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FlutschädenWie eine Beton-Plombe den Hang der Urfttalsperre bei Gemünd sichern soll

Lesezeit 6 Minuten
Gerrit Jaspers trägt eine orangefarbene Warnweste und steht auf der Dammkrone der Urftstaumauer.

Er hat die Bauleitung bei den Sicherungsarbeiten an der 1905 erbauten Urftstaumauer: Gerrit Jaspers.

Die Sanierungsarbeiten an der Urftstaumauer sind im vollen Gang: Bei der Flutkatastrophe 2021 wurde dort Bodenmaterial mitgerissen.

Inmitten prächtiger Naturidylle des Nationalparks Eifel tut sich plötzlich eine Großbaustelle auf. Ein mächtiger Kran ragt aus der bewaldeten Landschaft in den bedeckten Himmel. Er kratzt schon fast an den tiefhängenden Wolken. Etwa auf halber Strecke der an ihrer Krone 226 Meter langen Staumauer der Urfttalsperre hat sich ein Bautrupp aus dem Sauerland breitgemacht.

Aus Kirchhundem kommt die Firma Fels- und Forstservice Kühr (FFK), die einen Spezialauftrag zu erfüllen hat. Es handelt sich um Sicherungsmaßnahmen nach Flutschäden an einem großflächig abgeschwemmten Hang. Diese Arbeiten hat der Talsperren-Eigentümer, der Wasserverband Eifel-Rur (WVER), in Auftrag gegeben. Der Verband macht allerdings nachdrücklich deutlich, dass zu keiner Zeit die Standfestigkeit des Damms gefährdet gewesen sei.

Damm des Urftstausees war durch Überflutung nicht gefährdet

Dreieinhalb Jahre nach der Hochwasserkatastrophe vom 14./15. Juli 2021 verschwindet an dieser Stelle zumindest optisch weitgehend die Erinnerung an die Flut mit ihren schrecklichen Folgen.

Die Urfttalsperre stammt aus dem Jahr 1905, entwickelt und gebaut vom RWTH-Professor Otto Intze. Sie ist die älteste innerhalb der attraktiven Eifeler Seenplatte, einem miteinander verknüpften Verbundsystem mehrerer Speicherbecken. Von Rurberg und auch von Gemünd aus ist die Mauer zwischen Urft- und Obersee bequem auf gut ausgebauten Wanderwegen zu erreichen, auch von Einruhr aus.

Eine Beeinträchtigung der Standfestigkeit der Staumauer ist nicht möglich, da die Urfttalsperre als Schwergewichtsmauer ausgebildet worden ist und daher der anstehende Hang nicht als Widerlager der Mauer dient.
Jana Wirtz, Projektleiterin des WVER

Spaziergänger, Radsportler und andere Passanten sind im Bereich dieser Baustelle, entgegen sonstigen Gepflogenheiten bei solchen Projekten, durchaus gerngesehen – außer zu Beginn der Arbeiten Anfang Oktober, als der Kran aufgestellt und die Staumauer deswegen für ein paar Tage gesperrt werden musste. Damit sie auf dem beliebten Wanderweg, der über die Staumauer führt, nicht am Bauzaun hängenbleiben und ausgesperrt werden, wurde eigens eine stabile Treppenanlage zusammengeschraubt.

Weg über den Damm ist auch während der Bauarbeiten passierbar

Sie verfügt über einen besonderen Clou: Das sind zwei rostfarbene Stahlträger. Sie sollen es insbesondere Fahrrad- und E-Bike-Fahrern erleichtern, ihre teils schweren Zweiräder über dieses Hindernis zu bringen. Beim Auf- und Abstieg können sie problemlos entlang dieser Art Schiene über elf Stufen geschoben werden. Selbst mit Kinderwagen dürfte es ein Leichtes sein, hier voranzukommen. Also vielleicht ein Familien-Ausflugstipp fürs Wochenende.

Blick auf den Hang neben der Urftstaumauer, der von Arbeitern mit Beton gesichert wird.

Der Arbeiter steht in einem Kasten, der am Kran hängt.

Mit einer Spritzdüse wird der Beton von einem Arbeiter in den Hang neben der Staumauer eingebracht.

Über Spritzdüsen wird der Beton mithilfe eines Schlauchs aufgetragen.

Was auf der Staumauer – oder hauptsächlich vielmehr unterhalb davon – vor sich geht, kann Gerrit Jaspers im mollig temperierten Baucontainer freundlich und beredt erklären. Er ist Bauleiter bei FFK und für die Umsetzung der Arbeiten verantwortlich. Es ist ein umfangreiches Sanierungsprojekt.

Als die Urfttalsperre im Juli 2021 die hineinströmenden Regenmassen nicht mehr fassen konnte, traten zunächst die eigens gebauten, weiß gestrichenen Überlaufröhren in Funktion. Das sind stabile Halbkreise aus Beton oder, wie der Fachmann weiß, so genannte „Einlauftassen“ der Hochwasser-Entlastungsanlage. Das Wasser stieg über deren Ränder und stürzte über die insgesamt 33 treppenartigen Kaskaden auf der anderen Seite der Staumauer in die Tiefe und somit in den Obersee. Danach strömten die Fluten weiter zum etwa vier Kilometer entfernten Überlauf in Rurberg und dann in die Rurtalsperre.

Fluten stiegen im Juli 2021 über die Dammkrone

„Weil das Wasser über die Treppenstufen des Kaskadenhangs fließt, baut es seine Energie ab und trifft nicht mit voller Wucht auf den Untergrund“, klärt WVER-Pressesprecher Marcus Seiler auf Anfrage unserer Zeitung auf. „Dies könnte sonst Ausspülungen verursachen, die in der Tat irgendwann den Felskörper in Mitleidenschaft ziehen könnten“, fügt er an.

Blick auf den Überlauf der Urftstaumauer.

Hier strömte während der Flut das Wasser in die Tiefe.

Doch die Einlauftassen reichten nicht aus, um die Fluten zu bewältigen und den Pegel zu entspannen. Das Wasser überstieg für kurze Zeit auch noch die Dammkrone und floss entlang der schrägen Erdbefestigung auf der „Luftseite“ Richtung Einruhr – aus Fließrichtung der Urft betrachtet auf der linken Dammseite – wie auf einer Rutschbahn hinab. Dabei wurde Stein- und Erdmaterial auf der Reise in die Tiefe des Obersees mitgerissen. Allerdings sei nur „eine geringe Wassermenge in Höhe weniger Zentimeter kurzzeitig über die Mauerkrone selbst geflossen“, sagt Seiler. Diese Wassermenge sei nicht so groß gewesen, dass sie Uferböschungen „weggerissen“ hätte. „Der Fels selbst wurde nicht in Mitleidenschaft gezogen“, fügt er an.

Und Jana Wirtz präzisiert: „Lediglich loses Bodenmaterial wurde im Hang abgetragen, das ebenso durch einen Starkregen hätte verursacht werden können“, versichert die Projektleiterin für Planung, Bau und Tragsicherheit beim WVER in Düren. „Die übergelaufene Menge ist vernachlässigbar“, unterstreicht die junge Ingenieurin. Laut Jana Wirtz verzögere sich die Fertigstellung der Baumaßnahme zur Hangsicherung „witterungsbedingt und wird voraussichtlich erst im Januar 2025 abgeschlossen werden können“.

Um die Stabilität des Stauwerks dauerhaft zu gewährleisten, wurden mit Spezialbohrgerät insgesamt 56 Löcher mit einem Durchmesser von jeweils 90 Millimetern in den Hang getrieben. Darin wurde die entsprechende Zahl von stabilen, überdimensionalen Nägeln im Fels versenkt. An diesen Stützelementen wurden jede Menge Stahlmatten befestigt, wie man sie auch bei der Deckenarmierung in Neubauhäusern kennt.

Dammsicherung schlägt mit rund 750.000 Euro zu Buche

Die Gefahr des Dammbruchs habe nie bestanden, wird nachdrücklich versichert: „Eine Beeinträchtigung der Standfestigkeit der Staumauer ist nicht möglich, da die Urfttalsperre als Schwergewichtsmauer ausgebildet worden ist und daher der anstehende Hang nicht als Widerlager der Mauer dient“, macht Jana Wirtz deutlich. Als Ziel der Maßnahmen formuliert sie: Der durch das Wasser freigelegte Felsen solle „für die kommenden Jahrzehnte sowohl vor natürlicher Verwitterung als auch vor durch Starkregen verursachte Verwitterung langfristig geschützt werden“. Die Kosten der Sicherung betragen nach ihren Angaben rund 750.000 Euro.

Den entscheidenden Faktor Stabilität sollen die Arbeiten bringen, die im Augenblick auf dieser Baustelle laufen. Auf der Staumauer steht ein riesiges Silo. Dies wird regelmäßig per Lastwagen mit neuem Zement, gemischt mit Steinmehl, aufgefüllt. Per Druckleitung wird das Material dann genau an die Stellen gebracht, wo es eingebaut werden soll. Genau dafür ist eigens der Kran aufgestellt worden. Am Ausleger ist ein Seil befestigt, an dessen Ende ein viereckiger Metallkasten hängt. Darin steht einer der Mitarbeiter von Bauleiter Gerrit Jaspers und hält einen Schlauch in den Händen.

Beton wird mit Wasser aus dem Urftstausee angemischt

Es ist eine staubige Angelegenheit, der Kollege trägt eine Schutzmaske. Die Druckluft befördert das Baumaterial an die Spitze des Schlauchs. Und genau an dieser Spritzdüse wird erst das Wasser zugesetzt, das bei der Betonproduktion unerlässlich ist. Das stamme direkt aus der Talsperre, sagt Jaspers. „Wir haben die Qualität eigens prüfen lassen. Es ist sehr sauber und gut für uns geeignet.“

Die feuchte Betonmasse wird dann auf die Stahlmatten aufgetragen, immer schön gleichmäßig. Die fertige, ausgehärtete Spritzbetonschale auf einer Fläche von 450 Quadratmetern wird insgesamt eine Mächtigkeit von 20 Zentimetern besitzen. Die dann verarbeitete Betonmenge von rund 100 Kubikmetern dürfte genug sein, damit der Hang an der Staumauer keinesfalls mehr ins Rutschen gerät, ist der Bauleiter zuversichtlich.

Von Ferne wirkt die Baustelle übrigens so, als hätte ein Zahnarzt-Riese eine überdimensionale Plombe dort platziert, wo der kraftvolle Wasserstrom bei den Überschwemmungen heftig gewirkt hatte – ähnlich wie Karies bei den Zähnen.