GemündBei Wasserkraftwerk-Bau droht nach elf Jahren Planung der nächste Rückschlag
Schleiden-Gemünd – Die Genehmigungen liegen vor – gebaut wird aber immer noch nicht. Seit nun elf Jahren möchte Hubert Verbeek am Stauwehr in Gemünd ein Wasserkraftwerk bauen. Eigentlich sollte es in diesem Jahr endlich an den Bau gehen, doch daraus wird wieder nichts.
Denn neben einer Klage gegen die Genehmigung des Kreis Euskirchens für das Projekt, die im Mai verhandelt werden soll, mache Verbeek auch der neue Gesetzentwurf zu den Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien, der seit Mitte März als Referentenentwurf vorliegt, das Leben schwer, so der Elektro-Ingenieur.
Kraftwerk könnte 150 Vier-Personen-Haushalte mit Strom versorgen
Das Wasserkraftwerk soll eine Leistung von 110 Kilowatt haben. Das würde im Jahr ausreichen, um 150 Vier-Personen-Haushalte mit Strom zu versorgen. Und im Sommer könnte die komplette Brauchwasserversorgung von ganz Gemünd damit angetrieben werden, erläutert Verbeek.
Doch die 110 Kilowatt sind dem Bund laut neuem Gesetzentwurf zu wenig, um weiterhin einen Anspruch auf Förderung zu haben. Konkret heißt es in dem Entwurf: „Kleine Wasserkraftanlagen mit einer Leistung bis 500 kW werden aus ökologischen Gründen künftig nicht mehr gefördert.“
Berlin sendet falsches Signal
Für Verbeek, Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings und Philipp Hawlitzky von der Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Nordrhein-Westfalen ist das vollkommen unverständlich. „Wir sind alle vor den Kopf gestoßen“, sagt Verbeek. „Es hat uns sprachlos gemacht“, pflichtet ihm Hawlitzky bei: „Berlin sendet damit ein falsches Signal.“
In Zeiten von Klimawandel und dem Wunsch, schnell unabhängig von Kohle und Gas aus Russland zu werden, seien kleine Anlagen zumindest ein Anfang, finden alle Beteiligten. „Es wurde gesagt, jede Kilowattstunde werde benötigt“, so Hawlitzky. Selbst in einem Ministerium des Landes habe man ihm gesagt, dass eine solche Anlage an diesem Standort wünschenswert sei, schildert Verbeek.
Außerdem sei die Akzeptanz von Wasserkraft, anders als bei Windenergie beispielsweise, in der Bevölkerung sehr hoch, so Hawlitzky. Für eine Wasserkraftanlage bedürfe es keiner hohen Anlagen in der Nähe von Häusern. Es werde auch keiner durch die Reflektion der Sonne wie bei Solaranlagen geblendet. Das Wasser sei sowieso da, es fließe durch den Fluss. Warum dann nicht auch nutzen, so Hawlitzky.
Werk diene dem Hochwasserschutz
Doch nicht nur wegen der Energiegewinnung hätte das Kraftwerk noch eine weitere Aufgabe: Der Wasserstand der Urft würde bei einem 100-jährlichen Hochwasser um 70 Zentimeter gesenkt werden. Stromlinienförmige Bleche, die an der Anlage befestigt sind, würden sich bei starkem Wasserdruck selbstständig absenken und dadurch mehr Wasser durchlassen.
250-jährige Geschichte
Das Wehr hat laut Bürgermeister Ingo Pfennings eine 250 Jahre alte Geschichte und gehörte zu einem Eisenwalz- und Schneidwerk. Es regulierte die Wasserzufuhr zum parallel der Urft verlaufenden Scheidmühlengraben, der mittlerweile zugeschüttet wurde. Mit dem Wasser aus dem Graben wurden die Wasserräder des Metallbetriebs betrieben, der sich im 19. Jahrhundert in der Nähe des heutigen Kurhauses befand. In dieser Zeit entwickelte sich Gemünd zu einem Industriestandort.
Bei einer Mountainbiketour fiel Hubert Verbeek der Standort auf. 2009 begannen die Planungen. Parallel erwarb Verbeek die Wehranlage und die für die Anlage notwendige Fläche. Verbeek errichtete bereits ein Kraftwerk an der unteren Rur. (jes/wki)
Das Krafthaus, das unmittelbar vor dem alten Wehrtor an der Urft gebaut werden soll, soll die Maße einer größeren Garage haben und eine großflächige Fensterfront bekommen, durch die Besucher und Kinder vom nahe gelegenen Spielplatz nachvollziehen können, wie die Turbinen mit dem durchlaufenden Wasser Strom erzeugen. Über der Turbine im Erdgeschoss befinden sich die Welle, der Generator und die sonstige Technik. Mithilfe eines Rechens vor dem Krafthaus wird Holz und anderes Treibgut aus den Turbinen gehalten. Eine Fischtreppe möchte Verbeek ebenfalls errichten.
Unterstützung vom Schleidener Bürgermeister
Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings unterstützt das Vorhaben: „Wir wollen eine solche Anlage.“ Aber diese Stelle sei die einzige, an der ein Wasserkraftwerk Sinn ergeben würde. Wenn es hier nicht klappe, dann werde es nirgendwo in Schleiden eine solche Anlage geben.
„Es gibt immer wieder ungeplante Schwierigkeiten“, sagt Verbeek mit einem Lachen. Davon wolle er sich bei seinem Vorhaben aber nicht abbringen lassen, so der Investor: „Wir machen weiter, auch wenn der EEG-Entwurf sich durchsetzt. Das ist ja Irrsinn.“ Pfennings bewundert das Durchhaltevermögen von Verbeek: „Er zieht es weiter durch.“
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Gebaut werden kann die Anlage aufgrund der Witterungsverhältnisse und der vermehrten Wassermengen der Urft im Winter nur während der Sommermonate – also frühestens im nächsten Jahr. Verbeek rechnet derzeit mit einer Bauzeit von sechs Monaten. Zu den Kosten wollte der Investor keine Angaben machen, da sie aufgrund der derzeitigen Situation mit Rohstoffmangel und Lieferengpässen nicht kalkulierbar seien. Aber Verbeek machte auch klar: Ohne die Förderung im Rahmen der EEG laufe das Projekt nicht.