Sieht aus wie ScheunePrämiertes Architektenhaus in Nettersheim öffnet für Besucher
Nettersheim – Ganz genau erinnern sich Viktoria und Jürgen Gottschling an den Moment, als die Architekten Andrea Denzer und Georg Poensgen ihnen das erste Modell ihres zukünftigen Wohnhauses präsentierten. „Ich war sprachlos“, erzählt sie. Und er fügt hinzu: „Wir haben erst einmal gar nichts gesagt. Aber als wir auf der Heimfahrt waren, habe ich gesagt: Das ist der Hammer.“
Seit knapp anderthalb Jahren wohnen sie mit ihren drei Kindern in dem auffälligen Gebäude mit der fensterlosen Vorderfront. Was sich dahinter an außergewöhnlicher Architektur verbirgt, können interessierte Besucher beim landesweiten Tag der Architektur entdecken.
Gebäude heißt „Lagerhaus“
Am Sonntag, 30. Juni, öffnet die Familie Gottschling von 14 bis 18 Uhr ihr Haus, Auf Bennfeld 15, für die Öffentlichkeit. Horreum– das lateinische Wort für Lagerhaus – haben die Architekten das Gebäude genannt. „Es muss auch mit einem begrenzten Budget möglich sein, dass es Baukultur wird“, postuliert Poensgen, der sich in seinen Arbeiten oft auf die historischen Vorbilder in der Eifel bezieht.
Das Strick-Haus
Ein weiteres Gebäude steht in der Eifel im Rahmen des Tags der Architektur zu Besichtigung offen. Es handelt sich um ein Mehrfamilienhaus in Nideggen.
Entworfen wurde es von Dietmar Strick vom Büro Strick Architekten und Ingenieure in Euskirchen. Das barrierefreie Gebäude bietet zehn Wohnungen zwischen 58 und 84 Quadratmetern. Dazu verfügen sie je nach Lage über eine Terrasse, einen Balkon oder eine Dachterrasse. Dazu gebe es offene Einbauküchen und Bäder mit stufenlosen Duschen, Einbauschranknischen, Abstellräume in den Wohnungen sowie einen Aufzug. Ausstattung und Architektur im Haus ermöglichten eine sehr gute Vermietbarkeit, so die Beschreibung der Architekten.
Besichtigt werden kann das Haus am Thumer Weg 6 in Nideggen am Samstag und Sonntag, 29. und 30. Juni, jeweils 14 bis 17 Uhr. Weitere Infos finden Sie unter www.tag-der-architektur.de/programm/.
Mit zwei Preisen wurde das Gebäude bereits ausgezeichnet. So gab es beim Holzbaupreis Nordrhein-Westfalen 2018 und im Wettbewerb „Das goldene Haus 2019 – Preisgünstig Bauen“ jeweils eine Anerkennung. „Hier standen nie Häuser, hier waren nur Feldscheunen“, beschreibt Poensgen die Idee. Diese hatten ihren eigenen Duktus: So sei das Satteldach in Richtung Südsüdwest niedriger gezogen worden, um dem Wind standzuhalten. „Diese Typologie haben wir aufgenommen“, so Poensgen. Auf Fenster wurde in der in Richtung Süden liegenden Vorderfront verzichtet. „Wir sind hier in einem Wohngebiet. Was sieht man, wenn man vorne aus dem Haus guckt? Autos“, sagt Poensgen.
Schiebetüren und klare Linien
Stattdessen wurden in dem Entwurf die Idee eines Vierkanthofs mit dem äußeren Gepräge der Feldscheune vereinigt. Hinter der Eingangstür betritt der Besucher einen geschotterten Innenhof, der nicht nur im Sommer einen zusätzlichen Raum darstellt, sondern auch Licht und Luft in die Wohnräume lässt. Klar sind die Bereiche aufgeteilt. In einem Seitenflügel finden sich die Wirtschaftsräume. Im Erdgeschoss sind ein großer Wohnraum und die Küche. Im Obergeschoss sind die Zimmer für die fünfköpfige Familie. In Richtung Norden öffnet sich die Fassade mit großen Fenstern zum Garten und der Eifeler Landschaft.
Um Platz in den Räumen zu gewinnen, wurden die einzelnen Arbeitsbereiche in den Flur ausgegliedert. Die architektonischen Vorbilder aus der Bauhausschule sind deutlich zu erkennen an den klaren Linien im Gebäude. Türfutter fehlen, stattdessen gibt es Schiebetüren. Auch auf Tapeten wurde verzichtet. Estrich bildet den Fußbodenbelag. „Das ist ideal für die Fußbodenheizung“, erläutert Denzer. Außerdem passe es wunderbar zum Schotter im Innenhof.
Das könnte Sie auch interessieren:
Nicht nur die Fassade ist aus grau gebeiztem Lärchenholz, das ganze Haus ist als Holzständerwerk gebaut worden. „Das ist nicht billiger, aber wesentlich schneller“, erklärt Denzer. Nur vier Monate Bauzeit habe das Projekt erfordert. Ein großer Vorteil sei, dass es direkt trocken sei. Allerdings erfordere es mehr Planung. „Alle Arbeiten wurden von regionalen Anbietern geleistet, das war uns wichtig“, ergänzt Jürgen Gottschling. „Es ging um 130 Quadratmeter und ein architektonisches Konzept“, fasst Poensgen die Vorgaben zusammen, die das Ehepaar Gottschling hatte. Mit dem Ergebnis sind die Bewohner des Hauses mehr als zufrieden. „Wir fühlen uns sauwohl “, sagt Viktoria Gottschling. Das Wohngefühl sei großartig.
„Wir leben in einem Kunstwerk“, sagt sie. Vorher hätten sie mit den Kindern in einem älteren Haus in Nettersheim zur Miete gelebt, berichtet sie. Dort hätten sie sich auch wohlgefühlt. „Man fühlt in einem alten Haus, dass es eine Seele hat“, erzählt sie. Und erstaunlicherweise habe ihr neues Domizil auch eine.