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Nettersheimer BürgermeisterwechselWilfried Pracht wird verabschiedet

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In einem Körbchen sammelte Wilfried Pracht die Wünsche, die die Mitarbeiter auf kleine Holzscheiben geschrieben hatten.

Nettersheim – Dass es in vielerlei Hinsicht ein Wachwechsel sein würde, war absehbar. Doch dass die Übergabe des Bürgermeisteramtes in Nettersheim von Wilfried Pracht an Norbert Crump auch Konsequenzen in musikalischer Hinsicht haben sollte, war eine Überraschung. Denn bei der Übergabe des Schlüssels für das Bürgermeisterbüro lüftete der „Chef“, wie er im Rathaus in Nettersheim nur genannt wurde, ein kleines Geheimnis. „Hier saß ich oft, wenn das Rathaus leer war, hörte Mozart und dachte nach“, erzählte Pracht. „Aha, ich höre lieber AC/DC“, entgegnete Crump trocken.

Dabei hatte Pracht doch eigentlich alles abgesagt und damit den Einschränkungen in Sachen Coronavirus Tribut gezollt. 200 Mitarbeiter hatte er auf mehrere Tage verteilt eingeladen, um ihnen seinen Dank für die letzten Jahre auszusprechen. Doch bereits in der vergangenen Woche musste er diese Treffen schweren Herzens absagen.

Abschiedstour durch die Gemeinde

Doch so einfach wollten die Mitarbeiter den „Chef“ nicht davonkommen lassen. Heimlich organisierten sie, allen voran Uschi Mießeler, Vanessa Müller und Hans-Peter Schell, eine Abschiedstour durch die Gemeinde. Nach einem akribisch ausgetüftelten Ablaufplan fuhren sie mit Pracht zu den Orten, die ihm in seiner Zeit wichtig gewesen waren.

Das Einzige, was Pracht wusste, war, dass er am Donnerstagmorgen von seinem Nachfolger Crump in Holzmülheim abgeholt werden würde. Es ging zur Feuerwehr und dem Kindergarten in Zingsheim, dem Naturzentrum, dem Jugendgästehaus und der Gesamtschule Nettersheim, den Kindergärten in Tondorf und Nettersheim, dem Waldkindergarten, dem Literaturhaus und schließlich zu einer Wanderhütte, wo sich die Mitarbeiter der Forstabteilung verabschiedeten.

Schlüsselübergabe: Der neue Bürgermeister Norbert Crump (r.) mit dem scheidenden im Schaltzentrum der Macht.

Auch der Bauhof stand auf dem Reiseplan, wo Pracht als Geschenk eine Akku-Motorsäge überreicht wurde. „Ich hatte schon überlegt, mir eine zuzulegen“, freute der sich. Als der Kleinbus mit Pracht am frühen Nachmittag am Zingsheimer Rathaus stoppte, war Pracht die Freude über das Erlebte deutlich anzusehen. „Das macht den Kummer kleiner“, sagte er spontan. Eigentlich habe er sich schon Gedanken darüber gemacht, wie er an seinem letzten Arbeitstag das Rathaus verlassen solle. Doch damit habe er nicht gerechnet.

„Ich dachte, ich gebe dir um zwölf Uhr den Schlüssel, zeige dir die Garage und dann bin ich weg“, sagte er zu Crump. Doch im Rathaus war die Tour durch die Gemeinde noch nicht zu Ende. Hier hatten sich die Verwaltungsmitarbeiter in den Türen ihrer Büros versammelt und empfingen ihn mit einem Glas Sekt und einem Ständchen.

„Ohne Herausforderungen macht das Leben keinen Spaß“

Dekoriert waren die Flure mit Fotos aus der Dienstzeit von Pracht. Auf kleine Holzscheiben hatten die Angestellten des Rathauses ihre Wünsche für Pracht notiert, die er in einem kleinen Korb einsammelte. Im Bürgermeisterbüro übergab Pracht den Schlüssel dann an seinen Nachfolger. „Sie sind hier immer herzlich willkommen“, lud dieser ihn ein. „Nix, ich habe keinen Schlüssel mehr, ich mache einen Termin“, widersprach Pracht lachend.

Mit Gesang verabschiedeten sich die Mitarbeiter von ihrem „Chef“. So hatten sie Wilfried Pracht immer genannt.

Auch für Crump war das ein höchst emotionaler Augenblick. „Dieses Büro hier war für mich immer ein Raum, in dem man Respekt hatte“, erzählte er. Schließlich habe er bei seinem Dienstbeginn noch Hermann-Josef Mießeler als Bürgermeister erlebt. In nächster Zeit stünden jedenfalls viele Herausforderungen an, so Crump weiter. „Ohne Herausforderungen macht das Leben keinen Spaß“, betonte Pracht.

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„Ich bin überwältigt“, sagte der scheidende Bürgermeister zu der Rathauscrew, bevor die Rundreise zur letzten Station im Kloster fortgesetzt wurde. Er habe bei Terminen immer auf Präzision geachtet: „Heute war das erste Mal, dass ich den Takt nicht vorgebe.“ Doch nach diesem Tag sehe er, dass die Gemeinde auf einem guten Weg sei. „Ich gehe mit einem guten Gefühl“, verabschiedete sich Pracht.