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Auto gerammt, dann geflohenMann nach Verfolgungsjagd mit der Polizei durch Kreis Euskirchen verurteilt

Lesezeit 4 Minuten
Ein Streifenwagen ist komplett verbeult.

Die Streifenwagen wurden massiv beschädigt.

Das Ende der Verfolgungsjagd: Zwei Streifenwagen beschädigt, Polizist verletzt – 60-Jähriger zu Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt.

Zum ersten Mal kam im Amtsgericht in Gemünd der große Bildschirm zum Einsatz, der seit einigen Monaten an der Wand gegenüber dem Richtertisch hängt. Gezeigt wurden die Aufnahmen der Windschutzscheibenkamera eines Streifenwagens, der vor fast genau einem Jahr im Einsatz war, als ein Pick-up verfolgt wurde.

Vor Gericht verantworten musste sich der 60-jährige Pick-up-Fahrer. Ausführlich nahm er zu der Vielzahl von Vergehen Stellung, die ihm die Staatsanwaltschaft vorwarf, von Widerstand über illegalem Autorennen bis hin zur Gefährdung des Straßenverkehrs. Inständig bat er um Verzeihung.

Angeklagter berichtet von familiären, finanziellen und bürokratischen Problemen

Auch schilderte er die Probleme, denen er sich über Monate hatte stellen müssen, seitdem die Flut seinen Handwerksbetrieb und sein Wohnhaus heimgesucht hatte. Familiäre, bürokratische und finanzielle Probleme hätten ihn so gequält, dass er, um schlafen zu können, 14 Tage vor der Verfolgungsfahrt begonnen habe, abends Marihuana zu rauchen. Am Tatabend habe er bei einem Termin in Gemünd vier, fünf Bier und zwei Schnäpse getrunken.

Beim Ausparken rammte er ein Auto. „Nicht auch das noch“, habe er sich gesagt, bevor er Gas gegeben habe, um nach Hause zu fahren. Der Besitzer des Autos hatte den Zusammenstoß beobachtet und die Polizei gerufen.

Ich kenne dort jeden Strauch, ich dachte, ich könne entkommen.
60-jähriger Angeklagter

Die Streifenwagenbesatzung erkannte auf dem Weg nach Gemünd das beschriebene Fahrzeug. Die Polizisten wendeten und schalteten das Blaulicht ein. Es begann die rund viertelstündige Flucht des 60-Jährigen über die Feldwege zwischen Schleiden und Ingersberg/Eichen, die das Video dokumentiert. „Ich kenne dort jeden Strauch, ich dachte, ich könne entkommen“, so der 60-Jährige. Doch die Polizisten hatten den Flüchtenden ständig im Blick.

Zwei Straßensperren konnte der Flüchtende umgehen – Sackgasse hielt ihn auf

Durch Schleiden ging die wilde Jagd, bevor der Angeklagte sein PS-starkes und geländegängiges Fahrzeug auf einen Waldweg Richtung Kerperscheid lenkte. Das Video zeigt, wie es zum Kreisverkehr B258 bei Ingersberg ging, an Ingersberg/Eichen vorbei, durch den Ort zurück zum Kreisverkehr und nach Kerperscheid. Von dort ging es über den Alten Kerperscheider Weg nach Oberhausen, wo die Fahrt in einer Sackgasse endete.

Zweimal versuchte die Polizei, den Flüchtenden mit einer Straßensperre zu stoppen. Ein zweiter Streifenwagen wollte den Pick-up am Kreisverkehr anhalten, doch der 60-Jährige fuhr über den Radweg und am Streifenwagen vorbei. Ein dritter Streifenwagen sperrte den Kerperscheider Weg ab.

Hier drückte sich der Angeklagte mit seinem Auto auf der Böschung am Polizeiwagen vorbei und beschädigte diesen erheblich. Als der Pick-up in Oberhausen gehalten habe, seien sie, so der Polizist, in das Heck des Pick-up gefahren – auch der Streifenwagen wurde beschädigt. An den Polizeiwagen entstand ein Schaden von insgesamt rund 55.000 Euro.

„Das war eine Fahrt absolut am Limit für unseren Streifenwagen“, sagte der Polizist, der als Beifahrer im ersten Streifenwagen, der die Verfolgung aufgenommen hatte, saß. Der Pick-up sei den Einsatzfahrzeugen überlegen gewesen.

Verfolgungsjagd endet in Oberhausen

In Oberhausen kam es schließlich zur Festnahme. Während der 60-Jährige angab, er habe sich ergeben wollen, schilderte der Polizeibeamte, dass er sich gegen die Festnahme gewehrt und mit Schlägen darauf reagiert habe. Der Polizist stellte nach der Festnahme fest, dass er sich einen Knochen der Mittelhand gebrochen habe. Ob das durch die Auseinandersetzung oder den Aufprall geschehen ist, wisse er nicht.

Der Angeklagte sei mit Handschellen gefesselt und zur Entnahme einer Blutprobe zur Wache gebracht worden. Im Pick-up seien 1,6 Gramm Marihuana gefunden worden. Die Blutprobe ergab 0,89 Promille, außerdem habe der Fahrer unter Einfluss von Cannabis gestanden.

Sein Leben habe er geändert und wieder in den Griff bekommen, sagte der strafrechtlich bislang nie in Erscheinung getretene Mann. Er sei in psychologischer Behandlung und habe viele Dinge im vergangenen Jahr in Ordnung bringen können.

Richterin spricht von Wunder, dass nichts geschen sei

Zu einer Strafe von neun Monaten Haft auf Bewährung und Zahlung von 2500 Euro verurteilte Richterin Claudia Giesen den Mann wegen Unfallflucht, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Besitzes von Betäubungsmitteln.

Der Führerschein, der seit einem Jahr beschlagnahmt ist, bleibt für weitere drei Monate eingezogen. „Es handelt sich um eine posttraumatische Belastungsstörung“, so die Richterin – eine Schuldunfähigkeit könne sie nicht feststellen. Die Fahrt über enge Straßen in zu hoher Geschwindigkeit sei eine abstrakte Gefährdung gewesen. Es sei ein Wunder, dass nichts geschehen sei.