Waisenhaus in TondorfNadja Lucassen und Gabriele Vester-Hohn kümmern sich um Hunde
Nettersheim-Tondorf – Aufgeregt bellend jagen die drei jungen Hunde auf die eingezäunte Rasenfläche an der Rückseite des alten Eifelhauses. Sie hätten sich jetzt lange genug von ihrer Reise erholt, so finden sie. Jetzt müsse etwas erlebt werden. Begeistert rennen sie über den kleinen, gepflasterten Hof und begrüßen jeden, der ihnen über den Weg läuft.
„Für die Drei haben wir schon Interessenten“, erzählt Nadja Lucassen, während sie die etwa sieben Monate alten Mischlinge knuddelt. Aus Bosnien kommen die Hunde, berichtet sie und betrachtet sie kritisch. „Da ist vielleicht Husky oder Spitz mit drin“, überlegt sie laut.
Im Welpenwaisenhaus NRW in Tondorf, gewiss eines der kleinsten Tierheime im Land, kümmern sich Lucassen und ihre Mutter Gabriele Vester-Hohn vor allem um die Schwächsten unter den Schwachen: die Welpen und Jungtiere. Diese erhalten hier die besondere Pflege, die ihnen zusteht. Auch in eine gute Vermittlung wird seitens der beiden Frauen viel Zeit investiert. „Ich kann nicht anders“, sagt die 32-Jährige. Sie sei, so erzählt sie, mit dem Tierschutz großgeworden.
Intensive Betreuung
„Ein Welpe gehört in seiner prägendsten Zeit, wenn er alle sozialen Regeln im Rudel lernt, nicht hinter Gitter“, begründet Vester-Hohn die besondere Fürsorge für die Jungtiere. Dies gelte genauso für Senioren-Hunde, die ihre letzten Tage nicht in einem Zwinger verbringen sollten. Ihnen stehe das Welpenwaisenhaus genauso offen.
Doch ansonsten ist der Name Programm. Denn auch für die Tierheime ist die intensive Betreuung, die Jungtiere benötigen, kaum zu leisten. „Alle zwei Stunden mutterlose Welpen füttern, das geht im Tierheim nicht“, hat Gabriele Vester-Hohn in den 35 Jahren, in denen sie sich im Tierschutz engagiert, gelernt.
Förderverein mit rund 100 Mitgliedern
Begonnen habe sie als Pflegestelle für den Kölner Tierschutzverein „Menschen für Tiere“, erzählt sie. Als später auch das Tierheim Troisdorf ihre Unterstützung in Anspruch genommen habe, sei ihr Mann auf die Idee gekommen, ein eigenes kleines Tierheim für Jungtiere zu eröffnen. Nach den Anfängen in Hennef siedelte die Familie im Jahr 2005 nach Tondorf um, wo sie eine ehemalige Schokoladenfabrik zu ihrer Heimstatt erkor.
So ist die Gemeinde Nettersheim seit vielen Jahren die Heimat eines der kleinsten Tierheime in NRW. Denn die Arbeit erledigen Vester-Hohn und ihre Tochter im Familienverbund, auch wenn hinter dem Welpenwaisenhaus ein Förderverein mit rund 100 Mitgliedern steht. Bis zu 25 Tiere haben hier schon gleichzeitig eine Heimat auf Zeit und Pflege bekommen. Hunde, Katzen, Füchse oder Wildschweine war bereits in der Einrichtung einquartiert. „Das Schönste, was ich hatte, war ein Hirschkalb“, berichtet Gabriele Vester-Hohn lachend.
Joschi sucht dringend ein neues Zuhause
Drei Junghunde aus Bosnien haben schnell ein neues Zuhause gefunden. In den nächsten Tagen werden acht Welpen aus dem Tierheim Smoira in Rumänien in das Welpenwaisenhaus ziehen.
Besonders sorgt sich Lucassen um Joschi, den sie seit seinen Welpentagen betreut. Knapp drei Jahre ist er alt, 55 Zentimeter groß und 17 Kilogramm schwer. Auch wenn der Hund einen guten Platz bei einer Familie in Hürth hat, kommt er mit den dortigen Umständen nicht zurecht. Denn Joschi hatte einen schlechten Start, da er aus einem Fall von Animal Hoarding mit über 60 Hunden stammt, wo er abgeschottet leben musste. Dadurch, so erläutert Lucassen, sei er oft so verunsichert, dass er aggressiv reagiere.
Doch die Lebensumstände in einer Wohnung und einer belebten Umgebung ließen keine Beruhigung und keine Routine für das Tier zu. So suche sie bis spätestens Anfang Oktober für den sensiblen, cleveren und anhänglichen Hund eine ruhige Umgebung bei hundeerfahrenen Menschen
Weitere Infos gibt es auf der Internetseite des Vereins oder unter 0 24 40/95 94 40 (10 bis 18 Uhr). (sev)
www.welpenwaisenhaus.de
Und auch ein Schwein hat seine ständige Bleibe in dem großen Haus in Tondorf gefunden – genauso wie Hühner, Tauben und Bienen. Dazu wohnen hier auch noch vier Generationen Menschen, auch die 94-jährige Großmutter von Lucassen lebt hier.
Ob sich die tierischen Neuankömmlinge mit Kindern vertragen, wird in Tondorf schnell – und im Familienverbund – geklärt. Denn Lucassen ist Mutter einer zweijährigen Tochter und eines vierjährigen Sohnes. „Das sind meine Indikatorkinder“, erzählt sie schmunzelnd.
Beratung wichtig
Die 32-jährige übernimmt meist die Vorgespräche mit Interessenten. „Das Wichtigste ist: beraten und aufklären“, sagt sie. So achte sie darauf, dass die Adoptanten genügend Zeit mitbringen, aber auch Platz für die Tiere zur Verfügung stellen. Manchmal aber passten die Menschen und Tiere nicht zusammen. Dann nehme sie sich die Zeit, den Leuten zu erklären, warum ihr Wunschhund nicht der richtige für sie sei. „Wenn die Interessenten das nicht verstehen, gehen sie zum nächsten Züchter oder viel schlimmer, holen sich aus dem Internet oder auf dem Tiermarkt einen Welpen vom Vermehrer“, warnt sie. Und so haben auch Menschen, die älter als 60 Jahre sind, hier eine Chance ihren Traumhund zu finden – anders als in manchem Tierschutzverein.
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„Wir versuchen, die besten Umstände für unsere Schützlinge zu bekommen“, fügt Vester-Hohn hinzu, um bedauernd einzuschränken: „Aber Umstände können sich auch ändern.“ Deshalb sei das Welpenwaisenhaus praktisch ihr Leben lang für die Tiere da. Auch für ratlose oder verzweifelte Adoptanten. „Wir haben für jedes Krankheitsbild einen Spezialtierarzt“, gibt Lucassen ein Beispiel.