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HilfstransportGemünder Flutopfer helfen nun im Flutgebiet in Italien

Lesezeit 5 Minuten
Die Gemünder Familie Uccello mit den Hilfsgütern für Italien, die in einem nach der Flut noch nicht sanierten Haus gestapelt sind.

Im Flur des seit der Flut noch nicht renovierten Hotels Zum Urfttal sind die Hilfsgüter gestapelt, die die Familie nach Italien transportiert: Giorgia (v.l.), Anna und Giulia Uccello, Danilo Pinci, Corrado Uccello und vorne, mit Flamingo, Vincenzo.

2021 hat die Flut in Gemünd die Familie Uccello hart getroffen. Nun helfen sie im Hochwassergebiet in Norditalien.

Nachdenklich sieht Anna Uccello auf den Boden. „Ich habe schon ein wenig Angst, was ich dort erleben werde“, sagt sie vorsichtig. Ob die ganzen Bilder, das Fluttrauma, alles, was sie in Gemünd vor fast zwei Jahren erleben musste, nicht wieder hochkommen, wenn sie über Pfingsten mit ihrem Hilfstransport in die Flutgebiete der Emilia Romagna fahren wird. Der Schlamm, die Gerüche, die Verzweiflung der Menschen, die heute das mitmachen, was ihr und ihrer Familie 2021 widerfahren ist.

22 Monate ist es her, die Nacht, in der Urft und Olef über die Ufer traten, Gemünd überfluteten und das Städtchen in ein Katastrophengebiet verwandelten. Neun Menschen starben allein in der Stadt Schleiden, mehr als 200 insgesamt in Deutschland und Belgien.

Die Familie in Italien ist in der gleichen Lage wie die Gemünder 2021

Und heute ist ihr Onkel in Bologna in der gleichen Situation. „Er hat sein Haus verloren, saß mit seiner Frau zwei Tage auf dem Dach, bis er gerettet wurde“, berichtet Anna Uccello. Eigentlich seien nur Teile von Bologna betroffen, schlimmer sei es in Cesena, wo ihre Cousine lebe. Doch die habe bisher Glück gehabt.

Fotos aus dem Flutgebiet auf einem Smartphone.

Übers Handy kommen Nachrichten von der Familie.

Soweit man überhaupt von Glück sprechen kann, denn die Lage in Norditalien ist vergleichbar mit der Situation im Sommer 2021 in Gemünd: Der Strom ist ausgefallen, die Verkehrswege sind zerstört, es gibt Probleme mit der Trinkwasserversorgung, es fehlt am Nötigsten.

Familie Uccello will möglichst vielen Menschen helfen

Alles Dinge, die Familie Uccello noch zu gut kennt. Zwei Wochen vor der Katastrophe waren sie in ihre neue Wohnung im ersten Stock an der Alten Bahnhofstraße in Gemünd eingezogen. Nicht ausgepackte Umzugskartons und viele Möbel waren noch im Keller, als das Wasser kam. Rund vier Meter hoch stand es – das ist noch heute am Schmutzrand an den Fenstern des Hotels Zum Urfttal zu sehen.

„Es stand zwei Stufen unter unserer Wohnungstür“, sagt sie. Ein Feuerwehrmann habe ihnen zugerufen, sie sollten auf das Dach klettern. „Aber ich hatte damals einen gebrochenen Fuß. Wie hätte ich das schaffen sollen?“, so die fünffache Mutter. So habe sie die Koffer für die Familie gepackt, im Notfall habe sie im Treppenhaus weiter in die Höhe fliehen wollen. Die Erlebnisse in den Tagen danach, die überwältigende Hilfsbereitschaft, die auch sie erfahren hat, haben Anna Uccello nun bewegt, sich auf den Weg zu ihrem Onkel zu machen und möglichst vielen Menschen zu helfen.

Gemischte Gefühle herrschen vor der Abfahrt ins Katastrophengebiet

Plötzlich standen hier wildfremde Menschen aus Ulm, hatten einfach Gummistiefel angezogen und haben uns geholfen“, erinnert sie sich. In Italien funktioniere das so nicht: „Mein Onkel sagt, es sei keiner da, es gebe kein Trinkwasser. Sie sind auf sich gestellt. Da haben wir gesagt: Wir werden helfen. Und wenn wir dort helfen, kommen andere und helfen auch.“ Zu ihrem Onkel habe sie gesagt, dass sie wisse, was dort gebraucht werde. „Wir sind Flutexperten“, sagt sie lachend.

Die Transporter werden für die Fahrt nach Norditalien am Freitag beladen.

Die Transporter werden für die Fahrt nach Norditalien am Freitag beladen.

Mit zwei Transportern samt Anhänger wird sie sich auf den Weg machen, erst nach Bologna, dann nach Faenza und Cesena – dorthin, wo es am Schlimmsten sei. Mit dabei sind ihr Mann Corrado, ihr Bruder Danilo Pinci und die 14-jährige Tochter Giulia. Obwohl das Mädchen immer noch unter den Folgen der Flut leidet, will sie unbedingt mitfahren. „Ich habe das bisher nicht verkraftet“, gibt sie offen zu: Die Erinnerung sei immer noch wach. Videos von den Ereignissen in Cesena und Bologna habe sie sich deshalb noch nicht ansehen können.

Danilo Pinci hat auch Hilfsgüter bis Kiew gefahren

Über das Hilfsnetzwerk „Eifel für Eifel“ bat Anna Uccello um Spenden und war von den Reaktionen überwältigt. An ihrem Arbeitsplatz, der Jugendherberge in Gemünd, hat sie eine Woche Sonderurlaub genommen, um alles sortieren zu können, was ihr hilfsbereite Menschen brachten.

Doch auch Enttäuschungen musste sie hinnehmen. „Wir sind extra zum Spendenlager nach Erftstadt gefahren, mussten uns dort, obwohl wir angemeldet waren, anstellen und ewig warten“, berichtet Uccello. Die Gummistiefel, die ihr fest zugesagt gewesen seien, habe sie dort nicht bekommen, stattdessen nur unverpackte Arbeitskleidung. Und dann gebe es auch die Kommentare auf Facebook, es solle doch erst einmal an der Ahr geholfen werden, das sei viel wichtiger. „Natürlich ist an der Ahr viel geschehen, die Leute brauchen Hilfe, aber die brauchen doch jetzt keine Babykleidung mehr“, sagt Uccello verständnislos.

Lang ist die Liste der Dinge, die benötigt werden. Vieles ist in der Garage der Familie gelagert, viel mehr wird gebraucht. „Vielleicht brauchen wir einen Lkw, damit wir alles mitkriegen“, überlegt Anna Uccello. Doch wenn es keinen gebe, werde halt zweimal gefahren, das hat sie jetzt schon geplant.

Kräftig packt Bruder Danilo mit an. Für ihn ist es eine Selbstverständlichkeit zu helfen. „Als der Krieg in der Ukraine losging, bin ich mit einem Transporter voller Tierfutter zu einem Tierheim in Kiew gefahren“, berichtet er. Auf der Reise habe er viele Hilfsgüter gesehen, die weggeworfen worden seien: „Deshalb fahre ich selbst, dann weiß ich auch, dass es ankommt.“


Hilfe für Emilia Romagna

Viele Dinge werden im Flutgebiet in Italien benötigt. Gebraucht werden grundlegende Sachen: Kleidung und Schuhe, Hygieneartikel, Decken, haltbare Lebensmittel, Camping-Gaskocher, Plastik-Teller und -Besteck, Getränke, Babynahrung, Babykleidung und Pampers, Tierfutter, Heizlüfter, Batterien, Taschenlampen, Powerbanks und Ladekabel für diverse Handys, Gummistiefel in allen Größen, Besen und Schaufeln. Für den Transport freut sich die Familie über eine Unterstützung in Form von Tankgutscheinen oder Spenden für die Maut. Kontakt: Tel. 0178/4999539 oder Facebook-Account von Anna Uccello. (sev)