Halt.“ Eva Eiselt zeigte sich einmal mehr als erfahrene Künstlerin – und doch erschien ihr Auftritt wie ein Austausch mit einer alten Freundin: persönlich, nahbar und mit aufmerksamer Menschenkenntnis. Kostüm und Bühnenbild benötigte sie nicht, alles kam überzeugend aus ihr selbst.
Die Premiere von „Jetzt oder Sie“ ist am 11. Oktober, 20.15 Uhr, im Senftöpfchen in Köln. Am 31. Januar tritt Eva Eiselt ab 20 Uhr in Euskirchen im Casino auf.