Unterwegs auf dem Wildnis-Trail im Nationalpark Eifel: Eine Geschichte über einen kaputten Schuh, einen Umweg und viel Spiritualität.
20 Jahre Nationalpark EifelStart mit Demut: In vier Etappen über den Wildnis-Trail
Der Nationalpark feiert seinen 20. Geburtstag, und ich nehme das zum Anlass, ihn einmal richtig kennenzulernen. Von vorne bis hinten. Schließlich ist Recherche wichtig, und ich schätze eine sportliche Herausforderung. Ich will den Wildnis-Trail laufen – 85 Kilometer von Höfen bis Zerkall in vier Etappen.
Los geht es an einem grauen Morgen in Höfen. Nach kurzer Verwirrung, wo der Weg eigentlich beginnt, finde ich den Einstieg und laufe los. Rechts von mir Weiden, links Hecken, die Vögel zwitschern und es geht bergab. Perfekter Start. Nach wenigen Metern geht es von dem breiten Wanderweg rechts auf einem schmalen Pfad weiter den Berg hinunter. Das fühlt sich schon nach Wildnis-Trail an, denke ich, da mündet der Pfad auch schon wieder auf einen breiten Weg. Ich laufe am Perlenbach vorbei, als plötzlich irgendetwas an meinem Schuh hängenbleibt und über den Boden schleift.
Ich schaue nach unten und stelle fest, dass sich ein Teil der Sohle meines Wanderschuhs gelöst hat. Ich bin keine Stunde unterwegs und schon löst sich mein Equipment auf. Na bravo. Ich halte an und suche in meinem Rucksack nach irgendetwas, womit ich die Sohle wieder festmachen kann. In dem Moment kommen eine Frau und ein Mann an mir vorbei. Sie tragen ebenfalls Wanderklamotten und haben Tape dabei. Meine Rettung. Ich klebe meine Sohle fest und es kann weitergehen.
Über den Wurzelpfad ins Fuhrtsbachtal
Über den sogenannten Wurzelpfad erreiche ich das Fuhrtsbachtal. Hier blühen im Frühjahr wilde Narzissen, jetzt im Sommer sieht man unterschiedliche Blumen und Gräser. Der Weg führt allmählich wieder bergauf. Mein Tape muss ich immer mal wieder neu um den Schuh wickeln. Ich habe die leise Vorahnung, dass es nicht bis zum Ende der 24 Kilometer langen Strecke halten wird, aber um das Problem kümmere ich mich dann, wenn es auftritt.
Es geht weiter auf breitem Weg entlang von Wiesen und Wald. Kurz darauf habe ich meinen ersten Rastplatz erreicht: den Wanderparkplatz Wahlerscheid. 9,5 Kilometer bin ich jetzt schon unterwegs, zweieinhalb Stunden habe ich dafür etwa gebraucht. Bis hierhin ging es hauptsächlich über breite Wanderwege, wenn ich ehrlich bin, hatte ich mir unter einem Wildnis-Trail etwas anderes vorgestellt, aber schön ist es trotzdem.
Da die Wolken inzwischen deutlich dunkler geworden sind, halte ich meine Pause kurz. Ich quere die B258 und betrete einen schmalen Pfad durch hohes Gras. Na bitte, da ist sie doch, die Wildnis, denke ich. Doch wenig später lande ich schon wieder auf einem breiten Weg zwischen Wiesen. Mein nächstes Ziel ist der Schöpfungspfad auf der Dreiborner Hochfläche, er führt entlang des Wildnis-Trails. Um 15.30 Uhr habe ich mich dort mit Nationalparkseelsorger und Pastoralreferent Georg Toporowsky verabredet. Er will mir den Schöpfungspfad zeigen und ich will von ihm wissen, warum sich die Kirche im Nationalpark engagiert.
Allein in der Eifel-Wildnis – und auf dem falschen Weg
Ich biege auf einen kleinen Trampelpfad ab. Über nasse Steine geht es wieder bergab – ich habe zum ersten Mal wirklich das Gefühl, auf einem Wildnis-Trail zu sein. Im Tal führt eine Holzbrücke über den Wüstebach. Dahinter geht ein Weg rechts ab. Im Augenwinkel sehe ich, dass links von der Brücke eine Bank steht. Vielleicht muss ich doch links?
Aber einen Weg kann ich kaum erkennen, die Stelle vor der Bank ist matschig und ein Baumstamm liegt quer, außerdem kann ich kein Schild sehen. Ich gehe rechts. Die falsche Entscheidung. Das fällt mir allerdings erst nach einer guten halben Stunde auf. Als ich an einer Karte vorbeikomme. Ein Blick darauf und mir wird klar: Ich habe mich verlaufen.
Unten am Wüstebach hätte ich links gehen müssen. Ich atme tief ein. Dann schaue ich wieder auf die Karte. Es nützt nichts. Ich muss zurück. Mein einziger Trost: Es geht erst einmal bergab. Am Wüstebach angekommen, sehe ich, dass dort tatsächlich auch ein Schild steht. Allerdings nicht da, wo die Brücke ist, sondern ein paar Meter weiter links, versteckt zwischen Bäumen. Ein Ranger berichtet mir später, dass das Schild umgesetzt werden solle, das müsse allerdings erst noch alles seinen bürokratischen Gang gehen.
Ich gehe weiter, der Pfad führt durch den Wald. Ich beeile mich. Bisher war ich gut in der Zeit, doch durch den Umweg habe ich eine knappe Stunde verloren. Nach einer Weile wird der Weg wieder breiter und führt relativ steil den Berg hinauf. Während ich nach oben schnaufe, kommt Georg Toporowsky auf mich zugelaufen. Er habe sich dafür entschieden, mir schon einmal entgegenzukommen, sagt er.
Mit Achtsamkeit über den Schöpfungspfad
Als wir den Wald verlassen und der Weg zwischen Wiesen weitergeht, erreichen wir unseren eigentlichen Treffpunkt: den Schöpfungspfad. Genau genommen stehen wir hier am Ende des Pfades, an der zehnten und letzten Station. Wer den Wildnis-Trail in diese Richtung läuft, läuft den Schöpfungspfad von hinten nach vorne. Grundsätzlich sei es sinnvoller, den Schöpfungspfad richtig herum zu laufen, betont Toporowsky. Das mache thematisch mehr Sinn, da er von Station eins bis zehn von Achtsamkeit hin zu Verantwortung führe.
Die einzelnen Stationen des Schöpfungspfades sind relativ unspektakulär. Sie zeichnen sich durch ein einziges Schild aus, auf dem ein Bibelzitat und ein weltliches Zitat stehen, die zum Nachdenken anregen sollen. Auf Schild zehn steht ein Zitat von Albert Schweitzer: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“
Die Menschen lebten heute mit so viel Abstand zur Natur, sagt Toporowsky. Auf dem Schöpfungspfad gehe es darum, diese wieder zu erfahren und Anregungen mitzunehmen, wertschätzender mit ihr umzugehen, fährt er fort.
Georg Toporowsky: „Die Kirche braucht den Nationalpark Eifel“
Die Idee für den Schöpfungspfad ist genauso alt wie der Nationalpark, doch es brauchte vier Anläufe, bis er schließlich im Sommer 2009 eröffnet werden konnte. Dreimal habe man den Standort verschieben müssen, weil irgendetwas nicht gepasst habe, erinnert sich Toporowsky. Der Kirche sei schon mit dem Aufkommen der Nationalparkidee wichtig gewesen, dort in irgendeiner Weise stattzufinden, berichtet er weiter. Damals seien viele Ideen auf dem Tisch gewesen, auch die für eine Freiluftkirche. Das wurde nicht umgesetzt, dafür aber der Schöpfungspfad, und das Bistum Aachen hat die Nationalparkseelsorge eingerichtet, die Georg Toporowsky leitet.
Aber wozu braucht es Kirche im Nationalpark? „Der Nationalpark braucht die Kirche nicht, aber die Kirche den Nationalpark“, antwortet Georg Toporowsky. Hier werde genau das gelebt, was der Kirche heilig sei: „Natur schützen um ihrer selbst willen.“ Die Heiligkeit des Lebens wertschätzen und bewahren, das sei doch ein zentraler Gedanke der Kirche – und das Motto des Nationalparks „Natur Natur sein lassen“ passe wunderbar dazu.
Was die Natur im Nationalpark Eifel mit Spiritualität zu tun hat
Zudem erreiche die Nationalparkseelsorge oft Menschen, die mit der traditionellen Kirche nicht viel anfangen könnten. Spirituelle Wanderungen, Schöpfungsexerzitien oder mehrtägige Gruppenführungen – bei den Angeboten der Nationalparkseelsorge geht es immer darum, im Nationalpark seiner eigenen Spiritualität näherzukommen.
Für Toporowsky bedeutet Spiritualität, sich mit allem Leben verbunden zu fühlen. Und wo kann das besser gelingen als in einem Nationalpark? Wenn man mit ihm so über die Pfade läuft, spürt man seine Begeisterung für die Natur. Durch den Nationalpark zu laufen, ohne sich mit Musik oder etwas anderem abzulenken, und das Leben um sich herum zu beobachten, das mache nicht nur einfach Freude, sagt Toporowsky. Wer sich richtig darauf einlasse, werde demütig vor der Vielfältigkeit des Lebens. Eine Demut, die man mit nach Hause nehme, die einen stets daran erinnere, dass der Mensch nicht alleine existiere.
Wir sind inzwischen wieder bergab unterwegs. Ein schmaler Pfad schlängelt sich an Felsen entlang, links geht es ziemlich steil einen Hang hinunter. Der Weg werde offiziell als leicht bis mittelschwer eingestuft, sagt Toporowsky. Für ihn sei er aber ganz klar Letzteres. Kurz vor Erkensruhr trennen sich unsere Wege. Toporowsky hat hier geparkt, mein Auto steht in Einruhr. Er bietet mir an, mich bis dahin zu fahren, doch ich will den Weg zu Fuß schaffen. Eine Entscheidung, die ich auf den kommenden drei Kilometern bei jedem dritten Schritt bereue.
Knapp 24 Kilometer liegen hinter mir, hinzu kommt mein Umweg von rund dreieinhalb Kilometern, und zu allem Überfluss löst sich nun endgültig meine provisorische Sohlenbefestigung auf. Ich muss mit schlappender Sohle weiterlaufen. Ich bin fix und fertig, als ich am Auto ankomme – und definitiv auch demütig.
Den Nationalpark Eifel spirituell entdecken
Kostenlose geführte Wanderungen auf dem Schöpfungspfad bietet die Nationalparkseelsorge von April bis Oktober an jedem dritten Sonntag im Monat an. Die nächste findet am 21. Juli statt. Um 14 Uhr geht es los, Treffpunkt ist der Wanderparkplatz Finkenauel in Erkensruhr. Die Wanderung geht über rund 9,5 Kilometer und dauert etwa vier Stunden. Mehr Informationen zum Wildnis-Trail findet man auf der Webseite des Nationalparks.