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Serie

Tanzen im Selbstversuch
Schwingen ist in Frauenberg besser als Bierkastenlaufen

Lesezeit 6 Minuten
Das Bild zeigt Julia Reuß mit Tanzlehrerin Iris. Sie tanzen gemeinsam, ohne sich zu berühren.

Haltung ist das A und O beim Tanzen: Solo-Tänzerin Iris zeigt Julia Reuß, wie man es richtig macht.

Redakteurin Julia Reuß testet gerne Sportarten. Nun war sie in Frauenberg beim Standardtanz – und hinterließ einen ziemlich guten Eindruck.

So ganz weiß ich nicht, was mich heute Abend erwartet, als ich auf der schmalen, steilen Straße zur Frauenberger Sporthalle hinunterfahre. Im Rahmen meiner Sportarten-Test-Serie bin ich heute zu Gast beim Training der Tanzgruppe von Monika und Heinrich Schmitz. Standardtanz. Da bin ich eigentlich keine komplette Anfängerin drin.

Immerhin habe ich in der Oberstufe und Jahre später noch einmal Tanzkurse besucht. Sie wissen schon, den, den alle kurz vor der Hochzeit belegen, um sich nicht allzu sehr zu blamieren. Diese Kurse waren und sind dafür ausgelegt, Menschen, die Spaß am Tanzen haben, die Grundschritte in den verschiedenen Tanzarten beizubringen. Bei Ehepaar Schmitz geht es darum, Standardtanz auf Turnierniveau zu tanzen. Das sei etwas völlig anderes, betont Heinrich Schmitz vorab.

Federnder Gang und breites Lächeln zur Begrüßung

Als ich die Halle betrete, kommt er mir strahlend und mit federndem Gang entgegen. Er stellt sich als Heinrich vor, unter den Tanzpaaren in der Gruppe habe man sich auf das Du geeinigt. Auch Monika Schmitz strahlt mich zur Begrüßung an. Sie und ihr Mann versprühen eine solche Herzlichkeit, dass ich mich sofort wohlfühle. Und noch etwas fällt mir auf. Jeder Schritt, den die beiden gehen, hat etwas Tänzerisches, Schwingendes und ihre Körperhaltung ist immer gerade, aufrecht.

Daran erkenne man die Tänzer, sagt Monika. Und es ist auch das Erste, das wir heute gemeinsam üben – gerades Gehen. Zugegeben: Als Heinrich Schmitz mir vorab sagte, er wolle es jedem Anfänger ermöglichen, mitzumachen, hatte ich nicht an Geh-Übungen gedacht. Doch so absurd das erstmal klingt, Heinrich verfolgt ein Ziel.

Tanzen in Frauenberg: Auf die Bewegung der Arme beim Gehen achten

Wir sollen beim Gehen einmal darauf achten, wie unsere Arme mitschwingen und wie sich unsere Hüfte bewegt, sagt er. Diese Bewegungen passierten ganz automatisch, ohne großes Nachdenken. Und so sei das beim Wiener Walzer auch, erklärt Schmitz.

Um diesen Klassiker des Standardtanzes soll sich diese Stunde drehen. Im wahrsten Sinne: Beim Wiener Walzer dreht sich das Tanzpaar nämlich pausenlos. Alleine vom Zuschauen kann einem schwindelig werden. Damit das beim Tanzen nicht passiert, gebe es einen einfachen Trick, sagt Heinrich Schmitz. Man dürfe nicht überdrehen. Im Grunde mache jeder Tanzpartner immer nur eine halbe Drehung in eine Richtung. Wer sich daran halte, dem sollte nicht schlecht werden. Ich lerne später, dass man auch nicht nach unten gucken sollte.

Das Bild zeigt, wie Julia Reuß von Expertin Iris den Kopf gerichtet bekommt.

Tanzen in Frauenberg: Den Kopf richtig zu halten, ist gar nicht so leicht.

Das Bild zeigt Tanzlehrerin Iris und Tanzexperte Heinrich Schmitz, wie sie Redakteurin Julia Reuß die richtige Haltung erklären.

Hilfe von zwei Seiten: Heinrich und Iris erklären Julia Reuß den Wiener Walzer.

Das Bild zeigt vier Füße, die über den Boden gleiten.

Der Schwungboden in der Frauenberger Sporthalle ist fürs Tanzen bestens geeignet.

Er und Monika Schmitz machen den Wiener Walzer vor. Leichtfüßig drehen sie sich passend zur Musik durch die Halle. Obwohl sie ein ordentliches Tempo drauf haben, sieht das so unangestrengt und fließend aus.

Um da hinzukommen, sollen wir nun erstmal alleine üben. Ohne Partner und am besten auf einer Linie. Schmitz zeigt uns die Schrittfolge. Zuerst geht der rechte Fuß nach vorne, dann der linke, der sich zur rechten Wand dreht, dann wird der rechte rangezogen. Und das Ganze in einer fließenden Bewegung.

Kopf ausschalten auf Kommando? Schwierig!

Viele neigten dazu, beim Tanzen ihre Schritte bewusst zu setzen, berichtet Heinrich Schmitz. Der eine oder andere kann sich vielleicht noch an das Ablaufen eines Bierkastens beim Walzer-Unterricht erinnern. Bei Schwungtänzen wie dem Wiener Walzer sei das aber nicht gefragt. Vielmehr solle man sich von den natürlichen Bewegungen des Körpers leiten lassen.

Jeder, der schon einmal versucht hat zu meditieren, weiß: Den Kopf auf Kommando ausschalten? Schwierig! So geht es mir jetzt. Die Schrittfolge ist eigentlich recht simpel. Trotzdem habe ich das Gefühl, einen Knoten im Gehirn zu haben.

Das Bild zeigt das Tanzpaar Monika und Heinrich Schmitz in Aktion.

Frauenberg: Schweben gemeinsam durch die Halle: Monika und Heinrich Schmitz.

Die Grafik zeigt drei verschiedene Kategorien, die unterschiedlich bewertet worden sind. Anfängertauglichkeit und Teamgefühl ziemlich groß.

So bewertet Redakteurin Julia Reuß ihren Selbstversuch beim Tanzen in Frauenberg.

Als nächstes sollen die Paare den Wiener Walzer zusammen üben. Da ich keinen Tanzpartner dabei habe, mache ich alleine weiter. Es sei gar nicht so verkehrt, am Anfang erst einmal für sich zu üben, sagt Heinrich Schmitz. So könne man die Schritte und Bewegungen richtig einstudieren, bevor man sie zu zweit machen müsse.

In der Gruppe gebe es mehrere überzeugte Solo-Tänzerinnen, so Schmitz. Eine davon ist Iris, die mich schnell unter ihre Fittiche nimmt, wofür ich sehr dankbar bin. Sie zeigt mir erst einmal die richtige Körperhaltung. Arme nach oben, gerader Rücken, Bauch anspannen, Brust raus und Blick an meinem imaginären Partner vorbei. So banal das Training angefangen hat, langsam wird es dann doch anstrengend. „Guck mal arrogant“, fordert Iris mich zum Schluss noch auf.

Es ist kein komisches Gefühl, alleine zu tanzen

Und dann drehen wir uns gemeinsam durch die Halle, immer wieder gibt sie mir Tipps. Vor allem an meiner Haltung muss ich noch arbeiten. Irgendwann schaffe ich aber schließlich eine ganze Runde und bekomme nicht nur Lob von Iris, sondern auch von Monika Schmitz. Ob es seltsam für mich sei, alleine unter all den Paaren zu tanzen, fragt mich Iris zum Schluss. Ich verneine. Tatsächlich finde ich es gut so. So kann ich mich voll und ganz auf mich und meine Füße konzentrieren. Das reicht mir für den Anfang.

Der wurde mir in Frauenberg wirklich sehr leicht gemacht. Das Ehepaar Schmitz wird seinem Anspruch, das Tanzen auch absoluten Anfängern beibringen zu wollen, wirklich gerecht. Für die Anfängertauglichkeit gebe ich daher 5 Sterne.

Standardtanz ist kein Teamsport wie Volleyball, trotzdem gebe ich vier Sterne für das Teamgefühl: Ich wurde sehr herzlich aufgenommen und alle haben zusammen gelernt. Aufwendig ist eine Teilnahme bei der Tanzgruppe von Ehepaar Schmitz nicht. Jeden Mittwoch ist Lerntag von 18 bis 20 Uhr. Jeden Sonntagnachmittag kann dann gemeinsam von 14 bis 16 Uhr noch einmal geübt werden. Für den Aufwand gebe ich daher einen Stern.


Noch zu wenig Mitglieder für eigenen Tanzsportclub

Seit fast 40 Jahren tanzen Monika und Heinrich Schmitz gemeinsam. Und das seit langem auf einem Top-Niveau. Aktuell belegen sie in der Diamond-Cup-Rangliste des Deutschen Tanzsportverbandes den vierten Platz. Sie haben sogar das Deutsche Turniertanz-Abzeichen in Gold mit Brillant. Das haben seit 1970 in NRW nur drei Paare erhalten.

Ihren reichen Erfahrungsschatz wollen sie nun in Frauenberg weitergeben. Die Gruppe stehe jedem offen, Lust habe, sich zur Musik zu bewegen, sagt Heinrich Schmitz. Mit seinen 75 Jahren sei er der älteste in der Gruppe, die jüngsten Mitglieder seien aktuell Mitte 40.

Seit Anfang Januar gibt es die neue Gruppe in Frauenberg. Mit dabei sind laut Heinrich Schmitz aktuell acht Paare und zwei Single-Damen. Das sei noch zu wenig für einen eigenen Tanzsportclub. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Noch tanzten die Paare alle auf einem ähnlichen Niveau, so Schmitz.

Langfristig sei es dann vorgesehen, dass mittwochs von 18 bis 19 Uhr die Anfänger und von 19 bis 20 Uhr die Fortgeschrittenen trainieren. Wer Interesse an der Gruppe hat, kann sich über die Website des SV Frauenberg melden. Der Kontakt wird dann hergestellt. Oder einfach einmal mittwochs in der Halle vorbeischauen.