Unterwegs auf dem Wildnistrail mit Ranger Ralf Hilgers von Einruhr nach Gemünd: Wasser spielt auf der zweiten Etappe eine große Rolle.
20 Jahre NationalparkWildnistrail, zweite Etappe – und warum es Kois im Urftsee gibt
Ruhig liegt der Obersee da, Bäume spiegeln sich in seiner Oberfläche, die Morgensonne hat ihn in warmes Licht getaucht. Es ist kurz nach neun. Noch ist kein Schiff auf dem See unterwegs. Doch vor dem Nationalpark-Infopunkt in Einruhr versammelt sich schon eine Gruppe Wanderinnen. Sie tragen T-Shirts und sind bester Laune. Ich treffe mich hier mit Ranger Ralf Hilgers. Zusammen wollen wir die zweite Etappe des Wildnistrails laufen: 20 Kilometer von Einruhr bis Gemünd. Hilgers wird mich allerdings nur knapp die Hälfte des Weges bis Wollseifen begleiten. Bis dahin kann ich mich also schon einmal nicht verlaufen.
Wir verlassen zunächst das Ufer des Obersees und gehen bergauf durch Einruhr. Am Ortsende geht es weiter durch ein Stück Wald. Das sei alles noch nicht Nationalparkgebiet, klärt Hilgers mich auf. Tatsächlich gebe es auf jeder Etappe des Wildnistrails Phasen, in denen man nicht im Nationalpark unterwegs sei, anders sei die Wegeführung nicht möglich gewesen. Zu unserer Linken kann ich inzwischen wieder das Wasser des Obersees durch die Bäume schimmern sehen.
Drei große Seen liegen im oder am Nationalpark. Der Rursee, der sich von Rurberg bis zur Staumauer in Schwammenauel erstreckt. Er grenzt nur an den Nationalpark, die Wasserfläche selbst gehört nicht mehr dazu, aber eine Uferseite. Dann der Obersee zwischen Einruhr und der Urftseestaumauer. Er ist das Hauptvorbecken des Rursees und eine Trinkwassertalsperre für die Städteregion Aachen. Der Obersee liegt zum Teil außerhalb des Nationalparks, zum Teil gehören beide Ufer zum Nationalpark.
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Die Flutkatastrophe 2021 spülte Kois in den Urftsee
Der dritte See ist der Urftsee. Er dient der Energiegewinnung und gehört dem Wasserverband Eifel-Rur. Der Nationalpark hat ihn allerdings gepachtet. Deshalb gibt es auf dem Urftsee keine Bootsfahrt, auch Angeln und Wassersport sind verboten.
Zweimal im Jahr werde eine Probebefischung durchgeführt, berichtet Hilgers. Da habe man schon einmal einen mehr als 30 Kilogramm schweren Karpfen rausgezogen. Auch große Hechte gebe es im Urftsee, so der Ranger. Und seit ein paar Jahren gehören auch mehrere Kois sowie zwei Störe zu den Seebewohnern. Beides keine heimischen Fische. „Die sind nach der Flut gekommen“, berichtet Hilgers.
Ursprünglich stammten sie vermutlich aus Zuchtanlagen oder privaten Teichen, doch das Hochwasser im Juli 2021 habe sie in den Urftsee gespült. Und da dürfen sie erst einmal bleiben. Gezielt bejagen könnte man die Fische ja schlecht, und da es genügend große Raubfische im Urftsee gebe, mache man sich aktuell auch keine Sorgen, dass die Neuankömmlinge sich zu sehr ausbreiteten.
Auch einige alte Obstbäume werden im Nationalpark Eifel erhalten
Wir sind inzwischen im Nationalpark angekommen und gehen auf einem breiten Weg durch blühende Wiesen. Hier habe sich einst der Ort Jägersweiler befunden, berichtet Hilgers. Etwa acht Häuser hätten hier mal gestanden. Heute sieht man nur noch eins, es steht etwas weiter vom Weg entfernt auf der linken Seite.
Daneben sind alte Obstbäume zu erkennen. Die versuche man zu erhalten, berichtet Hilgers. Zusätzlich habe der Nationalpark 50 weitere alte Obstsorten aus Wollseifen hier erneut angebaut. Die Flächen rund um Jägersweiler gehören zu den wenigen, die im Nationalpark immer gemanagt werden sollen, um die Artenvielfalt zu erhalten. Die Wiese werde daher einmal im Jahr gemäht, sagt Hilgers.
Der Weg führt wieder in den Wald, und wir kreuzen einen kleinen Bach. Schon auf meiner ersten Etappe ist mir aufgefallen, dass es im Nationalpark viel mehr Gewässer und Bäche gibt, als ich angenommen hatte. „Wir haben unzählige Bäche mit verschiedenen Charakteren“, sagt Hilgers. Manche Bäche verschwänden plötzlich im Boden, nur um 500 Meter weiter wieder hervorzukommen. Andere hätten im Sommer auf den ersten Blick zum Teil kein Wasser, doch unterirdisch fließe es weiter.
Bäche im Nationalpark sollen von der Quelle bis zur Mündung frei fließen
Ein Ziel des Nationalparks sei es, den Bachläufen zu ermöglichen, von der Quelle bis zur Mündung frei fließen zu können, berichtet Hilgers weiter. Immer dort, wo ein Weg einen Bach kreuze, seien oft Rohre verlegt worden, damit der Bach unter dem Weg her fließe. Das habe aber eine Veränderung der Fließgeschwindigkeit zur Folge und verhindere, dass Fische und Mikroorganismen die Bachläufe hochwandern könnten, so der Ranger. Deshalb sollen die Rohre verschwinden und Wanderer und Touristen mit Hilfe von Trittsteinen die Bäche überqueren.
Der Weg führt uns wieder ans Ufer des Obersees, im seichten Wasser staksen ein paar Bachstelzen umher. Immer wieder kräuselt sich das Wasser an der Oberfläche. Das seien oft Fische, die nach Insekten schnappten, sagt Hilgers.
Am sogenannten Fjordblick legen wir ein kurzes Päuschen ein. Von hier aus hat man einen wunderschönen Blick auf den von Wäldern umgebenen Obersee. Weiter in Richtung Urftseestaumauer kann man links und rechts am Wegesrand immer wieder deutliche Biberspuren entdecken. Im Nationalpark freut man sich über die Rückkehr des heimischen Nagers und nennt ihn auch „Architekt des Waldes“. Auch wenn er ab und an mit dem Bau seiner unterirdischen Burgen einen Weg zum Einsturz bringe, berichtet Hilgers.
Bombenlöcher von einst dienen heute als Biotope im Nationalpark Eifel
Links zwischen Weg und Seeufer tauchen nun kleine Teiche auf. Laut Hilgers handelt es sich um Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg, die inzwischen ein wichtiger Teil des Nationalparks seien. „Die Bombenlöcher sind auch Biotope“, so der Ranger. Auf dem Weg bis nach Wollseifen kommen wir noch häufiger an solchen Erinnerungen an den Krieg und die jahrzehntelange Nutzung des Gebietes als Truppenübungsplatzes vorbei.
Auf dem steilen Weg zur Dreiborner Hochfläche zeigt Hilgers wenig später auf eine Wiese, da habe sich einmal ein Pistolenstand befunden. Dahinter sei ein Wall, gegen den immer geschossen worden sei, und hinter diesem Wall liege eine an sich schöne Fläche, doch dort wachse nichts. Warum das so sei, werde noch untersucht.
Neben dem Weg beginnt nun ein kleiner Holzzaun. Schilder warnen vor Munition im Boden auf dem Gelände dahinter. Der Holzzaun sei ein Kompromiss, so Hilgers. Man habe das Gebiet nicht meterhoch abriegeln und trotzdem eine klare Grenze ziehen wollen. Bisher sei zum Glück noch nie etwas passiert.
Der Weg bis zum Zielort Gemünd „zieht sich“
Wir erreichen Wollseifen und unsere Wege trennen sich. Nach einer Pause setze ich meinen Weg in Richtung Vogelsang fort. Es geht bergab. Nach dem ziemlich anstrengenden Weg hoch nach Wollseifen ist das erst einmal angenehm. Doch ich weiß, Vogelsang liegt nicht im Tal, und jeden Meter nach unten, muss ich auch wieder nach oben gehen. In Vogelsang lege ich erneut eine kleine Pause ein, bevor ich weiter in Richtung Morsbach laufe.
Auch hier führt der Weg zunächst bergab, nur um kurze Zeit später wieder den nächsten Hügel hinauf zu steigen. Es ist inzwischen ziemlich heiß, und der Weg liegt in der Sonne. An einem Aussichtspunkt mache ich halt. Von hier aus kann ich mein Ziel schon sehen: Gemünd. Doch dafür muss ich erst noch diesen Anstieg bezwingen. Ich gehe weiter, und spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich die Entscheidung, den Wildnistrail zu laufen, sehr infrage stelle. Oben angekommen, setze ich mich kurzerhand im Schatten eines Baumes mitten auf den Weg und atme durch.
Es nutzt ja nichts, denke ich schließlich, und mache mich an den Abstieg in Richtung Gemünd.