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KarnevalDie Fünfte Jahreszeit fällt im Kreis Euskirchen aus

Lesezeit 7 Minuten
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Dichtes Gedränge und ausgelassene Feiern – wie hier bei der Damensitzung in der Hölle von Vettweiß – sind derzeit undenkbar.

  1. Der organisierte Karneval im Kreis Euskirchen fällt in der kommenden Session bis auf wenige Ausnahmen komplett aus.
  2. Zu groß ist das Infektionsrisiko in der Coronavirus-Pandemie. Viele Vereine denken deshalb jetzt bereits an 2022.
  3. Doch was heißt das konkret in den einzelnen Karnevalshochburgen? Ein Überblick.

Kreis Euskirchen – Lieber kein Karneval als schlechter Karneval. Nach diesem Motto wird die kommende Session angesichts der hohen Auflagen zur Vermeidung von Neuinfektionen mit dem Corona-Virus wohl weitgehend ausfallen.

Juh-Jah und Co. an der Ahr

Ein „stehener Zoch“ wäre für Mike Bruins, Präsident des KV Blankenheim, unvorstellbar. Das habe nichts mit dem Brauchtum zu tun. An der Ahrquelle wird es 2021 keinen Rosenmontagszug geben. Der „Karnevalistische Frühschoppen“, Aufgalopp für die Garden aus dem Kreisgebiet und darüber hinaus, ist ebenfalls gestrichen.

Und der Geisterzug , eine der Traditionsveranstaltungen schlechthin? „Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass er ausfallen wird“, sagt Bruins – der offizielle Vorstandsbeschluss dazu steht jedoch noch aus.

Gleiches gilt für Ripsdorf, wo ebenso von der Absage auszugehen ist. Doppel-Herrensitzung, Damensitzung, Kappensitzung wird es 2021 nicht geben, ist KV-Präsident Martin Peetz sicher. Vielleicht werde es eine kleine Karnevalsparty für die Aktiven geben, wie es auch andere Vereine planen.

Um die 2500 Euro schätzt Peetz den Schaden: „Aber das könnten wir verkraften, wir haben in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet.“ Und der Zoch am Veilchendienstag? Ein „stehender Zug“, an dem die Jecken vorbei flanieren? Die Idee hält Peetz für kurios genug, um daraus einen Mottowagen für den Zoch 2022 zu bauen.

Bad Münstereifel

„Der Schock über die Absage sitzt tief“, sagt Angelina Fischer, Trainerin der Showtanzgruppe „Sugar Girls“ aus Mutscheid. Wenn der Elfte im Elften nahe, werde es sicherlich ein intensives Gefühl werden, mit dem man sich in der Gruppe auseinandersetzen werden müsse.

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„Für mich als Coach bedeutet es noch mehr Arbeit, denn wir müssen nun für lange Zeit ohne Auftritte und den dazugehörenden Applaus auskommen. Entsprechend muss die Truppe bei Laune gehalten werden“, so Gassen.

Der Feuka in Euskirchen

Die Sessionseröffnung, die eigentlich auf dem Alten Markt stattfindet, wird nach Angaben des Festausschuss Euskirchener Karneval (Feuka) im kleinen Rahmen nur mit Vertretern der Vereine stattfinden. Die Prunksitzung Anfang Januar könne – Stand jetzt – mit 300 Jecke im City-Forum funktionieren. Ob sie das tut – steht in den Sternen.

„Wenn eine Veranstaltung stattfindet, dann völlig anders als gewohnt und mit deutlicher Zurückhaltung. Aber auch das kann schön sein“, sagt Stefan Guhlke vom Feuka.

Die Löstige Bröder in Kall

„Unterm Strich ist es für uns ein Nullsummenspiel: Gar keine Sitzung oder eine mit maximal 30 Prozent der Plätze. Aber die ganze Arbeit haben wir ja trotzdem.“ Die Rechnung von Dirk Metz, Vorsitzender der Löstige Bröder in Kall, ergibt unterm Strich ein dickes Fragezeichen.

Gewinn für den Verein angesichts der Kosten: Null. Spaßfaktor: fraglich.Auch wenn man noch abwarten könne: Für Metz ist nach der Besprechung der Vertreter der Karnevalkomitees aus Aachen, Bonn, Düsseldorf und Köln in der NRW-Staatskanzlei klar, „wohin die Reise wohl gehen wird“.

Das heißt: Auch wenn ein förmlicher Vorstandsbeschluss der „Jonge“ noch aussteht, werde es Sitzung und Zoch erst wieder 2022 geben. Der Literat prüft derzeit, ob die Verträge mit Garden, Rednern und Tanzgruppen auf 2022 geschoben werden können.

Die Mechernicher Jecken

„Jeck sin, lache, Musik mache“, geplant am 20. und 21. November in der Mechernicher Dreifachturnhalle, wird es, „wie es aktuell aussieht nicht geben“, so Guido Meyer vom veranstaltenden Junggesellenverein Satzvey. Und nicht nur deshalb nicht, weil die Stadt bislang die Halle noch nicht genehmigt hat.

Meyer: „Wenn wir statt der möglichen 1000 nur 400 Besucher am Abend haben dürfen, kann die Rechnung nicht aufgehen. So billig können die Bands gar nicht spielen.“ In diesem Jahr wären das Brings, Höhner, Bläck Fööss, Paveier, Kasalla, Cat Ballou, Räuber gewesen.

Meyer ist dankbar, dass sie den Junggesellen keine Probleme machen, wenn die ihren Vertrag nicht erfüllen können. „Es gibt ja schon neue Verträge. Für 2021 stehen die, wir sind eigentlich schon bei 2022“.

Auch Heinz Heimersheim, Vorsitzender der Feyaler Jecken, antwortet deutlich auf die Frage, ob der beliebte Lichterzug am Karnevalsfreitag durch Eiserfey gehen kann: „Nein, ganz klar! Da gibt es keine Diskussion. Wie willst Du das handeln?“

Ähnlich sieht es Uwe Höger, Präsident der KG Strempt, die alle Veranstaltungen abgesagt hat. Er blickt auf das Risiko – und: „Die Teilnehmer investieren Geld und Zeit in ihre Kostüme und wenn wir dann zwei Tage vorher absagen müssten – das können wir nicht verantworten.“

Von Festausschuss und Prinzengarde wird’s keine Sitzung, keinen Kostümball, keinen Rathaussturm und auch keinen Zoch geben. „Wie sollte das auch gehen? Wir müssten für 150 Besucher aufgrund des Hygienekonzeptes sogar in die Dreifach-Turnhalle gehen. Ich sage Ihnen, da will dann auch wieder kaum einer dabei sein“, so Albert Meyer, Präsident des Festausschusses.

Feier in der Euskirchener Südstadt

Dreimol Oeskerche Alaaf heißt es bei der IG Südstadt nur drei Tage nach dem Start in die Session, der vielerorts ausfallen wird. Die Interessengemeinschaft um ihren Präsidenten Peter Barth wird am Samstag, 14. November, im Euskirchener City-Forum eine Karnevalssitzung veranstalten. Bis zu 300 Gäste sollen dann die fünfte Jahreszeit einläuten und vor allem sich selbst feiern – mit einem strengen Hygienekonzept.

„Es geht nicht darum, exzessiv Karneval zu feiern, sondern einen geselligen Abend zu verleben“, sagt Barth: „Wir sind nicht in Köln, wo zu einer Sitzung 200 Menschen kommen, die man kennt, und 700, die man nicht kennt. Wir sind eine große Familie.“

Geht es nach den Südstadt-Jecken, kommen die Gäste verkleidet – FFP2-Masken gibt es wahrscheinlich von der IG gratis. Zudem gebe es die Überlegung, am Eingang von jedem Gast die Körpertemperatur zu messen, so Barth. Die Gesundheit stehe über allem.

Dennoch: Wichtig sei es, den Verein wieder zum Leben zu erwecken. Die Zeit der Starre sei vorbei. Jeder Gast wird laut Barth einen festen Sitzplatz erhalten. Das sei Teil des Hygienekonzepts.

Das Bühnenprogramm nimmt laut Barth ebenfalls konkrete Züge an. Unter anderem haben die Bands „De Boore“ und „Kuhl un de Gäng“ bereits zugesagt. Die Karten sollen 25 Euro kosten und sind bis Ende Oktober in „Peters Biergarten“ an der Roitzheimer Straße 55c erhältlich. „Natürlich kann es sein, dass wir draufzahlen. Aber es bringt auch nichts, die ganze Zeit Trübsal zu blasen“, so Präsident Barth. (tom)

Er hofft nun, dass die finanziellen Einbußen einigermaßen verkraftbar sind. Für manche Vereine könnte das bedrohlich werden: „Da sind manche in existenzieller Gefahr. Da war’s das dann mit dem Karneval.“ Die Lage stimmt Meyer nachdenklich: „Wird es in Zukunft noch der Karneval sein, den wir kennen?“

Die Höndche in Neddeschem

„Die Session fällt bei uns aus“, teilt Miriam Krüger, Vorsitzende der Nettersheimer Löstige Höndche, mit. Keine Tollitätenkür im November, keine zwei Sitzungen im Dorfsaal, kein Kinderkarneval. Und wahrscheinlich auch kein Gemeindezug, auch wenn die Zustimmung zur Absage von den anderen Vereinen aus Marmagen, Zingsheim, Engelgau noch aussteht.

Schleiden Alaaf?

Norbert Niebes, Präsident der KG Blau-Weiß und Vizepräsident im Regionalverband Düren des Bund Deutscher Karneval (BDK) hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben: „Unsere Garden trainieren, wir machen vielleicht eine kleine Sitzung.“ Denn: Die Corona-Schutzverordnung vom Januar 2021 kenne ja noch niemand.

Zweckoptimismus? Eher ein Karnevalsherz, dem das Brauchtum über alles geht – und ein bisschen Eifeler Sturheit. Die Sicht des Regionalverbands sieht er als Tipp für die Vereine: „Man kann auch unter Corona-Bedingungen eine Sessionseröffnung machen. Nur eben wie früher: draußen!“ Karneval, so Niebes, wurde doch auch in schlimmeren Zeiten gefeiert.

Die Hölle von Vettweiß

Jecke, die an ihren Tischen sitzen müssen, von den Nachbarn vielleicht durch Plexiglasscheiben getrennt, die nicht singen dürfen, höchstens klatschen? Die Vorstellung einer Corona-Sitzung ist für Jürgen Ruskowski, Geschäftsführer der Vettweißer KG, der Stimmungskiller. Bei der „Hölle von Vettweiß“, geht es um 10.500 Besucher bei fünf Damen- und einer Herrensitzung. 28.000 Tickets hätte man verkaufen können.

Eine Vorstandsversammlung werde die Absage der größten Sitzungssause im Umkreis beschließen, ist Ruskowski sicher. Der Kartenversand ist extra auf Mitte Oktober verschoben. Alleine für die Ticketkostenrückerstattung fallen 300.000 Euro an.

Keine Party in Blau-Gold

Es sei ihnen wahrlich nicht leicht gefallen, aber der Beschluss der Landesregierung ließe keine andere Entscheidung zu, sagt Dieter Cremer, Präsident der KG Blau-Gold Weilerswist: „Sowohl die beliebte Herren- als auch die Damensitzung werden in dieser Session nicht stattfinden.“

Zöllicher Funken-Leben ruht

Per Video-Botschaft haben die Blauen Funken aus Zülpich ihre Veranstaltungen abgesagt. „Das Coronavirus hat uns komplett im Griff und zwingt uns, das komplette Funken-Leben ruhen zu lassen“, sagt Präsident Ralf Esser: „Wir müssen alle Veranstaltungen absagen.“

Dazu gehören laut dem Funken-Chef nicht nur die Kölntor-Abende, sondern auch die Mädchensitzung, das Miljöfest und der Karnevalskehraus. Zudem werde es in der neuen Session keine Tollität im gesamten Stadtgebiet geben.

„Wir werden versuchen, eventuell etwas hilfsweise auf die Beine zu stellen. Aber das kann man heute auch noch nicht bestätigen“, so Esser. Aus haftungsrechtlichen Gründen seien den Verantwortlichen stark die Hände gebunden.

Der Rathaussturm in Zülpich ist noch nicht abgesagt, heißt es vonseiten der Verwaltung. Bis Weiberdonnerstag sei es noch ein bisschen hin.