Zu der spontan organisierten Veranstaltung im Tondorfer Dorfsaal kamen 200 Interessierte. Fünf Parteienvertreter stellten sich ihren Fragen.
Nach ProtestenLandwirte und Politiker trafen sich in Tondorf – Kaum konkrete Forderungen
Was als Protest der Landwirte begonnen hat, hat schnell weite Kreise gezogen. Ob Handwerker oder Spediteure, viele Berufsgruppen und Privatleute solidarisieren sich mit den demonstrierenden Bauern, die sich vor einigen Wochen mit ihren Treckern auf den Weg machten, ihren Unmut über die Entscheidungen der Bundesregierung zu äußern. „Jetzt reicht’s“, so der Tenor, dem sich derzeit kaum jemand verschließen kann.
Im Tondorfer Dorfsaal versammelten sich Landwirte und andere Berufsgruppen, um einmal nicht bei Minustemperaturen an einem Mahnfeuer oder bei einer Demonstration, sondern bei erträglichen Temperaturen ihre Forderungen vorzutragen. Die Veranstaltung war recht spontan organisiert worden – und zeigt die gute Vernetzung: Nach gerade einmal zwei Tagen Vorlauf hatten sich rund 200 Interessierte eingefunden. Fünf Parteienvertreter stellten sich auf der Bühne den Fragen der Teilnehmer, die eigentlich mehr Schilderungen von Missständen und Vorwürfe waren.
Landwirt Thomas Gräf setzte sich für Politiker ein
Trotz der deutlich wahrnehmbaren Emotionen waren keinerlei wie auch immer geartete Ausfälligkeiten zu hören. Das war auch der Moderation von Thomas Gräf zu verdanken. Der Landwirt aus Elsig, Mitglied des LSV (Land schafft Versorgung), hatte die Versammlung gemeinsam mit seinem Kollegen Dieter Michels organisiert.
Gräf forderte immer wieder Respekt für die Politiker ein, die sich dem Volkszorn stellten. Unnachgiebig und unparteiisch trat er auf die Bremse, wenn die Gemüter zu hoch aufzubrausen drohten. Immer wieder erhoben sich höhnisches Gelächter, Zwischenrufe oder Proteste. Vor allem Thomas Keßeler stand als Vertreter der Grünen immer wieder im Fokus.
Landwirte schilderten Politikern aus dem Kreis Euskirchen ihre Probleme
Zuerst aber wurde noch einmal dargelegt, was aus Sicht der Landwirte alles falsch läuft. Dazu war Markus Wipperfürth, Landwirt aus Pulheim und als Fluthelfer an der Ahr bekannt geworden, nach Tondorf gekommen. Er monierte, dass ihm die Möglichkeit genommen werde, so zu wirtschaften, wie er es wolle. Ihm mache die Entwicklung Angst, denn die Menschen wüssten nicht mehr, wie es weitergeht. Er plädiere für eine Politik für die Menschen, nicht für Ideologien.
Auch Frank Paffenholz, Architekt aus Blankenheim, Niklas Köster von der Kreisbauernschaft Euskirchen und Landwirtin Janina Weins schilderten ihre Sicht der Dinge. „Es gibt gute Grundgedanken, aber die sind nicht zu Ende gedacht“, so Weins: „Ist der Politik bewusst, wie viel Arbeit an der Landwirtschaft hängt?“ Ohne Leidenschaft sei der Beruf nicht zu leisten. Die 40-Stunden-Woche sei bereits am Mittwoch geleistet – und jeder Handgriff werde von sogenannten Experten vorgeschrieben.
Politiker zeigten Verständnis für Anliegen der Bürger
Doch so verschieden auch der Hintergrund der Redner war, umso deutlicher wurde, dass es bei den Protesten längst nicht mehr nur um Agrardiesel und Kfz-Steuer geht. Ein Unternehmer wetterte etwa gegen die Mauterhöhung, die bei ihm 84 Prozent ausmache, ein Fuhrunternehmer monierte, dass er für Schwertransporte 13 Begleitfahrzeuge stellen müsse statt der vier, Architekt Paffenholz schimpfte über die Energieeffizienzklassen im Gebäudeenergiegesetz, ein Forstwirt kritisierte den Entwurf zum neuen Bundeswaldgesetz. Viele Redner warfen den Politikern in Berlin fehlende Kompetenz vor.
Denen, die sich im Saal den Bürgern stellte, wurde immer wieder Respekt für ihren Mut gezollt. Dass Ingo Pfennings, Bürgermeister von Schleiden und CDU-Kreisvorsitzender, die Euskirchener Politiker Thomas Keßeler (Grüne) und Hans-Joachim Schäfer (FDP), SPD-Kreisvorsitzender Thilo Waasem und Peter Esser, Freie Wähler, ähnlich unzufrieden wie die Protestierenden sind, machten sie deutlich, als sie aufgefordert wurden, ein Statement zum Erscheinungsbild ihrer Partei abzugeben. Niemand versuchte, die Anliegen der Bürger als unbegründet abzutun.
Kaum konkrete Vorschläge von Protestlern
Wie verfahren die Situation aber ist, wurde deutlich, als auf die Frage, was sie denn gegen die Krise tun wollten, Schweigen auf der Bühne war. „Wir sind selbst ratlos, wir regen uns genauso auf“, sagte schließlich Pfennings. Die Kommunalpolitiker seien aber nicht der Gesetzgeber. Die Parteienlandschaft werde immer kleinteiliger, was Kompromisse noch schwieriger mache. Immer wieder betonten die Parteivertreter, wie wichtig es sei, dass die Protestler sich in die Politik und die Meinungsfindung einbringe.
Aber aus deren Reihen waren Handlungsvorschläge oder konkrete Forderungen ebenso Mangelware. Die habe die Politik zu liefern, obwohl, wie im gleichen Zug nur zu deutlich mitgeteilt wurde, den Politikern genau dazu die Kompetenz abgesprochen wurde.
So endete der Abend in der Gewissheit, das miteinander geredet und zugehört wurde. „Was hier passiert, ist historisch“, sagte Gräf. Die Leute hätten sich geäußert und Fragen gestellt. „Wir sollten vorsichtig und ganz überlegt sehen, wie wir die Zukunft gestalten“, so Gräf. Letztendlich könne der Mittelstand froh sein, dass die Ampel so ein Gesetz beschlossen habe und die Bauern aufgestanden sein – und die Probleme mit der Regierung öffentlich würden. Die Bauern seien die Speerspitze, jetzt könnten auch die Spediteure und Handwerker ihre Forderungen und Kritik äußern.
„Wir brauchen keine AfD, wir brauchen eine gemäßigte Mitte, die den Karren aus dem Dreck zieht“, hieß es dazu von einem Teilnehmer der Versammlung.