Nach langer OdysseeGrünes Licht für Wasserkraftwerk an der Urft in Gemünd
Gemünd – Es ist schon eine Odyssee, die Hubert Verbeek hinter sich hat. Manch anderer Investor hätte wohl längst das Handtuch geworfen. Nicht jedoch der Elektro-Ingenieur, der seit 2009 den Plan verfolgt, am Stauwehr in Gemünd ein Wasserkraftwerk zu bauen. Gut zehn Jahre später – so lange dauerte die Heimreise von Odysseus nach dem Krieg gegen Troja – hat er nun alle Genehmigungen zusammen. 2021 soll eine Detailplanung für das rund 600 000 Euro teure Projekt erstellt und die Aufträge vergeben werden.
2022 soll das Wasserkraftwerk, das jährlich etwa 450 000 Kilowattstunden Strom erzeugen kann, gebaut werden. „Man muss schon ein bisschen verrückt sein, wenn man sich für solche Projekte einsetzt“, sagt der Ingenieur.
Das Thema Wasserkraft wurde Verbeek schon in die Wiege gelegt. Denn er stammt aus einer alten Müller-Familie aus Waldfeucht-Haaren bei Heinsberg und besitzt auch heute noch eine Mühle. An der unteren Rur in Kreuzau-Winden hat er bereits vor Jahren ein Wasserkraftwerk errichtet. Ein weiteres an der mittleren Rur ist in Planung, aber auch hier mahlen die Mühen langsam.
Planungen begannen 2009
Bei einer Mountainbike-Tour durch die Eifel war ihm der Standort in Gemünd aufgefallen. 2009 begannen die Planungen, parallel erwarb Verbeek die Wehranlage und die für die Anlage notwendigen Flächen. Zudem wurde das Vorhaben zweimal im Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt. Anschließend begann der lange Weg durch die Behörden, der erst in diesem Jahr abgeschlossen werden konnte. „Dass wasserrechtliche Verfahren eine Ewigkeit dauern, ist auch schon der EU aufgefallen. Sie hat deshalb eine Richtlinie erlassen, dass der Prozess nur noch maximal zwei Jahre dauern und im Extremfall noch um ein Jahr verlängert werden darf“, so Verbeek. Für sein Vorhaben in Gemünd kam die Richtlinie zu spät. Er betont, dass die Zusammenarbeit mit dem Kreis Euskirchen und der Stadt Schleiden sehr gut sei.
„Man wundert sich schon, wie viele Regularien und Restriktionen wir haben. In einigen Bereichen sind wir überreguliert“, äußert sich Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings zur langen Verfahrensdauer: „Da muss man froh sein, dass es Menschen gibt, die sich trotzdem nicht entmutigen lassen.“ Es gebe nicht viele Standorte im Stadtgebiet, an denen eine solche Anlage errichtet werden könne. Das Kraftwerk soll am Urft-Wehr, an dem früher Wasser für die Eisenindustrie abgezweigt wurde, entstehen. Es kann laut Verbeek knapp 150 Haushalte mit Strom versorgen. „In dem Bereich unmittelbar vor dem alten Wehrtor wird das Krafthaus gebaut. Es hat die Maße einer größeren Garage und bekommt großflächige Fensterfronten und eine Glastür“, berichtet der Investor. So könnten Besucher und Spaziergänger, aber auch Kinder vom nahen Spielplatz nachvollziehen, wie mit dem durch die Turbine laufenden Wasser Strom erzeugt werde.
Auch Wehr saniert
Über der Turbine im Erdgeschoss befinden die Welle, der Generator und die sonstige Technik. „Vor dem Krafthaus wird ein feiner Reschen angebracht, der die Turbine vor Holz und sonstigem Treibgut schützt und der automatisch gereinigt wird“, erläutert Verbeek. Weil der Investor in einem Aufwasch auch das Wehr für geschätzte 100 000 Euro saniert und für weitere 250 000 eine neue Fischtreppe errichten lässt, kann sich die Stadt diese Ausgaben sparen. Nicht nur deshalb freut sich Bürgermeister Pfennings: „Wir optimieren die Durchlässigkeit des Gewässers und können als Nationalpark-Hauptstadt auch mit Wasserkraft werben.“ Weil der neue Aufstieg dafür sorgt, dass sich der Fischbestand besser durchmischt, befürwortet nach Angaben von Verbeek auch das Umweltministerium in Düsseldorf sein Vorhaben.
Relikt der Metallindustrie
Das Wehr in der Urft gehörte ursprünglich zu einem Eisenwalz- und Schneidwerk und regulierte die Wasserzufuhr zum parallel der Urft verlaufenden Scheidmühlengraben. Wie auf einer Schautafel unweit der Wehranlage zu lesen ist, wurden mit dem Wasser aus dem Graben die Wasserräder des Metallbetriebs betrieben, der sich im 19. Jahrhundert in der Nähe des heutigen Kurhauses befand. In dieser Zeit hatte sich Gemünd zu einem Industriestandort entwickelt.
Seit dem Jahr 1928 wurde dann mit dem Wasser aus dem Graben die Turbine des Mädchenpensionats St. Katharina der Dominikanerinnen betrieben. Der Graben wurde später zugeschüttet. (wki)
Zudem wird auch der Hochwasserschutz verbessert. Auf der neuen Wehranlage werden stromlinienförmige Bleche befestigt, die sich bei starkem Wasserdruck selbstständig absenken und mehr Wasser durchlassen. Die Reste der alten Anlage, mit der früher das Wasser der Urft für die Bootstouren gestaut wurde, liegen nicht weit entfernt vom Wehr auf dem Boden.
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Im Gegensatz zur Sonnen- und Windenergie könne Wasserkraft kontinuierlich Strom erzeugen. „Sie läuft auch noch bei wenig Wasser“, unterstreicht der Ingenieur, der für seine Planung auch Wetterprognosen berücksichtigt hat. „Danach werden wir zwar im Sommer wegen geringerer Niederschläge etwas weniger Strom erzeugen als geplant, im Winter aber dafür mehr.“ 2022 soll das Kraftwerk gebaut werden: „Wir können nicht früher beginnen, weil viele Bauunternehmen ihre Auftragsbücher für das kommende Jahr bereits voll haben.“ Nach rund 20 Jahren habe sich die Anlage amortisiert. Danach gebe es noch genug Zeit, Geld zu verdienen. „So ein Wasserkraftwerk kann 120 Jahre laufen, und die Instandhaltungskosten sind gering“, sagt Verbeek.
Die 1911 gebaute Turbine in seiner Anlage an der mittleren Rur sei vor zwei Jahren erstmals in der Werkstatt gewesen.