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„Unser Dorf hat Zukunft“Freilingen zum Golddorf gekürt

Lesezeit 5 Minuten

In Windeseile zweimal überklebt: Freilingens Willkommensschild am Ortseingang mit den aktuellen Zusätzen. Die Idee hatten Ortsvorsteherin Simone Böhm (r.) und ihre designierte Nachfolgerin Judith Maur.

Blankenheim-Freilingen – In Freilingen, das sich jetzt „Go-Lara“-Dorf nennen könnte, kommen sie aus dem Feiern gar nicht mehr raus: Der Ort ist im Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ zum Golddorf gekürt und Heimat des neuen Landrats. Grund genug, einige der vom Doppelglück Betroffenen zu fragen, wie sie das denn finden: Einer von ihnen wird jetzt Chef im Euskirchener Kreishaus.

„Herzlichen Glückwunsch!“ Simone Böhm, Noch-Ortsvorsteherin in Freilingen, war den ganzen Montag Tag nach Gratulation zu Mute. Wäre da nicht der Corona-Sicherheitsabstand zu wahren, sie hätte wohl hunderte Hände geschüttelt. Allen Freilingern sei doch zum Doppelsieg zu gratulieren, sagt Böhm am „Willkommen“-Schild am Ortseingang. Gleich zweimal innerhalb von drei Tagen ist das mit frischen Bannern überklebt worden.

80 Prozent in der Heimat

Ein Heimsieg für Markus Ramers in der Gemeinde Blankenheim war zu erwarten. Doch dass er mit solchem Abstand das beste Ergebnis aller elf Kreis-Kommunen einfährt, war doch ein bisschen überraschend. 80,7 zu 19,3 Prozent stehen an der Ahr für den neuen Landrat zu Buche.

Unter der 80-Prozent-Marke blieb Ramers lediglich in den Stimmbezirken Mülheim, Lommersdorf und Waldorf. Die 82,8 Prozent in seinem Heimatort Freilingen sind eher „Durchschnitt“ – 36 Menschen haben dort Johannes Winckler gewählt.

Mit 100 Prozent schafft Ramers tatsächlich auch die Traummarke – im Stimmbezirk Nonnenbach. Allerdings haben dort nur zwölf der 75 Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben.

Rolf Hartmann sieht sich als Noch-Bürgermeister in Blankenheim zu einer gewissen Neutralität verpflichtet, verhehlt aber seinen Stolz nicht: „Alles Gute kommt aus der Gemeinde Blankenheim.“ Dennoch zollt er auch Johannes Winckler Respekt für seinen intensiv geführten Wahlkampf. Im Gemeinderat, so Hartmann lachend, habe Markus Ramers ihn „oft genug geärgert“. Doch mit seiner Power sei Ramers bereit für seine neue Aufgabe. Und er sei „absolut überzeugt“, so Hartmann, dass er seine Arbeit als Landrat gut machen wird. (rha/sli)

„Golddorf 2020“, hieß es seit dem Kreissieg am Freitagabend, „Freilinger Landrat 2020“ kam zwei Abende später dazu. Alles wurde binnen Stundenfrist von Grafik-Designerin Judith Maur, die auch designierte Ortsvorsteherin ist, und von Josi Schramm, die Banner und Plakate drucken kann, hergestellt. Kurze Wege eben.

„Unser Markus ist Landrat! Ich hätte nicht damit gerechnet“, sagt Karl-Heinz Scheven auch am Morgen nach dem Wahlsieg noch erstaunt. Er will gerade an Böhm und Mauer vor dem überklebten Ortsschild vorbei fahren, hält abrupt an und ruft ein begeistertes „Super!“ herüber.

Hohes Engagement

Mit dieser Begeisterung ist er nicht alleine, wie sich schnell zeigt. Und viele Freilinger wollen die gerne teilen. Lorenzo Truminio etwa. Er ist an dem Schild der „Straßeneckengärtner“, der sich um die Zierbepflanzung kümmert: „Das ist klasse! Ich kenne den Markus schon lange. Er wohnte doch früher gegenüber. Er soll sich auch weiterhin fürs Dorf einsetzen.“ Apropos: „Die Leute fahren viel zu schnell die Straße lang, da kann er als Landrat jetzt ja vielleicht was machen?“

Machen – davon halten sie in Freilingen ja viel. Und Markus Ramers, der neue Landrat, sei einer derjenigen, die immer dabei waren, ob aktiv im Vereinskartell oder in den Vereinen, so Böhm. Mit ihr und Judith Maur geht es nun zum kleinen Platz neben der St.-Martin-Kapelle, wo viel von dem zu sehen ist, was den Ort in den vergangenen Jahren verändert hat, und mitentscheidend war für den Kreissieg im „Zukunft“-Wettbewerb: Der Außenanstrich des kleinen Gotteshauses ist erneuert.

Ehrenamt macht vieles möglich

Die Ortsdurchfahrt sowie die darunter liegenden Versorgungsleitungen und die Kanalisation ebenfalls, genauso wie das Feuerwehrgerätehaus. Vieles davon – auch die als mustergültig bezeichnete Internetseite wir-in-freilingen.de wird ehrenamtlich geschafft. „Wir haben einen um die 20 Personen großen, harten Kern, der immer mit anpackt“, freut sich Judith Maur.

Miriam Di Bernardo, die 14 Monate alte Tochter Louisa gerade im Kinderwagen schiebend, profitiert etwa von der ebenfalls ehrenamtlich gebauten und gut bestückten Bücherbude am Platzrand. Was sie vom neuen Landrat hält? „Ein total sympathischer Typ. Sein Engagement im Dorf ist extrem hoch.“ Und was erwartet sie von ihm? „Dass er, wie er im Wahlkampf angekündigt hat, die Kita-Beiträge im Kreis abschaffen kann. Ich bin gespannt.“

Männerballett statt Band

Der „Markus-Faktor“. Auf den setzen sie in Freilingen verständlicherweise ab sofort. Ob es um die Genehmigung eines Wochenmarkts alle 14 Tage auf dem Platz neben der Kirche geht oder um Fördermittel für die Sanierung der Alten Schule neben dem Bürgerhaus, wo sich die künftige Ortsvorsteherin Maur „Platz für ein junges Startup“ vorstellen kann.

Um die Ecke wohnt Jörg Schramm. Er kennt Ramers von den gemeinsamen Auftritten im Männerballett im Saal der Dorfkneipe Meiershof an Karneval. Wie Ramers mit der neuen Machtfülle umgehen wird – ob sie ihn verändert? „Da habe ich bei ihm keine Befürchtungen. Er ist ja schon stellvertretender Landrat, er kennt das.“ Im Gegenteil: „Durch Markus wird das Amt entstaubt.“

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Da will Franz-Josef Giefer kein Spielverderber sein. Aber anmerken will er schon, dass er hoffe, „dass Markus neutral genug sein kann, alle gleich zu behandeln“. Dass er – wie offenbar viele der rund 720 Freilinger – stolz auf den Sieg des 33-Jährigen aus dem Dorf ist, sei doch selbstverständlich: „Bei dem Alter kann er 30 Jahre lang Landrat bleiben!“ Das wäre reichlich Zeit zu überprüfen, ob der neue Landrat ein Versprechen hält, dass er Jörg Schramm gegeben hat: „Er will weiter bei uns im Männerballett mittanzen!“

Die Konsequenz: Die Gruppe hat sich noch am Sonntagabend umbenannt. In „Landrat Ramers Männer“. Wo es für Alt-Landrat Günter Rosenke noch die eigene Band war, ist es eben bei seinem Nachfolger der geschmeidig-elegante Hüftschwung begnadeter Männerkörper. An Aschermittwoch ist das aber immer vorbei.

In Freilingen, so Böhm schmunzelnd, „werden jetzt wohl die Immobilienpreise steigen“. Mehr Optimismus ist kreisweit gerade kaum zu finden.